Sicherheit

Zentralrat der Juden: Jüdisches Leben in Deutschland ist massiv bedroht

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: Marco Limberg / Zentralrat der Juden in Deutschland

Nach Ansicht des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, ist das jüdische Leben seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel massiv bedroht. Der 7. Oktober 2023 sei »das Pogrom unserer Zeit, der blutigste Tag für Jüdinnen und Juden seit der Shoa«, schrieb er in einem Gastbeitrag für die »Welt am Sonntag« zum 85. Jahrestag der Nazi-Pogrome vom 9. November 1938.

Die Angst sei tief verankert in den historischen Pogromerfahrungen. Jüdische Eltern hätten Angst, ihre Kinder zur Schule zu schicken, geschweige denn zum Sport, so Schuster weiter: »Ja, die jüdischen Einrichtungen sind geschützt, und die sichtbare Präsenz der Behörden strahlt Sicherheit aus, aber die Wahrheit ist, dass die Verunsicherung und die Angst bei all dem Hass auf den Straßen und vor allem im Netz so schnell nicht gebändigt werden kann. Das ist psychischer Terror.«

Wer die Bilder arabischer Jugendlicher sehe, die sich Adolf Hitler zurückwünschten und »vergast die Juden« riefen, komme nicht umhin, Parallelen zu entdecken zwischen dem Denken Rechtsradikaler, die eine aktive Erinnerungskultur ablehnten, und der Einstellung islamistischer Fanatiker, die Israel auslöschen und alle Juden vernichten wollten.

Schuster kritisierte in seinem Beitrag rechte, linke und muslimische Kreise. Von links gebe es eine »Dämonisierung Israels als westlicher kolonialer Staat«, und laut aktuellen Umfragen seien fast 80 Prozent der AfD-Anhänger der Meinung, Deutschland habe keine besondere Verantwortung für Israel.

Außerdem glaubten 20 Prozent der befragten AfD-Anhänger, dass Juden die eigentlichen Herrscher der Welt seien. Darüber liege nur die Gruppe des muslimischen Milieus, aus dem 26 Prozent dieser Aussage zustimmten.

Antisemitismus sei »keine Sache der Ränder unserer Gesellschaft, egal wie sehr wir das hofften«, fügte Schuster hinzu: »Für Judenhass und Israelfeindlichkeit sind breite Gruppen empfänglich, und das ist es, was mir große Sorgen bereitet. Hinter vorgehaltener Hand ist Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen. Kulturinstitutionen und Kulturschaffende, woke Individualisten, die sonst ihre Moral locker auf der Zunge tragen, sind im besten Fall abgetaucht.«

Auch viele Medien seien »abgehoben bemüht um falsche Neutralität« und mit der Situation überfordert, kritisierte der Zentralratspräsident weiter: »Wer konnte schon wissen, dass die Hamas keine seriöse Quelle ist?«

Und jetzt werde philosophiert, wie weit Israel gehen dürfe in seiner Selbstverteidigung: »Und natürlich wird die einzige Demokratie im Nahen Osten doch auch noch permanent darauf hingewiesen, dass man sich an das Völkerrecht zu halten habe.«

Schuster warnte auch vor falscher Zurückhaltung in der Migrationsdebatte. Aus Angst vor einem Schub für den Rechtspopulismus dürfe man sich der Realität nicht verweigern: »Nicht alle gesellschaftlichen Konflikte, die durch Migration erzeugt werden, haben etwas mit Diskriminierung oder Rassismus zu tun. Sie zu verleugnen, wäre der wahre Affront auch gegenüber dem Großteil der friedlichen in Deutschland lebenden Muslime.«

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Gaza

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025