Interview

»Wir können viel von Israel lernen«

Gal Goldstein Foto: Rolf Walter

Herr Goldstein, in Deutschland begann der Impfstart holprig, in Israel ist schon jeder Zehnte geimpft. Was macht Israel anders?
Es gibt einfach viel mehr Impfzentren. Man kann sich rund um die Uhr impfen lassen – an sieben Tagen die Woche 24 Stunden lang. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

Wie wird das ermöglicht?
Durch gute Organisation. Es gibt dort viel weniger Bürokratie. Hinzu kommt, dass sich Israel bei der Zulassung der Impfstoffe an der FDA, der US-Arzneimittelbehörde, orientiert. Sie ist deutlich schneller als ihr europäisches Gegenstück, die europäische Arzneimittel-Agentur EMA. Da machen zwei, drei Wochen Vorsprung schon viel aus.

In Deutschland ist Impfskepsis eher verbreitet. Wie stehen Israelis zum Impfen?
Fast alle wollen sich impfen lassen. Und viele wollen auch helfen und mitmachen, Krankenschwestern, Ärzte. Wenn man mehr Personal hat, dann klappt das natürlich auch reibungsloser. In Deutschland ist Personalmangel eines der Probleme.

Die Bundesregierung lehnt nationale Alleingänge ab, setzt auf Impfstoffbeschaffung durch die EU. Wie schätzen Sie das EU-Impfstoffmanagement ein?
Die EU hat zu langsam und zu wenig Impfstoff bestellt. Israel hat den Impfstoff bereits bestellt, bevor er zugelassen war. Dass Biontech und Moderna da am aussichtsreichsten waren, zeichnete sich ja schon früh ab. Die EU war schlicht zu zögerlich.

Was halten Sie von der Regelung: über 80-Jährige zuerst?
Dass wir als Ärzte – erst recht in einer Corona-Praxis – warten müssen, halte ich für einen großen Fehler. Denn wir haben täglich viel Kontakt mit Corona-Patienten – und wir müssen weiterarbeiten. 80-Jährige haben viel weniger Kontakt. Ich hoffe, dass die Politik da noch umdenkt.

Sie hatten bereits Anfang April eine Corona-Praxis eingerichtet, als die meisten Gesundheitsämter noch mit den Tests hinterherhinkten, und bieten auch Antigentests nach überstandener Covid-Erkrankung an. Für wie sinnvoll halten Sie einen Impfbeleg?
Für sehr sinnvoll. Denn er würde ermöglichen, dass man wieder normal leben, arbeiten, reisen, ins Kino gehen kann.

Ließe sich die israelische Impfstrategie auch auf Deutschland übertragen?
Ganz klar: Ja. Nehmen wir einen Vergleich als Beispiel. In Berlin gibt es sechs Impfzentren für vier Millionen Einwohner, von denen bisher nur zwei im Einsatz sind. In Israel leben zehn Millionen Menschen, und es gibt mehr als 300 Impfzentren! Keiner muss anstehen, man kann sich online anmelden, per App, über die Krankenkasse. Und wenn Restdosen übrig sind, kann jeder kommen – altersunabhängig, auch junge Leute. Niemand würde auf die Idee kommen, das kostbare Vakzin wegzuwerfen. Deutschland kann viel von Israel lernen.

Mit dem Berliner Mediziner sprach Katharina Schmidt-Hirschfelder.

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025

Umfrage

Mehrheit hält AfD wegen deutscher Geschichte für unwählbar

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fragt die »Memo«-Studie Menschen in Deutschland nach dem Blick zurück

 29.04.2025

Potsdam

Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert besseren Schutz für Synagoge

Vermutlich wurde in Halle ein zweiter Anschlag auf die Synagoge verhindert. Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert deshalb dazu auf, auch die Potsdamer Synagoge besser zu schützen

 29.04.2025

Menschenrechte

Immer schriller: Amnesty zeigt erneut mit dem Finger auf Israel

Im neuesten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation wirft sie Israel vor, einen »live übertragenen Völkermord« zu begehen

von Michael Thaidigsmann  29.04.2025

Berlin

Streit um geforderte Yad-Vashem-Straße

Zwischen dem Freundeskreis Yad Vashem und dem Roten Rathaus herrscht Unmut

von Imanuel Marcus  29.04.2025

Den Haag

Strafgerichtshof verpflichtet Chefankläger zur Vertraulichkeit

Karim Khan, der unter anderem gegen Benjamin Netanjahu einen Haftbefehl erwirkt hat, darf einem Bericht des »Guardian« zufolge künftig nicht mehr öffentlich dazu Stellung nehmen

 29.04.2025

Urteil

»Impfen macht frei«-Bild ist Volksverhetzung

Ein 65-Jähriger hatte während der Corona-Pandemie die Schutzmaßnahmen der Regierung mit dem Holocaust verglichen

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025