Sachsen / Polen

»Sächsische Separatisten« - Razzia gegen rechte Terrorgruppe

Polizisten bringen die bei der Razzia gegen mutmaßliche Rechtsextreme Festgenommenen zum Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof Foto: picture alliance/dpa

Bei einer Razzia gegen eine mutmaßliche militante Neonazi-Gruppe haben Einsatzkräfte in Sachsen und Polen acht Männer festgenommen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen, terroristischen Vereinigung vor. Unter den Festgenommenen ist nach dpa-Informationen auch ein Mitglied der AfD: ein Lokalpolitiker aus Sachsen, der auch Mitglied der Jungen Alternative Sachsen ist. 

Bis Dienstagabend wurden sechs der acht Männer in Untersuchungshaft genommen, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte. Wann die anderen beiden Tatverdächtigen dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden, war zunächst unklar. Einer von ihnen konnte laut Bundesanwaltschaft wegen einer Verletzung nicht nach Karlsruhe gebracht werden, der andere befinde sich noch in Polen, wo er festgenommen worden war.

Die Gruppe nenne sich »Sächsische Separatisten«, teilte Deutschlands oberste Anklagebehörde mit. Ihre Ideologie sei von rassistischen, antisemitischen und teils apokalyptischen Vorstellungen geprägt. Sie soll geplant haben, an einem unbestimmten »Tag X« mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern zu erobern, um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu etablieren. »Unerwünschte Menschengruppen sollen notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden«, so die Bundesanwaltschaft.

AfD distanziert sich von der Gruppe

Nach offiziell noch unbestätigten Angaben aus Sicherheitskreisen war der AfD-Lokalpolitiker am Morgen bei der Razzia mit einer Langwaffe vor die Polizeibeamten getreten. Ein Beamter habe daraufhin zwei Warnschüsse abgegeben, hieß es. Der Beschuldigte habe einen Bruch am Kiefer erlitten und werde operiert. Wie es zu der Verletzung kam und weitere Details zu dem Zwischenfall sollen Zeugenvernehmungen klären.

Der sächsische AfD-Landesverband wies jegliche Verbindung zu der betroffenen Gruppierung zurück. »Wir kennen nur die bisherigen Presseberichte zu diesem Vorgang. Unsere Partei steht fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Mit einer solchen mutmaßlich neonazistischen «Separatistengruppierung» verbindet uns weder inhaltlich noch organisatorisch irgendetwas«, sagte Parteisprecher Andreas Harlaß der Deutschen Presse-Agentur. 

Auch der AfD-Vorsitze Tino Chrupalla distanzierte sich ausdrücklich von der Gruppierung. Berichte, wonach unter den Festgenommenen ein AfD-Lokalpolitiker sei, seien »vollkommen schockierend«, betonte Chrupalla in Berlin. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, hätten solche Personen »weder in der JA noch in der AfD etwas zu suchen«.

Gruppe übte Häuserkampf und Patrouillengänge

Spätestens im November 2020 soll sich die Gruppe nach Angaben der Bundesanwaltschaft gegründet haben. Vier der am Dienstag festgenommenen deutschen Staatsbürger sollen zu den ursprünglichen Mitgliedern gehört haben, einer soll Rädelsführer gewesen sein. Die anderen haben sich nach Erkenntnissen der Karlsruher Anklagebehörde später angeschlossen. Der Älteste von ihnen ist nach dpa-Informationen 25 Jahre alt. 

Die Männer hätten wiederholt paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung absolviert. »Dabei wurden insbesondere der Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche sowie Patrouillengänge eingeübt«, heißt es in der Mitteilung. Zudem habe sich die Gruppierung militärische Ausrüstungsgegenstände wie Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten besorgt.

»Dass der Umgang mit Waffen trainiert und militärische Ausrüstung beschafft wurde, zeigt, wie gefährlich diese Rechtsextremisten sind«, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie verwies auf die frühzeitige Aufklärung der Gruppe durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Durchsuchungen in Sachsen, Polen und Österreich

Insgesamt waren bei den Festnahmen und Durchsuchungen in Deutschland über 450 Sicherheitskräfte und Polizeibeamte des Bundeskriminalamts (BKA), Spezialkräfte der Bundespolizei und des Landeskriminalamts Sachsen im Einsatz. Die Festnahmen der jungen Männer erfolgten bis auf eine Ausnahme alle in Sachsen, genauer gesagt im Raum Leipzig, in Dresden und im Landkreis Meißen. Die Durchsuchungen richteten sich nach Angaben der Bundesanwaltschaft auch gegen sieben weitere Beschuldigte, die noch auf freiem Fuß sind.

Der mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe hielt sich zum Zeitpunkt des Zugriffs zwar in Polen auf. Doch auch er stammt aus Sachsen. Der polnische Inlandsgeheimdienst ABW teilte mit, Beamte hätten ihn auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls in Zgorzelec festgenommen. In Österreich - in Wien und im Bezirk Krems-Land - durchsuchte die Polizei zwar zwei Objekte. Festgenommen wurde dort aber niemand.

»Es ist ein großer Erfolg, dass es dem Generalbundesanwalt und den Sicherheitsbehörden gelungen ist, diese ungeheuerlichen Pläne aufzudecken und die Verantwortlichen festzunehmen«, sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Gleichzeitig mahne dieser Ermittlungserfolg abermals: »Unser Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung werden von vielen Seiten bedroht.«

Interview

»Die Genozid-Rhetorik hat eine unglaubliche Sprengkraft«

Der Terrorismusforscher Peter Neumann über die Bedrohungslage für Juden nach dem Massaker von Sydney und die potenziellen Auswirkungen extremer Israel-Kritik

von Michael Thaidigsmann  16.12.2025

Wirtschaft

Hightech-Land Israel: Reiche sieht Potenzial für Kooperation

Deutschland hat eine starke Industrie, Israel viele junge Start-ups. Wie lassen sich beide Seiten noch besser zusammenbringen? Darum geht es bei der Reise der Bundeswirtschaftsministerin

 16.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

IS-Gruppen

Attentäter von Sydney sollen auf den Philippinen trainiert worden sein

Die Hintergründe

 16.12.2025

Hamburg

Mutmaßlicher Entführer: Mussten im Block-Hotel nichts zahlen

Der israelische Chef einer Sicherheitsfirma, der die Entführung der Block-Kinder organisiert haben soll, sagt im Gericht aus. Die Richterin will wissen: Wer zahlte für die Unterbringung im Luxushotel der Familie?

 16.12.2025

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Anschlag geplant? 21-Jähriger reiste legal ein

Mit einem Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem in Vorbereitungshaft genommenen Mann werden Details bekannt

 16.12.2025

Sydney

Jüdisches Ehepaar stirbt beim Versuch, einen der Angreifer zu stoppen

Boris und Sofia Gurman versuchten, das Massaker vom Bondi Beach zu verhindern, und bezahlten dafür mit ihrem Leben

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025