Talmudisches

Der Fisch und die Perle

Als die Fischer ihre Netze leerten, fiel ihnen ein besonders schöner und großer Fisch auf. Foto: Getty Images / istock

Wir Juden kennen einige Gleichnisse aus der Schatzkammer unserer nachbiblischen Tradition, die die Einhaltung der Schabbatruhe als Reichtum für den Menschen bis zum heutigen Tag ergründen, wie zum Beispiel eine Geschichte im Talmud (Schabbat 119a).

Dort lesen wir von einem frommen Mann namens Josef. Er lebte mit seiner Familie in einer kleinen, bescheidenen Hütte am Stadtrand und war dafür bekannt, dass er den Schabbat ganz besonders ehrte.

In Josefs Nachbarschaft wohnte ein Nichtjude, dessen Besitz und Reichtum schier unermesslich waren. Doch er war für seinen Geiz und für seine Bösartigkeit bekannt. Sein ganzes Streben lag darin, seinen Reichtum zu mehren – und das nicht selten auf Kosten seiner Mitmenschen.

Jeden Tag ließ sich der Nachbar von einem orientalischen Hellseher die Zukunft voraussagen.

Hellseher Jeden Tag ließ sich der Mann von einem orientalischen Hellseher die Zukunft voraussagen und glaubte fest daran. Eines Tages weissagte ihm der Hellseher: »Josef, dein frommer jüdischer Nachbar, wird eines Tages dein gesamtes Eigentum verzehren.«

Der Geizhals erschrak fast zu Tode und fing an, darüber nachzudenken, wie er dieser unheilvollen Zukunft entgehen könnte. Allein die Vorstellung, dass er seine Schätze an einen Juden verlieren würde, raubte ihm fast den Verstand.

Er beriet sich mit seiner Frau, und sie beschlossen, ihren ganzen Besitz zu veräußern und sich dafür eine kostbare seltene Perle zu kaufen. Diese könnte man besser hüten als Haus und Hof.

Der Geizhals erschrak fast zu Tode und überlegte, wie er dieser unheilvollen Zukunft entgehen könnte.

Nachdem er sein gesamtes Hab und Gut gegen die Perle eingetauscht hatte, ließ er sich einen besonders schönen Turban anfertigen. Er trug seiner Frau auf, die Perle in den Turban einzunähen. Er gab die Kopfbedeckung nicht mehr aus der Hand und bewachte sie sorgsam. Er trug den Turban Tag und Nacht.

Wind Eines Tages führten ihn seine Geschäfte in eine andere Stadt. Um dahin zu gelangen, musste er einen Fluss überqueren. Als er auf der Fähre stand, kam ein heftiger Wind auf, und der kostbare Turban samt der Perle fiel ins Wasser. Es ergab sich, dass die kostbare Kopfbedeckung von einem Fisch verschluckt wurde.

Es war noch früh am Morgen, als die Fischer des Städtchens ihrer Arbeit nachgingen. Doch an diesem Tag hatten sie kein Glück und mussten ihre Netze immer wieder auswerfen.

Es war ein Freitag, und die Dämmerung hatte fast eingesetzt, als sie bemerkten, dass ihre Netze diesmal reichlich mit Fischen beladen und sehr schwer waren. Als sie ihre Netze leerten, fiel ihnen unter dem Fang ein besonders schöner und großer Fisch auf.

Die brachten ihren Fang zu Josef, und er kaufte tatsächlich den Fisch.

Köstlichkeit Wie an jedem Tag brachten sie ihre Beute zum Markt, um sie zu veräußern. Aber die Fischer sagten sich: »Wer wird um diese Zeit noch Fisch kaufen? Es ist doch schon fast Abend.« Die Bürger der Stadt bedeuteten den Fischern: »Bringt diesen großen Fisch zum frommen Josef. Wir wissen, dass er aus Ehre und Respekt dem Schabbat gegenüber an jedem Freitag Köstlichkeiten kauft. Die Woche über gibt es in seinem Haus nur sehr karge Mahlzeiten, doch am Schabbat wird das Schönste und Beste aufgetischt, das die Küche zu bieten hat.«

Also brachten die Fischer ihren Fang zu Josef, und er kaufte tatsächlich den Fisch. Als er ihn zubereiten wollte, fand er darin die wunderschöne, kostbare Perle. Es wurde eine fröhliche, himmlische Schabbatmahlzeit am weiß gedeckten Festtisch. Der Fisch schmeckte köstlich und reichte für die ganze Familie.

Nach dem Schabbat verkaufte Josef die Perle und erhielt dafür 13 Gefäße, gefüllt mit goldenen Dinaren. Ein älterer Mann, der dies alles beobachtet hatte, deutete das Geschehene so: »Wer dem Schabbat Ehre und Hingabe leiht, dem wird es auch der Schabbat entschädigen und entgelten.«

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025