Rüstungskontrolle

»Wir müssen unseren Unternehmen auf die Füße treten«

Fabian R. Hoffmann Foto: aesthesia photography - Katsis

Herr Hoffmann, in einer Kampfdrohne der Hisbollah, die gegen Israel eingesetzt wurde, fand man vergangene Wochen einen Motor, der offenbar von einem deutschen Unternehmen hergestellt wurde. Wie kann man verhindern, dass solche Komponenten in die falschen Hände geraten?
Im Moment leider kaum. Nehmen Sie den Drohnenmotor: Der ist ja für den Modellbau gedacht, für den zivilen Bereich also. Allerdings sind diese Motoren mit der Zeit immer kleiner, effizienter und besser geworden. Das heißt, Komponenten aus dem zivilen Bereich kommen immer näher an die Qualität von Produkten aus dem militärischen Bereich heran, zumindest verglichen mit dem, was vor zehn oder 20 Jahren vorlag. Natürlich sind solche Motoren nicht für militärische Flugkörper optimiert. Aber man kann sie so hinbekommen, dass sie auch einigermaßen gut in eine Drohne passen.

Haben die Hersteller denn keine Verpflichtung zu prüfen, an wen sie ihre Motoren verkaufen?
Für den Export schon. Das Problem ist: Es wird bislang zu wenig kontrolliert, in welchen Händen die Produkte am Ende landen, denn meist unterzieht der exportierende Unternehmer den Käufer keiner ausgiebigen Prüfung, schon gar nicht, wenn es sich um kleinere Unternehmen handelt. In größeren Firmen gibt es vielfach eine eigene Abteilung, die genau solche Fragen prüft. Bei kleineren ist das oft nur eine einzelne Person.

Lesen Sie auch

Mit anderen Worten: Da kann man nicht viel machen …
Doch. Ich bin der Meinung, dass wir unseren Unternehmen in Deutschland und in Europa stärker auf die Füße treten müssen, damit die genauer hinschauen, wo ihre Produkte landen. Spätestens seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine sehen wir ja in den Statistiken, wie plötzlich die deutschen Exporte nach Kirgisistan und Tadschikistan sich verzehnfachen. Da müsste der Staat viel genauer hinschauen.

Wie kann das praktisch gelingen?
Natürlich ist das im Einzelfall schwierig herauszufinden und die Weitergabe in falsche Hände zu verhindern. Aber Unternehmen haben eine Verantwortung, der sie gerecht werden müssen. Man darf nicht einfach seine Produkte exportieren, wenn absehbar ist, dass die nachher in Krisengebieten oder für Waffensysteme eingesetzt werden. Man muss sich darum kümmern.

Braucht es härtere Gesetze für die Ausfuhr bestimmter Güter?
Wenn ein Unternehmer einigermaßen gut dokumentiert nachweisen kann, warum es seiner Ansicht nach keinen Grund zur Annahme gab, dass sein Produkt in Hisbollah-Drohnen landen könnte, kann er auch nicht belangt werden, da kann man wahrscheinlich rechtlich nicht viel machen. Wenn allerdings Motoren an ein tschechisches Unternehmen verkauft werden, das drei russische Geschäftsführer hat, müssten eigentlich die roten Flaggen wehen. Man muss da auch an die unternehmerische Verantwortung appellieren, genau hinzuschauen und gegebenenfalls dann den Export bleibenzulassen.

Aber wie kann man Verfehlungen besser belangen?
Ich könnte mir ein »Two-Strikes«-System vorstellen. Wenn beim selben Unternehmer nicht nur einmal, sondern mehrfach etwas schief läuft, schaut der Staat genauer hin. Und wenn herauskommt, dass etwas leichtfertig exportiert wurde, muss das auch härter bestraft werden.

Kürzlich wurde in Salzgitter ein mutmaßliches Hisbollah-Mitglied verhaftet, der nach Ansicht der Bundesanwaltschaft in Deutschland Motoren für Drohnen beschaffen sollte. Ist Made in Germany besonders beliebt?
In Deutschland gibt es tatsächlich ein paar Firmen, die diese Art von Motoren herstellen oder auch andere Triebwerke. Wir haben das in der Ukraine gesehen. Aber grundsätzlich gibt es solche Hersteller auf der ganzen Welt. Kritisch ist da eher die »Barrier of Entry«, die Hürde, die man überwinden muss, um an diese Art Modellbautriebwerke zu gelangen. Und die ist nicht sehr hoch, auch in anderen Ländern nicht. Ich kann nicht sagen, ob Deutschland dabei eine größere Rolle spielt als andere. Ich würde aber grundsätzlich eher schätzen, dass solche Komponenten generell aus verschiedenen Ländern und Regionen importiert werden.

War es also eher Zufall, dass da jetzt ein in Deutschland hergestellter Motor gefunden wurde?
Ich vermute ja, auch wenn ich die Details nicht kenne. Es kommen aber definitiv auch Triebwerke aus anderen Ländern für so eine Drohne infrage.

Haben Sie eine Vermutung, wo die Technik für die Drohnen und anderes Kriegsgerät, das gegen Israel eingesetzt, herkommt? Aus dem Iran?
Teilweise kommt das Gerät direkt aus dem Iran, teilweise wird es auch von Hisbollah und Hamas selbst produziert. Je hochwertiger und technisch anspruchsvoller ein Produkt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es direkt aus dem Iran kommt. Oft wird es in seine Einzelteile zerlegt, über die Grenze geschafft und dann wieder dort zusammengesetzt. Hamas und Hisbollah haben auch eigene Manufakturen für Drohnen und Raketen. Aber hochwertigere Produkte kommen normalerweise aus dem Iran.

Und welche Rolle spielt Russland?
Verbindungen nach Russland gibt es viele, zum Beispiel was Raketen oder Marschflugkörper angeht. Das Raketenprogramm des Iran hat maßgeblich davon profitiert, dass zum Anfang der 2000er-Jahre ukrainische Geschäftsmänner russische Marschflugkörpersysteme illegal in den Iran exportierten. Die Technik, die in diesen Triebwerken für Drohnen und Marschflugkörper drin steckt, kommt ursprünglich aus Russland. Aber auf ihr basiert heute ein Großteil der iranischen Flugkörper. Obwohl man natürlich hinzufügen muss, dass der Iran mittlerweile selbst in der Lage ist, sehr hochwertige Produkte herzustellen und seine Proxies damit auszurüsten. Er ist nicht mehr von Russland abhängig.

Mit dem Doctoral Research Fellow am Institut für Staatswissenschaften der Universität Oslo und Experten für Wehrtechnik und internationale Beziehungen sprach Michael Thaidigsmann.

Nuklearprogramm

Atominspektoren der IAEA verlassen den Iran

Nach dem Krieg mit Israel setzt Teheran weiter auf Konfrontation mit der Internationalen Atomenergiebehörde

 05.07.2025

Extremismus

BSW-Chefin Wagenknecht will Brandmauer zur AfD einreißen 

Gespräche zwischen BSW und AfD? Landespolitiker in Thüringen haben es vorgemacht. Selbstverständlich sei das auch auf Bundesebene möglich, sagen beide Seiten

von Torsten Holtz  04.07.2025

Medien

Eurovision künftig ohne Israel?

Die Regierung droht mit der Schließung des öffentlich-rechtlichen Senders Kan. Das könnte das Aus für die Teilnahme am weltgrößten Gesangswettbewerb sein

von Sabine Brandes  04.07.2025

Berlin

Russland steuert Hetzkampagne gegen Nicholas Potter

Das Propaganda-Portal »Red« ist Treiber der Diffamierungskampagne gegen den Journalisten. Das Auswärtige Amt ist sich nun sicher, dass Russland hinter dem Portal steht

 04.07.2025

USA

Edan Alexander bedankt sich bei Donald Trump

Die freigelassene Geisel Edan Alexander trifft erstmals US-Präsident Trump. Um sich zu bedanken und auch, um darauf zu drängen, alle verbleibenden Geiseln so schnell wie möglich nach Hause zu holen

 04.07.2025

Rassistischer Polizist bleibt im Dienst

Gericht »nicht auf rechtem Auge blind«

Der Verwaltungsgerichtshof München steht in der Kritik, weil er einen ehemaligen Personenschützer von Charlotte Knobloch im Dienst belassen hat - obwohl dieser Juden in KZs wünschte. Jetzt wehrt sich das Gericht

 04.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Wie viel Migration verträgt das Klassenzimmer – und sind Grenzen nötig?

Bundesbildungsministerin Prien hält eine Obergrenze für Schüler mit Migrationshintergrund für denkbar

 04.07.2025

Österreich

Hitler-Geburtsort Braunau benennt Straßennamen mit NS-Bezug um

Ausgerechnet in Adolf Hitlers Geburtsort gibt es bis dato nach Nationalsozialisten benannte Straßen. Das soll sich ändern - und trifft bei einigen Politikern auf Widerstand

 03.07.2025

Hamburg

Hamas-Anhänger tritt bei staatlich gefördertem Verein auf

Das Bündnis Islamischer Gemeinden in Norddeutschland wird durch das Programm »Demokratie leben« gefördert und lud einen Mann ein, der Sinwar als »Märtyrer« bezeichnet hat

 03.07.2025