Justiz

Stutthof-Prozess: Nebenkläger hoffen auf Schuldbekenntnis

Der Angeklagte wird zu Beginn des Prozesses auf einem Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben. Foto: dpa

Im Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann des KZ Stutthof haben mehrere Nebenklage-Vertreter den Angeklagten zu einem Schuldeingeständnis aufgerufen. Der 93-Jährige habe zugegeben, von August 1944 bis April 1945 als SS-Mann Wachdienst in dem Lager bei Danzig geleistet zu haben, sagte Rechtsanwalt Markus Horstmann am Dienstag in Hamburg.

Der Angeklagte sei kein glühender Nazi gewesen, habe aber mitgemacht. »Er könnte heute sagen: Es war falsch, was ich damals gemacht habe.« Dazu habe er in seinem letzten Wort noch die Chance. »Es wäre ein großer Schritt«, sagte Horstmann. Die Staatsanwaltschaft hat bereits beantragt, den Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren zu verurteilen.

»Wären die Menschen in Stutthof geblieben, wenn sie nicht bewacht worden wären? Nein«, betonte Anwalt Salvatore Barba. Er zitierte aus dem Protokoll der Wannsee-Konferenz, auf der die Nazi-Führung im Januar 1942 die Ermordung der europäischen Juden beschlossen hatte. »Das beschreibt eindeutig den damaligen Zeitgeist«, sagte Barba. Der Angeklagte sei Gehilfe des Vernichtungsterrors der Nationalsozialisten gewesen.

Man könne ihm nicht vorwerfen, dass er keinen Widerstand geleistet habe. »Aber er hätte einen Antrag auf Versetzung stellen können«, erklärte Barba. Er hätte sehen müssen, in welcher Hölle er sich befand. Auch Horstmann betonte, dass sich der Angeklagte an die Ostfront hätte versetzen lassen können - mit dem Risiko, dann nur noch wenige Tage zu leben.

Rechtsanwältin Christine Siegrot zollte dem Angeklagten Respekt dafür, dass er sich dem Verfahren gestellt und vor Gericht gesprochen habe. Angesichts der Zweifel von Gutachtern an seiner Verhandlungsfähigkeit und auch mit Blick auf die Corona-Pandemie wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, sich dem Prozess zu entziehen.

»Es ist erwähnenswert, dass Sie nicht auf dieses Trittbrett der Verhandlungsunfähigkeit aufgesprungen sind«, sagte Siegrot am 42. Verhandlungstag. Zugleich zeigte sie sich davon überzeugt, dass der Angeklagte bei Kriegsende an Erschießungen von Stutthof-Gefangenen am Strand von Neustadt in Schleswig-Holstein teilgenommen, dies aber verdrängt habe.

Das Verfahren sei viel zu spät gekommen. »Die deutsche Justiz hat versagt«, stellte Siegrot fest. Auch die Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg habe versagt. Jetzt komme den medizinischen Sachverständigen, die die Verhandlungsfähigkeit der hochbetagten Angeklagten in NS-Prozessen beurteilten, eine große Macht zu. Sie kritisierte Entscheidungen von Medizinern in Hamburg und Neubrandenburg. Dadurch seien ehemalige SS-Männer »davongekommen«.

In dem seit Oktober vergangenen Jahres laufenden Verfahren werden die rund 40 Nebenkläger - darunter Überlebende des Konzentrationslagers und Hinterbliebene von KZ-Opfern - von 17 Anwälten vertreten. Mindestens fünf von ihnen wollen am Freitag plädieren, dem letzten dafür vorgesehenen zweistündigen Termin. dpa

Berlin

»BILD«: Hinweis auf Ausspähung von deutschen Juden durch den Iran kam vom Mossad

Die Hintergründe

 01.07.2025

Bayern

Als Rassist und Antisemit im Polizeidienst? Möglich ist es …

Der Verwaltungsgerichtshof München hat geurteilt, dass Beamte sich im privaten Rahmen verfassungsfeindlich äußern dürfen, ohne deswegen mit Konsequenzen rechnen zu müssen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2025

Frankfurt

Unibibliothek besitzt rund 7.500 mutmaßlich geraubte Bücher

Die Goethe-Universität hatte die Herkunft von insgesamt rund 79.000 Bänden geprüft, die zwischen 1942 und 1945 in den Bestand aufgenommen worden waren

 01.07.2025

Spionage-Skandal

Außenminister Wadephul bestellt iranischen Botschafter ein

Der CDU-Politiker rief außerdem zum Schutz von Juden in Deutschland auf

 01.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Ausstellung »Die Nazis waren ja nicht einfach weg« startet

Die Aufarbeitung der NS-Zeit hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wendungen genommen. Eine neue Ausstellung in Berlin schaut mit dem Blick junger Menschen darauf zurück

von Lukas Philippi  01.07.2025

Kirchen

Theologe Staffa kritisiert Apartheidsbeschluss des Weltkirchenrates

Der Apartheidsvorwurf sei einfach falsch, sagte der christliche Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christen und Juden beim Deutschen Evangelischen Kirchentag

von Stephan Cezanne  01.07.2025

Berlin

Schuster: Vernichtungsfantasien des Mullah-Regimes gegen Israel und Juden nicht mehr kleinreden

In Dänemark wurde ein Spion festgenommen, der für den Iran jüdische und pro-israelische Ziele ausspioniert haben soll - darunter auch den Zentralrat der Juden

 01.07.2025

Festnahme

Spion soll für Iran jüdische Einrichtungen in Deutschland ausgespäht haben

Der Tatverdächtige wurde in Dänemark festgenommen

von Nils Kottmann  01.07.2025 Aktualisiert

USA

82-Jährige stirbt nach Angriff von Boulder

Die Frau erlag ihren schweren Verletzungen. Die Anklage gegen den Täter soll nun erweitert werden

 01.07.2025