Proteste

Treife Alternative

Zu dem Protest aufgerufen hatte die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD). Foto: Rafael Herlich

Das Motto in Frankfurt lautete: »AfNee – Diese Alternative ist nicht koscher!«. Am Sonntagnachmittag hatten sich etwa 250 Menschen auf dem Frankfurter Roßmarkt versammelt. Dazu aufgerufen hatte die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD), Anlass war die Gründungsveranstaltung der Interessengemeinschaft »Juden in der AfD« (JAfD).

Die Gruppe gründete sich in Wiesbaden-Erbenheim, wo zu 19 Gründungsmitgliedern noch fünf weitere AfD-Mitglieder kamen. Sie wählten die 35-jährige Vera Kosova zu ihrer Vorsitzenden, Wolfgang Fuhl und Artur Abramovych zu Stellvertretern. Nach eigenen Angaben kommt rund ein Drittel der JAfD-Mitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion, Kosova ist Anfang der 90er-Jahre als sogenannter Kontingentflüchtling nach Deutschland gekommen.

distanz Der Zentralrat der Juden, einige jüdische Gemeinden und Institutionen sowie eine Vielzahl jüdischer Persönlichkeiten distanzierten sich deutlich von der Gruppierung. Diese wiederum attackierte den Zentralrat scharf. Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen sagte Vera Kosova, dass die Kritik der AfD an der Europolitik sie »neugierig gemacht« habe.

Im Zuge einer »unkontrollierten Masseneinwan­derung« nach Deutschland und dem damit verbundenen »inneren und äußeren Kontrollverlust« habe sie sich für den Parteieintritt entschieden. Insbesondere Kritik an muslimischem Antisemitismus, den »bürgerlich-konservativen« Juden eine Stimme zu geben und die »Repräsentanz des jüdischen Lebens« in der Partei seien für sie die Ziele der Gruppe.

Während Kosova einen »Dialog auf Augenhöhe« mit dem Zentralrat fordert, wütete ihr Stellvertreter Wolfgang Fuhl, ehemals Mitglied im Direktorium des Zentralrats, schon im Vorfeld über die »instrumentalisierten und ›gekauften‹ jüdischen Funktionäre«. Bei der Gründung seiner Vereinigung bezeichnete er die JAfD als »180 Grad konträr zur Position des Zentralrats« und unterstellte diesem eine »freiwillige Unterwerfung unter die Merkelpolitik«, weil der Zentralrat von der Bundesregierung finanziell abhängig sei.

zuwanderung Als politischen Schwerpunkt präsentierte die JAfD ihre ressentimentbeladene Ablehnung von Zuwanderung aus dem arabisch-islamischen Raum sowie die Absicht, jüdische Stimmen in der Partei zu bündeln. Gegen Parteibeschlüsse für ein Schächtverbot, wie sie etwa im Programm der bayerischen AfD für die Landtagswahl stehen, plane die Gruppe mit Überzeugungsarbeit vorzugehen, teilte sie mit.

Darüber hinaus forderte der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron unter großem Beifall eine Einstellung aller deutschen Finanzmittel an das Palästinenserhilfswerk der UN, die UNRWA, sowie die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Bystron war Ende September in die Kritik geraten, weil er eine Karikatur gepostet hatte, die in deutlich antisemitischen Zügen die jüdische Bürgerrechtlerin Anetta Kahane zeigte.

Schon im Vorfeld hatte der Zentralrat der Juden gemeinsam mit etwa 40 anderen jüdischen Verbänden, unter anderem Makkabi und die ZWST, eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der die AfD als »eine rassistische und antisemitische Partei« bezeichnet wird, die »unumwunden gegen Muslime und andere Minderheiten in Deutschland« agitiert. Deswegen sei sie »ein Fall für den Verfassungsschutz, keinesfalls aber für Juden in Deutschland«.

demo Diese Kritik wurde auf der von der JSUD veranstalteten Gegendemonstration in Frankfurt noch akzentuierter vorgetragen. Die JSUD wollte »ein starkes und unmissverständliches Zeichen setzen, dass die überragend große Mehrheit der Juden in Deutschland sich gegen die Ideologie, Politik, Menschenbilder und Methoden der AfD stellt«.

Dem Aufruf der JSUD waren Juden und Nichtjuden aller Altersgruppen gefolgt. »Die AfD ist stark antisemitisch«, begründete etwa Lukas Schneider von den Frankfurter Jusos sein Kommen. Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, sagte über die nur wenige Mitglieder starke JAfD: »Es hat mich sehr empört, dass so ein Randphänomen so viel mediale Aufmerksamkeit bekommen hat.«

JSUD-Präsidentin Dalia Grinfeld rief dazu auf, »gegen die antidemokratischen, rassistischen und antisemitischen Politiken der AfD aufzustehen«. Es sei ein Widerspruch, jüdisch zu sein und der AfD in jeglicher Form anzugehören, betonte Grinfeld. »Ihr bekommt keinen Koscherstempel von uns!«, rief sie unter Beifall.

koffer Laura Cazés, Vizepräsidentin der European Union of Jewish Students, erinnerte an die Leistung der jüdischen Eltern- und Großelterngeneration, die in der Nachkriegszeit in Deutschland geblieben ist. Cazés leitet daraus einen Auftrag an die junge Generation ab: »Wir haben die Koffer ausgepackt, aber wir werden ihren Inhalt nicht vergessen: ›Nie wieder!‹«

Die 23-jährige Lehramtsstudentin Alex sagte in ihrer Rede, es müsse »klarwerden, dass die JAfD nicht die jüdische Stimme in Deutschland repräsentiert«. Und Hannah Peaceman von der Zeitschrift »Jalta. Positionen zur jüdischen Gegenwart« sagte: »Juden in der AfD können nur als Feigenblatt instrumentalisiert werden.«

Dass sie damit nicht falsch liegen könnte, offenbarte AfD-Bundesvorstandsmit­glied Joachim Kuhs, der die JAfD als »ech­ten Glücksfall« für seine Partei bezeichnete: Mit »Juden in der AfD« habe man den gegnerischen Parteien das »Spielzeug der Nazikeule« weggenommen, sagte er.

Premiere

»Übergriffe gegen uns sind mittlerweile Alltag«

Anfeindungen, Behinderungen, Drohungen und Übergriffe: Ein neuer Film dokumentiert die Pressefeindlichkeit bei vielen Pro-Palästina-Demonstrationen in Berlin. Die Journalisten-Union warnt vor den Folgen für die Pressefreiheit hierzulande

von Markus Geiler  28.10.2025

Stellungnahme

Das sagt das ZDF zur Kritik aus der Union

Der getötete Angestellte der Produktionsfirma Palestine Media Production sei kein ZDF-Mitarbeiter gewesen. Zuvor wurde bekannt, dass er Hamas-Mitglied war

 28.10.2025

Nordwesten

Jüdisches Museum für Hamburg?

Kultursenator Carsten Brosda (SPD) will Lücke in der zweitgrößten deutschen Stadt schließen

 28.10.2025

Faktencheck

Marcel Reich-Ranicki sprach nie von »Schuldkult als Dauerimpfung«

Wie der gestorbene Literaturkritiker für aktuelle Polit-Debatten auf Social Media genutzt wird – und wie seine echten Aussagen aus Lebzeiten tatsächlich klingen

 28.10.2025

New Yorker Bürgermeisterwahlen

Zohran Mamdanis Vorsprung schrumpft

Viele Wähler unterstützen den früheren Gouverneur Andrew Cuomo nicht, weil sie ihn lieben, sondern da sie einen Sieg des Israelhassers Mamdani verhindern wollen. Wird dies klappen?

 28.10.2025

Berlin

Union: ZDF muss über Hamas-Mitglied bei Produktionsfirma aufklären

Politiker von CDU und CSU, darunter Ottilie Klein, kritisieren das ZDF scharf, nachdem bekannt wurde, dass ein vom Sender beschäftigter Mann in Gaza Mitglied der Terrorgruppe war

 28.10.2025

Kommentar

Politisches Versagen: Der Israelhasser Benjamin Idriz soll den Thomas-Dehler-Preis erhalten

Wer wie der Imam den 7. Oktober für seine Diffamierung des jüdischen Staates und der jüdischen Gemeinschaft instrumentalisiert, ist eines Preises unwürdig

von Saba Farzan  28.10.2025

München

Europäische Rabbiner sagen Baku-Konferenz aus Sicherheitsgründen ab

Rund 600 Teilnehmer aus aller Welt sind angemeldet. Viel Geld war in die Vorbereitung geflossen

von Imanuel Marcus, Mascha Malburg  28.10.2025 Aktualisiert

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025