Antisemitismus

SPD-Staatssekretär verlässt aus Protest Willy-Brandt-Zentrum Jerusalem

Am Donnerstag sprach Christian Lange nicht nur für die Regierung im Bundestag, sondern schrieb auch einen geharnischten Brief an seine SPD-Genossin Andrea Nahles. Foto: imago images/Christian Spicker

Christian Lange hat genug. Am Donnerstag schrieb der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg und amtierende parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium einen Brief an seine Parteifreundin Andrea Nahles.

In dem Schreiben, das der Jüdischen Allgemeinen vorliegt, erklärt er seinen Austritt aus dem Förderverein des Willy-Brandt-Zentrums in Jerusalem, welchem die zurückgetretene SPD-Chefin weiterhin vorsteht. Lange kündigte an, er werde seine Unterstützung für die Einrichtung der Jusos mit sofortiger Wirkung einstellen.

VETORECHT Anlass für den Schritt war ein Beschluss des Juso-Bundeskongresses vor drei Wochen. Darin hatte sich die SPD-Jugendorganisation ausdrücklich für zwei israelfreundliche Anträge ein Jahr zuvor entschuldigt und der palästinensischen Fatah-Jugend ein Vetorecht über eigene Beschlüsse zum Nahostkonflikt eingeräumt.  

»«Als Deutscher kann, darf und möchte ich nicht ‚neutral‘ sein, wenn es um Antisemitismus geht.»

SPD-Politiker Christian Lange

In seinem Brief wirft Lange die Frage auf, ob die Fatah auch dann ein Vetorecht habe, wenn die Jusos, «die antisemitische BDS-Bewegung» ablehnen. Weiter schreibt er: «Was machen die Jusos, wenn die Fatah-Jugend plötzlich ein Veto einlegt, wenn es um die Gleichstellung von Frauen geht, von Homosexuellen?»

Sprachlos habe ihn zudem gemacht, dass Beschlüsse der Jusos auf ihrem Bundeskongress in Schwerin 2019 zum Antisemitismus in den Vereinten Nationen und zur Solidarität mit Israel jetzt von den Jusos als Fehler angesehen würden, für den man sich entschuldigen müsse.

«Wie kann eine Jugendorganisation wie die Jusos, die auf eine stolze Geschichte zurückblicken, so einen Antrag annehmen? Was sagt eigentlich der Juso-Bundesvorstand zu der Tatsache, dass die Jugendorganisation der Fatah in ihrem Emblem einen Einstaatenlösung eines Palästinas ohne Israel zeigt?», fragt der baden-württembergische SPD-Politiker in seinem Schreiben.

RUF RETTEN Das Willy-Brandt-Zentrum wurde 1996 während der Amtszeit von Andrea Nahles als Juso-Vorsitzender ins Leben gerufen. Es dient als politische Begegnungsstätte zwischen Israelis und Palästinensern. Er unterstütze die Grundidee des Zentrums zwar weiterhin, so Lange, aber: «Als Deutscher kann, darf und möchte ich nicht ‚neutral‘ sein, wenn es um Antisemitismus geht, wenn es um die Existenz Israels oder um Menschenrechte geht.»

Wenn das Willy-Brandt-Zentrum seinen guten Ruf retten wolle, müsse es sich «ohne Wenn und Aber» vom Antisemitismus, Israelhass und BDS distanzieren, so Lange.

Wenn das Willy-Brandt-Zentrum seinen guten Ruf retten wolle, müsse es sich «ohne Wenn und Aber» vom Antisemitismus und Israelhass distanzieren. Dazu, so Lange, gehöre auch eine deutliche Absage an die BDS-Bewegung.

Auch den von den Jungsozialisten verwendeten Begriff der «doppelten Solidarität» kritisierte er. Trotz mehrfachem Lesen sei ihm nicht klar geworden, was damit gemeint sei. Doppelte Solidarität müsse ihre Grenzen dort haben, wo Israels Existenz verneint werde: «Hier geht es um Haltung».

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zwar sei der Austausch auch mit Staaten und Politikern, die die eigenen Werte nicht respektierten, notwendig. Das gehe aber nur, so der 56-Jährige an die «liebe Andrea», wenn man deutlich mache, wo die eigenen roten Linien seien. «Menschenrechtsverletzungen, Hass und Gewalt, Homophobie oder Frauenfeindlichkeit darf man nicht stillschweigend hinnehmen, sondern muss sie offensiv ansprechen und den Kampf dagegen gemeinsam als Grundlage des Willy-Brandt-Zentrums machen».

Die Annahme des Nahost-Antrags mit 96 Prozent der Stimmen hatte vor Kurzem scharfe Kritik ausgelöst. Der Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zeigte sich verärgert und forderte in eine Korrektur des Beschlusses. Es sei «ein Rätsel», wie die Jugendorganisation einer demokratischen Partei in Deutschland der palästinensischen Fatah-Jugend ein Vetorecht über die politische Beschlussfassung einräumen könne.

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025

Internet

Expertin: Islamisten ködern Jugendliche über Lifestyle

Durch weibliche Stimmen werden auch Mädchen von Islamistinnen verstärkt angesprochen. Worauf Eltern achten sollten

 19.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Riad/Istanbul

Scheinbar doch kein Treffen zwischen Witkoff und Hamas-Führer

Es geht um die Umsetzung der nächsten Schritte des Trump-Plans. Den zentralen Punkt der Entwaffnung der Hamas lehnt die Terrororganisation ab

 19.11.2025 Aktualisiert