Halle-Prozess

Verteidiger: Angriff auf Synagoge kein Mordversuch

Aus Platzgründen wird der Halle-Prozess – unter hohen Sicherheitsvorkehrungen – in einem Saal des Magdeburger Landgerichts verhandelt. Foto: imago

Fast ein halbes Jahr nach Beginn des Prozesses gegen den Synagogen-Attentäter von Halle steht das Verfahren vor dem Abschluss. Am Mittwoch hielt die Verteidigung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg ihr Abschlussplädoyer. Das OLG verhandelt aus Sicherheits- und Platzgründen im Magdeburger Landgericht.

Die Verteidigung hält ihren Mandanten für zumindest vermindert schuldfähig. Die völlige soziale Isolation habe Stephan B. in den Rechtsextremismus abdriften lassen, sagte Verteidiger Hans-Dieter Weber. Aus Geltungssucht habe sich B. in der Internetgemeinschaft bewähren wollen. Weber forderte kein konkretes Strafmaß, sondern ein gerechtes Urteil. Zudem sprach er sich gegen eine Sicherungsverwahrung aus.

Am 25. Prozesstag hat die Verteidigung des Attentäters plädiert. Sie fordert kein konkretes Strafmaß, sondern eine gerechte Strafe.


Unstrittig sind die Tatvorwürfe des zweifachen Mordes, der Volksverhetzung und Holocaustleugnung. Weber hält aber den Anschlag auf die Synagoge nicht für einen strafbaren Mordversuch an 51 Gottesdienst-Besuchern: »Der Tatplan scheiterte, als er vor verschlossener Tür stand.« Er verwies darauf, dass B. auch in seinem Video, das er live von der Tat ins Internet streamte, zu Beginn sagte: »Bitte lass die Tür offen sein.« Zudem habe sich hinter der Holztür zunächst das Synagogen-Gelände befunden, die Synagoge selbst habe eine weitere Tür gehabt. B. sei »früher gescheitert«.

Weber sprach von einem schwierigen Verfahren. Es habe sich um eine Tat »in Tradition nationalsozialistischer Verbrechen« gehandelt. B. sei aber nicht sein schwierigster Mandant gewesen. B. sei stets höflich und freundlich aufgetreten, auch wenn er dessen Gesinnung in keiner Weise teile. Die Weltöffentlichkeit schaue auf dieses Verfahren und ob man der historischen Verantwortung gerecht werde.

Der zweite Verteidiger, Thomas Rutkowski, schloss sich Webers Schlussvortrag an. Das letzte Wort des Angeklagten dauerte nur wenige Minuten. Er sprach von einem »reinen politischen Schauprozess«. Als er erneut den Holocaust leugnete, unterbrachen ihn mehrere Nebenkläger lautstark und protestierten. B. sagte am Rednerpult: »Dann wäre das alles« und setzte sich wieder zwischen seine Verteidiger. Die Sitzung wurde daraufhin kurz unterbrochen.

Die Bundesanwaltschaft hat B. unter anderem wegen zweifachen Mordes, versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiterer Straftaten wie Volksverhetzung und Körperverletzung angeklagt.

B. hatte am 9. Oktober 2019 aus einer antisemitischen und rassistischen Motivation heraus versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, um dort ein Blutbad anzurichten. Zu dem Zeitpunkt hielten sich dort 51 Menschen auf, um den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu feiern. B. scheiterte an der Tür zum Gelände, erschoss dann die 40-Jährige Jana L. auf der Straße und den 20-jährigen Kevin S. in einem Döner-Imbiss und verletzte weitere Menschen. In dem seit Juli laufenden Prozess wurden 86 Zeugen und acht Sachverständige gehört. Ein Urteil wird für den 21. Dezember um 11 Uhr erwartet.

Die Bundesanwaltschaft hat B. unter anderem wegen zweifachen Mordes, versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiterer Straftaten wie Volksverhetzung und Körperverletzung angeklagt. Sie fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung für den Rechtsterroristen sowie die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Die Bundesanwaltschaft hält B. auch weiterhin für gefährlich. Das psychiatrische Gutachten bescheinigte dem 28-Jährigen zwar eine komplexe Persönlichkeitsstörung, aber volle Schuldfähigkeit.

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025

Potsdam

Anne Frank mit Kufiya: Jüdische Gemeinde fordert Ausstellungs-Stopp

Eine Ausstellung im Museum Fluxus+ will Ähnlichkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigen. Doch die Darstellung zieht Kritik aus der Jüdischen Gemeinde und von Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten auf sich

 01.12.2025

Interview

»Nach dem Waffenembargo gibt es einiges zu kitten«

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Israel, Siedlergewalt im Westjordanland und die Kooperation mit dem Mossad

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Hamburg

So reagiert die Politik auf den Rücktritt Stefan Hensels

Wegen der vorzeitigen Amtsaufgabe des Antisemitismusbeauftragten macht die CDU dem rot-grünen Senat schwere Vorwürfe. Der Erste Bürgermeister lobt dagegen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Beauftragten

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 01.12.2025