Jerusalem

Wunsch nach Frieden

In der Halle der Erinnerung brennt die Ewige Flamme zum Gedenken an die sechs Millionen ermordeten Juden Europas. Bundeskanzler Olaf Scholz, der zu Beginn seines Antrittsbesuches in Israel am Mittwochmorgen vergangener Woche in die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gekommen ist, entzündet das Mahnfeuer.

Auf der Steinplatte, unter der die Asche von Opfern der Vernichtungslager begraben ist, legt er einen Kranz mit schwarz-rot-goldener Schleife nieder. Kantor Asher Hainovitz trägt das »El Male Rachamim« vor. Scholz verharrt schweigend, senkt den Kopf, blickt auf den Boden.

yad Vashem Dort sind die Namen von 22 nationalsozialistischen Mordstätten zu lesen: Auschwitz, Bergen-Belsen, Majdanek – und Babyn Jar. In der Schlucht bei Kiew ermordeten im September 1941 die deutschen Besatzer 33.771 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Am Dienstag vergangener Woche wurde gemeldet, dass die Gedenkstätte Babyn Jar von russischen Angreifern unter Raketenbeschuss genommen wurde.

Ein Besuch im Schatten des Krieges: Als dreitägige Nahosttour mit Stationen auch in Ramallah und Amman geplant, ist es nun eine kurze Visite in Jerusalem. Israels Premierminister Naftali Bennett, der den Kanzler in Yad Vashem begrüßt, merkt später bei einer gemeinsamen Pressekonferenz an: »Obwohl der Besuch kürzer ausfallen musste, bestanden Sie darauf, nach Yad Vashem zu kommen. Ich habe gesehen, dass Sie nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen dabei waren.«

Scholz erwidert, dass ihn der Besuch in Yad Vashem tief berührt und ihm nochmals die historische Verantwortung Deutschlands für den Staat Israel vor Augen geführt habe. An Bennett gewandt, versichert er: »Deutschland wird, darauf können Sie sich verlassen, auch weiterhin fest an der Seite Israels stehen.«

Jugendwerk Bennett und Scholz betonen, dass sie die guten Beziehungen beider Länder noch vertiefen wollen. So soll die Vereinbarung über die Einrichtung eines deutsch-israelischen Jugendwerkes bei Regierungskonsultationen unterzeichnet werden, zu denen Scholz das israelische Kabinett nach Berlin einlädt.

Auch wird vereinbart, dass Deutschland und Israel in strategischen Fragen enger zusammenarbeiten, in einem Dialogformat, das zweimal im Jahr stattfinden soll. »Da wird es um Sicherheitsfragen und politische Angelegenheiten gehen«, erklärt Bennett. Und Scholz ergänzt: »Das ist eine ganz wichtige Weiterentwicklung unserer Beziehungen.«

Beide Seiten wollen in strategischen Fragen enger zusammenarbeiten.

Beim Gespräch unter vier Augen tauschen sich die Regierungschefs auch über die atomare Bedrohung durch den Iran aus. Bennett sagt, Israel verfolge mit Sorge die internationalen Gespräche mit dem Iran in Wien. Israel werde es dem Iran nicht erlauben, nukleare Waffen zu bekommen, und erwarte dabei auch die Unterstützung seiner Verbündeten.

Scholz versichert, Deutschland nehme die israelischen Sicherheitsbedenken ernst. »Eins ist wichtig: Wir müssen verhindern, dass der Iran an Atomwaffen gelangt.« Daran arbeite Deutschland mit den europäischen Partnern und den USA. In Wien müsse es jetzt eine Entscheidung geben. »Das darf nicht weiter aufgeschoben werden.«

Auch zur Frage der israelisch-palästinensischen Beziehungen nimmt Scholz Stellung: »Da sind in den letzten Monaten Schritte unternommen worden von der israelischen Regierung, um die Zusammenarbeit und die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern.« Das begrüße er ausdrücklich. »Um eine erneute Eskalation zu vermeiden, ist es wichtig, dass es zu sichtbaren Fortschritten kommt.« Eine nachhaltige Lösung könne nur in der Zweistaatenlösung liegen, betont der Bundeskanzler.

ukraine Ist der Konflikt im Nahen Osten bei Gesprächen deutscher Politiker mit israelischen Partnern sonst das bestimmende Thema, wird diesmal alles vom Krieg in Europa überschattet. Neue Realität. Auch die in Berlin vollzogene außen- und sicherheitspolitische Kehrtwende ist in Jerusalem von besonderer Bedeutung.

Die Regierungschefs tauschen sich dabei über Möglichkeiten aus, wie auf die aktuelle Lage eingewirkt werden kann. »Es ist unsere Pflicht als Führungspersönlichkeiten, alles zu unternehmen, um das Blutvergießen zu beenden«, so Bennett. Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine seien weiter ein Ziel. »Es ist noch nicht zu spät.«

Vor dem Hintergrund israelischer Kriegserfahrungen müsse er allerdings feststellen: »Es kann leider noch viel schlimmer kommen.« Auch Scholz zeigte sich besorgt über die weitere Entwicklung des Konflikts: »Ich will nochmals dazu aufrufen, dass alle Kampfhandlungen sofort eingestellt werden.« Die Situation sei sehr gefährlich: »Deshalb ist die Linie, die wir haben, sehr klar: Wir werden nicht militärisch eingreifen.« Die Sanktionen zeigten Wirkung, ist sich Scholz sicher. »Das zeigt aus meiner Sicht sehr genau, dass wir das Richtige entschieden haben, die richtige Haltung haben.«

Nach Treffen mit Außenminister Yair Lapid und Knessetsprecher Mickey Levy endet am Nachmittag das Programm in Jerusalem, das am Morgen in der Holocaust-Gedenkstätte begonnen hat. Der Kanzler kehrt nach Berlin zurück. Auf seinem Twitter-Account ist zu lesen: »Wer Yad Vashem besucht, spürt die ganz besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber dem Staat Israel. Und auch die Verantwortung für eine Friedensordnung in Europa, die Kriege ausschließt.« (mit dpa)

Weimar

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