Bergen-Belsen

»Wir werden die Toten nie vergessen«

Einen Schlussstrich unter die deutsche Vergangenheit darf es nicht geben: Zentralratspräsident Josef Schuster spricht am jüdischen Mahnmal in Bergen-Belsen. Foto: Rafael Herlich

»Erde, verdecke nicht das Blut, das auf dir vergossen wurde!« Diesen Satz wählten die wenigen jüdischen Überlebenden von Bergen-Belsen 1946 für dieses Mahnmal aus. Eine Zeitspanne von 70 Jahren liegt zwischen der Befreiung dieses Konzentrationslagers und uns heute. Wir lesen mit leisem Schaudern diese Mahnung. Die Erde der Konzentrationslager ist tatsächlich blutgetränkt. Zehntausende Menschen haben allein hier im KZ Bergen-Belsen ihr Leben verloren, ganz zu schweigen von den Millionen Toten in den anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern. Vergesst nicht, was hier einst geschah! Das ist der Appell, den die Überlebenden uns vor 70 Jahren mitgegeben haben.

Für die Tausenden von Toten gab es hier keine Grabsteine. Sie wurden in Massengräbern verscharrt. Die Überlebenden fühlten sich dafür verantwortlich, die Erinnerung an die Opfer aufrechtzuerhalten.

Und fassungslos hatten sie schon im Winter 1945/46 zusehen müssen, wie die Überreste des Lagers abgetragen wurden. Das Lagergelände wurde planiert. Damit verschwanden auch die steinernen Zeugen. Schon kurz vor Kriegsende hatte die SS die Lager-Akten und Häftlingskarteien verbrannt, um ihre Spuren zu verwischen. ...

Wie häufig ist inzwischen zu hören: Es reicht! Man kann uns das doch heute nicht mehr vorhalten! In einer Umfrage der Zeitschrift »Stern« im Jahr 2012 konnte jeder Fünfte der 18- bis 29-Jährigen mit dem Begriff »Auschwitz« nichts anfangen. 43 Prozent der Befragten hatten noch nie eine KZ-Gedenkstätte besucht.

Mit den historischen Fakten wird immer nachlässiger umgegangen. Die Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten war einzigartig und präzedenzlos. Selbst in einer Institution wie der Kultusministerkonferenz kämpfen wir derzeit darum, dass dies in den Schulen weiterhin so vermittelt wird. Wie notwendig diese Vermittlung ist, zeigt eine gerade veröffentlichte neue Umfrage des Stern: Nur gut die Hälfte der Bürger, nämlich 58 Prozent, sprachen sich gegen einen Schlussstrich unter die deutsche Vergangenheit aus.

Der Appell der Überlebenden von Bergen-Belsen war dennoch nicht vergeblich. Mitte der 1980er-Jahre wurde beschlossen, das Dokumentationszentrum auszubauen und die Geschichte des Lagers genauer zu erforschen. Heute haben wir hier eine moderne Gedenkstätte, die jedes Jahr von mehr als 300.000 Menschen besucht wird.

Dieses Mahnmal, vor dem wir stehen, belegt aber auch eindrucksvoll: Die Menschen, die damals in diesem Lager gelitten hatten, hatten fast alles verloren, aber nicht ihre Hoffnung!

Bis September 1950 bestand das jüdische DP-Camp, in dem bis zu 12.000 Menschen lebten. Allein in den ersten zwei Jahren nach der Befreiung heirateten in Bergen-Belsen mehr als 1000 jüdische Paare. Bis zur Auflösung des Camps wurden weit über 1000 jüdische Kinder geboren. Die Entschlossenheit, die Willenskraft und der Mut dieser Menschen sind für uns bis heute vorbildlich. Bergen-Belsen ist gleichermaßen ein Ort der Trauer und ein Ort der Stärke für die jüdische Gemeinschaft.

Heute, 70 Jahre nach Kriegsende, sprechen wir den Befreiern des Lagers, der britischen Armee, erneut unseren tiefen Dank aus! Wir gedenken mit Respekt und Trauer der mehr als 80.000 Menschen, die in Bergen-Belsen ums Leben kamen. Ihr Tod ist uns Mahnung bis heute! Wir werden sie nie vergessen!

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Israel

Antisemitismus-Beauftragter wirft Sophie von der Tann Verharmlosung der Hamas-Massaker vor

Die ARD-Journalistin soll in einem Hintergrundgespräch gesagt haben, dass die Massaker vom 7. Oktober eine »Vorgeschichte« habe, die bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches zurückreiche

 25.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  25.11.2025

Ramallah

Nach Hammer-Angriff auf Israeli - mutmaßlicher Täter getötet

Vor mehr als einem Jahr kam ein israelischer Wachmann im Westjordanland bei einem Angriff ums Leben. Seitdem haben israelische Sicherheitskräfte nach dem flüchtigen Täter gesucht

 25.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Entscheidung

Berlin benennt Platz nach Margot Friedländer

Jahrzehntelang engagierte sich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für Aussöhnung. Nun erfährt die Berlinerin nach ihrem Tod eine besondere Ehrung

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Berlin

RIAS: Polizei erfasst antisemitische Taten lückenhaft

Der Bundesverband sagt, es gebe strukturelle Probleme, Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen und ein insgesamt unzureichendes Bild antisemitischer Hasskriminalität in den offiziellen Statistiken

 25.11.2025