Berlin

Schuster: Massendemos gegen AfD blieben ohne langfristige Wirkung

Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland Foto: picture alliance / HMB Media

Ein Jahr nach den Massendemonstrationen gegen Rechtsextremismus sieht der Zentralrat der Juden die Wirkung verpufft. Seine Bilanz falle ernüchternd aus, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der Deutschen Presse-Agentur.

»Ich bin tatsächlich ein wenig erschüttert, dass man an den Wahlumfragen der AfD in der Hinsicht nichts mehr ablesen kann. Pessimistisch müsste man meinen, dass die Menschen die AfD genau wegen ihrer radikalen Positionen wählen wollen.«

Anfang 2024 hatten nach einem Artikel des Medienhauses »Correctiv« über ein Treffen rechter und rechtsradikaler Kreise in Potsdam Hunderttausende in Deutschland gegen die AfD und gegen Forderungen nach einer sogenannten Remigration von Menschen mit ausländischen Wurzeln demonstriert.

AfD-Äußerungen lassen »Schlimmes erahnen«

Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Schuster hatte die Proteste begrüßt. Die AfD-Umfragewerte gingen damals leicht zurück. Derzeit erreicht die Partei in Umfragen 18 bis 21,5 Prozent Zustimmung.

Lesen Sie auch

Schuster warnte mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar: »Die AfD ist für mich keine Partei des demokratischen Spektrums. Für den Fall einer Regierungsbeteiligung der AfD mache ich mir ernsthaft Sorgen, inwieweit jüdisches Leben tatsächlich noch in Deutschland möglich wäre. Was wir von Funktionären der AfD hören, lässt sehr Schlimmes erahnen.«

So wolle die AfD eine grundsätzlich andere Erinnerungskultur, sagte der Zentralratspräsident. Und: »Die Partei hat nachweisbare Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken – sie ist ihr politischer Arm. Die AfD ist offen gegenüber völkischer Ideologie und bietet Antisemiten ein Umfeld.«

»Entwicklung in Österreich schockiert mich ehrlich«

Eine Partei, die Menschen nach Herkunft oder Aussehen unterscheide, »ist immer auch für jüdische Menschen eine Gefahr«. Er sorge sich seit Jahren, dass die AfD dabei sei, sich in Gänze zum Rechtsextremismus zu bewegen.

Den Erfolg der AfD schrieb Schuster Auftritten in sozialen Netzwerken zu, aber auch Themen, die vielen Menschen wichtig seien. Deshalb erwarte er etwa zur Migration »Antworten von den demokratischen Parteien auf der Basis dessen, was in der Demokratie möglich ist«, sagte Schuster.

Zugleich mahnte er die Parteien, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. »Die Entwicklung in Österreich schockiert mich ehrlich, weil offensichtlich die Parteien des demokratischen Spektrums nicht in der Lage sind, eine vernünftige Koalitionsvereinbarung herzustellen und eine Mehrheit gegen die FPÖ zu bilden. Das ist erschreckend.« dpa

Reaktionen

Massive Kritik an Urteil über Charlotte Knoblochs Ex-Leibwächter

Der Mann bewachte die Präsidentin der IKG München, obwohl er sich privat judenfeindlich und rassistisch äußerte. Für das Verwaltungsgericht nicht genug, um ihn aus dem Polizeidienst zu entlassen

 02.07.2025

Kommentar

Justiz: Im Zweifel für Antisemitismus?

Ein Verwaltungsgerichtsurteil lässt große Zweifel aufkommen, dass es alle mit der Bekämpfung von Antisemitismus unter Beamten ernst meinen

von Michael Thaidigsmann  02.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Nach Skandal-Konzert

Keine Bühne bieten: Bob-Vylan-Auftritt in Köln gestrichen

Die Punkband hatte beim Glastonbury-Festival israelischen Soldaten den Tod gewünscht

 02.07.2025

Statistik

Deutlich mehr antisemitische Vorfälle in Brandenburg

Der aktuelle Monitoringbericht der Fachstelle Antisemitismus für 2024 dokumentiere einen Anstieg um mehr als 28 Prozent auf insgesamt 484 Fälle

 02.07.2025

Pro & Contra

Sollte der Krieg in Gaza beendet werden?

Zwei Meinungen zur Debatte

von Dan Schueftan, Sabine Brandes  02.07.2025

Einspruch

Wir müssen wehrhaft sein

Die deutsche Politik braucht eine entschlossene Haltung gegen die terroristische Bedrohung aus Teheran. Die jüdischen Gemeinden machen es vor: Sie investieren in Sicherheit und mentale Standhaftigkeit

von Josef Schuster  02.07.2025

Berlin

»BILD«: Hinweis auf Ausspähung von deutschen Juden durch den Iran kam vom Mossad

Die Hintergründe

 01.07.2025

Bayern

Als Rassist und Antisemit im Polizeidienst? Möglich ist es …

Der Verwaltungsgerichtshof München hat geurteilt, dass Beamte sich im privaten Rahmen verfassungsfeindlich äußern dürfen, ohne deswegen mit Konsequenzen rechnen zu müssen

von Michael Thaidigsmann  01.07.2025