Syrien

Verlässlicher Feind

Lange schien den Bewohnern der syrischen Stadt Hama, als sei ihre Revolte gegen Diktator Baschar al-Assad geglückt. Doch am Sonntagmorgen begruben dessen Truppen diese Hoffnungen unter Panzerketten und Granaten. Soldaten rückten ein und schossen wahllos auf Gebäude, berichten panische Blogger. Nicht nur in Hama, auch in zahlreichen anderen Städten hat Assads Regime eine Offensive von bisher unübertroffener Gewalt begonnen, die den Kampfgeist der Opposition brechen soll.

Am folgenden Montag lag die geschätzte Zahl der Toten bereits bei über 150, und jeden Tag kamen im ganzen Land weitere Opfer hinzu. Hunderte Verletzte lagen in den Korridoren der Krankenhäuser, denen in den Morgenstunden die Blutkonserven ausgegangen waren.

Brutalität Kurz vor Beginn des Fastenmonats Ramadan hat Assad in der Rebellenhochburg ein warnendes Exempel statuiert: Während die Opposition den spiri- tuellen Charakter des heiligen Monats nutzen möchte, um gegen den Präsidenten mo-
bilzumachen, will der Diktator mit einem entscheidenden Schlag verhindern, dass ihm die Kontrolle vollends entgleitet. Dabei war man in Hama lange zuversichtlich.

Nach blutigen Zusammenstößen hatten sich vor einigen Wochen die Truppen zurückgezogen und Hama das Schicksal anderer rebellischer Kleinstädte erspart, die in den vergangenen vier Monaten brutal erobert worden waren. Selbst Verkehrspolizisten waren nicht mehr zu sehen. Die Bürger verwalteten sich selbst. Es gab Freuden- und Protestkundgebungen.

Der Rückzug der syrischen Armee war das Resultat zweier besonderer Umstände: Zum einen galt bisher: Eine Eroberung der mit 700.000 Einwohnern viertgrößten Stadt Syriens erfordert ein großes Truppenaufgebot. Zum anderen hat Hama besonderen Symbolcharakter, denn im Jahr 1982 schlug Assads Vater Hafez hier einen Aufstand der Muslimbrüder mit Flächenbombardements nieder.

Damals kamen in einer Woche mindestens 10.000, laut anderen Schätzungen bis zu 40.000 Menschen ums Leben. Assads Sohn Baschar scheute sich lange, das Kainsmal seines Vater zu tragen, hatten ihn seine wichtigsten Verbündeten Russland oder die Türkei doch schon im Mai gewarnt, dass man kein weiteres Hama-Massaker sehen wolle. Zum Unmut des Regimes hatten nun die Botschafter der USA und Frankreichs die Demonstranten in Hama besucht, um ebenfalls einer Invasion vorzubeugen. Trotzdem errichteten die Bürger Hunderte improvisierte Straßenbarrikaden.

rebellen Jetzt schlug Assad zu, weil ihm allerorts die Kontrolle zu entgleiten droht. Syriens Minderheiten schließen sich den Rebellen an. Im Osten des Landes hat ein Aufstand der kurdischen Bewohner begonnen, mit 15 Prozent der Bevölkerung die größte ethnische Minderheit. Lang hielt sich die Erinnerung an dieses Ereignis im Jahr 2004. Damals ließ die Opposition sie im Stich. Doch nun sind die Kurden scheinbar von den Erfolgschancen und der Entschlossenheit der Rebellen überzeugt.

Nach vier Monaten überwiegend friedlicher Demonstrationen hat Damaskus es scheinbar vermehrt mit bewaffnetem Widerstand zu tun. Im Osten des Landes, nahe den Kurdengebieten, erheben sich in der Umgebung der Ölstadt Dir a Saur sunnitische Bürger, die Assad einst ausgerüstet hatte, um die Kurden einzuschüchtern. Zweimal wurden Ölpipelines gesprengt – ein herber Schlag für die brachliegende syrische Wirtschaft. Zudem desertieren Soldaten. Der Oberst Riad al-Asaad erklärte sich zum Befehlshaber der »Freien Syrischen Armee« mit bereits »Hunderten Kämpfern«.

In Israel weiß man nicht, was man von den Unruhen im Nachbarland halten soll. Assad war für Jerusalem lange ein bedrohlicher Feind: Der engste Verbündete des Iran torpedierte Friedensverhandlungen mit Libanon, bot Hisbollah und Hamas strategischen Rückhalt und rüstete sie auf. Assad baute heimlich Atomreaktoren, hortet ein Arsenal Tausender Raketen und chemischer Waffen. So könnte Israel von seinem Sturz profitieren.

Dennoch freut sich hier niemand so richtig über Assads Probleme. Er mag ein ernst zu nehmender Feind sein, aber er war auch verlässlich. Israels Grenze mit Syrien ist seit Jahrzehnten ruhig. Fällt das Regime, bleibt unklar, in wessen Hände Assads Waffenarsenal gelangt.

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 20.12.2025

Analyse

Ankaras Machtspiele

Manche befürchten schon einen »neuen Iran«. Warum Israel die Türkei zunehmend als Bedrohung wahrnimmt

von Ralf Balke  20.12.2025

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025