Berlin

Stärkere Bekämpfung von Judenhass gefordert

Anti-Israel-Demo in Berlin, November 2012 Foto: imago

Der unabhängige Expertenkreis Antisemitismus im Bundestag hat am Montag nach zwei Jahren Arbeit seinen Abschlussbericht vorgestellt. Zu seinen zentralen Forderungen gehört die Berufung eines Antisemitismusbeauftragten und die dauerhafte Einrichtung des Expertenkreises.

Außerdem verlangten die Fachleute eine bundesweite Datenbank für antisemitische Straftaten und deren Ausweisung im Verfassungsschutzbericht sowie eine ständige Bund-Länder-Kommission zur besseren Abstimmung der Antisemitismus-Präventionsarbeit.

umfragen Die Ko-Koordinatorin des Expertenkreises, die Berliner Wissenschaftlerin Juliane Wetzel, betonte, Antisemitismus finde sich in allen gesellschaftlichen Gruppen. Zwar gehe der »klassische Antisemitismus«, der Juden »zu viel Einfluss« unterstelle, zurück. 2016 hätten sich nur noch rund fünf Prozent der Bevölkerung in Umfragen dazu bekannt.

Allerdings verträten rund 40 Prozent einen israelbezogenen Antisemitismus, der die politischen Entscheidungen des Staates Israel per se als jüdisches Handeln kritisiere. Zugenommen hätten antisemitische Äußerungen und verbale antisemitische Angriffe im Internet und in den sozialen Medien.

Der Zentralrat der Juden hat in diesem Zusammenhang die Forderung nach Berufung eines Antisemitismusbeauftragten erneuert. Bislang fehle es sowohl an einem zentralen Ansprechpartner auf Bundesebene als auch an einer ressortübergreifenden und nachhaltigen Beobachtung von Antisemitismus in unserer Gesellschaft.

bundeskanzleramt Daher solle ein Antisemitismus-Beauftragter mit Sitz im Bundeskanzleramt, unabhängig von Legislaturperioden, eingesetzt werden. Josef Schuster: »Der Expertenkreis hat konkrete Handlungsempfehlungen gegeben, die alle relevanten Felder abdecken. Ein Antisemitismus-Beauftragter sollte dafür Sorge tragen, dass die Empfehlungen umgesetzt werden und nicht in Schubladen verschwinden. Politik und Zivilgesellschaft sind gefordert, hier mitzuwirken.«

Der Expertenkreis habe eine ernüchternde Analyse vorgelegt, so Schuster. »Es wird deutlich, dass wir im Kampf gegen Antisemitismus nicht nachlassen dürfen, zumal das Internet inzwischen unendliche Möglichkeiten bietet, Antisemitismus weltweit und rasant zu verbreiten.«

Nach Einschätzung des Zentralrats der Juden ist es notwendig, auf allen politischen Ebenen sowie in Schulen, Ausbildung und Integrationskursen Antisemitismus zielgerichteter zu bekämpfen. Dies macht auch die Experten-Umfrage unter Juden deutlich. Die große Mehrheit der Befragten betrachtet Antisemitismus darin als großes Problem.

ZWST Eine bessere Beratung für Menschen, die von Diskriminierung und Antisemitismus betroffen sind, sei erforderlich. Der Zentralrat der Juden begrüßt daher die Einrichtung einer solchen Beratungsstelle durch das Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland.

Eine verbindliche Antisemitismus-Definition, die alle Facetten von Antisemitismus berücksichtigt, fehlt bislang in Deutschland, ist jedoch als Handlungsgrundlage für seine Bekämpfung dringend erforderlich. Polizei und Justiz hätten damit ein Werkzeug an der Hand, um antisemitische Straftaten konsequenter als bisher zu verfolgen und zu ahnden. In Großbritannien wird eine solche Definition bereits erfolgreich angewendet.

Dazu Zentralratspräsident Schuster: »Erst wenn wir etwas genau definieren, können wir es auch effektiv bekämpfen. Der Komplexität von Antisemitismus muss Rechnung getragen werden. Gerade der grassierende Israel-bezogene Antisemitismus fällt momentan viel zu oft durchs Raster.« Bereits seit mehreren Jahren wird auf internationaler Ebene an der Etablierung einer umfassenden Definition von Antisemitismus gearbeitet. Der Bericht des Unabhängigen Expertenkreises unterstreiche die Notwendigkeit einer solchen Definition.

Der Bericht fasst die Arbeitsergebnisse des zweiten unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus des Bundestags zusammen. Erstmals hatte sich 2009 ein unabhängiger Expertenkreis konstituiert und seine Schlussfolgerungen 2012 veröffentlicht. Ziel ist es, gegen Antisemitismus vorzugehen und jüdisches Leben in Deutschland weiter zu fördern. ja

Washington D.C.

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