Hanau

»Rechtsextreme Blutspur« in Deutschland

Zentralratspräsident Josef Schuster bei der Mahnwache in Hanau am Donnerstagabend Foto: Rafael Herlich

Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft zeigten sich am Donnerstag erschüttert über den tödlichen Anschlag auf zwei Shisha-Bars im hessischen Hanau. Ersten Erkenntnissen der Ermittler zufolge hatte der Attentäter, ein 43-jähriger Deutscher aus Hanau, ein fremdenfeindliches Motiv.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland erklärte, er sei in Gedanken bei den Opfern. »Es ist davon auszugehen, dass der Täter bewusst Menschen mit Migrationshintergrund treffen wollte.«

Nach der Mordserie des NSU, dem tödlichen Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 und dem Attentat in Halle an Jom Kippur ziehe sich erneut eine »rechtsextreme Blutspur« durch Deutschland, so der Zentralratspräsident. Die Gefahr rechter Gewalttäter sei zu lange verharmlost worden. Er warf Polizei und Justiz vor, »auf dem rechten Auge eine Sehschwäche« zu haben.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Schuster weiter: »Es stellt sich die besorgniserregende Frage, wie sicher Minderheiten und Menschen, die sich für sie engagieren, noch in Deutschland leben können.« Politik, Strafverfolgungsbehörden, Justiz und Zivilgesellschaft stünden jetzt in der Verantwortung, gegen diese Gefahr anzugehen, forderte er.

BUNDESPRÄSIDENT Auch Frank-Walter Steinmeier hat sein Entsetzen über die »terroristische Gewalttat in Hanau« zum Ausdruck gebracht. Der Bundespräsident betonte: »Ich stehe an der Seite aller Menschen, die durch rassistischen Hass bedroht werden. Sie sind nicht allein. Ich bin überzeugt: Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland verurteilt diese Tat und jede Form von Rassismus, Hass und Gewalt.«

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Donnerstag in Berlin: »Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift. Und dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft. Und es ist Schuld an schon viel zu vielen Verbrechen. Von den Untaten des NSU über den Mord an Walter Lübcke bis zu den Morden von Halle.

Auch die israelische Botschaft reagierte: Wir trauern um die Opfer des schrecklichen Anschlags in Hanau. Wir verurteilen dieses abscheuliche, rassistische, xenophobische Hassverbrechen. Unsere Gedanken und unser tiefes Mitgefühl sind bei den Familien und Freunden der Ermordeten«, heißt es in einem Tweet.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

HASS Ebenso hat das Internationale Auschwitz Komitee sein Entsetzen über die Gewalttat ausgedrückt. Auschwitz-Überlebende in aller Welt würden in den mutmaßlichen Morden eine neue Demonstration der Macht rechtsextremen Hasses sehen, »der immer alltäglicher wird und überall auftreten kann«, sagte Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Komitees.

Für das American Jewish Committee in Berlin erklärte Remko Leemhuis: »Ein knappes Dreivierteljahr nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, nicht mal ein halbes Jahr nach dem antisemitischen Terroranschlag in Halle und nur wenige Tage,  nachdem die Sicherheitsbehörden eine rechtsextremistische Terrorzelle zerschlagen haben, sind erneut Menschen durch einen Rassisten ermordet worden.« Der Kampf gegen Rechtsextremismus müsse noch viel entschlossener geführt werden, so Leemhuis.

Auch der Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, hat eine entschlossene Bekämpfung rechten Terrors gefordert. »Politik und Gesellschaft, alle, die immer wieder die Vielfalt der Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet hervorheben, müssen sich endlich konsequent für den Schutz aller von Rassismus betroffenen Menschen einsetzen«, sagte er. »Warme Worte reichen nicht.« Bereits bei der Aufklärung der Morde des Terrornetzwerks NSU sei die Chance vertan worden, »konsequent die Netzwerke aufzudecken, auf die die Mörder sich stützen konnten«, sagte Mendel.

TERRORVERDACHT Generalbundesanwalt Peter Frank ermittelt in dem Mordfall wegen Terrorverdachts. »Er stuft das Verbrechen als Verdacht einer terroristischen Gewalttat ein«, erklärte Hessens Innenminister Peter Beuth am Donnerstag im Landtag in Wiesbaden.

Der Todesschütze sei ein 43-jähriger Deutscher aus Hanau. Er habe in zwei Shisha-Bars das Feuer eröffnet und anschließend seine Mutter und sich selbst getötet.

Die Ermittler gehen davon aus, dass der Attentäter fremdenfeindliche und rechtsextremistische Motive hatte. Die Polizei werte derzeit seine Homepage aus. Es gibt Medienberichten zufolge auch ein 24-seitiges Bekennerschreiben des Mannes im Internet. Nach vorläufigen Erkenntnissen handelte er alleine. Der Attentäter sei zuvor nicht im Visier der Ermittler gewesen und auch nicht polizeilich in Erscheinung getreten.

opfer Laut »Bild«-Zeitung begann der Attentäter gegen 22 Uhr, in der Shisha-Bar »Midnight« in der Hanauer Innenstadt auf Besucher zu schießen. Unter den tödlich getroffenen Opfern waren vier junge Männer und eine Frau. Einige von ihnen hatten laut »Bild« kurdische Wurzeln.

Anschließend ging der Mann zur »Arena Bar & Café« in der Nähe, wo er vier weitere Menschen ermordete. Nach der Tat wurden der 43-Jährige sowie seine 72-jährige Mutter von der Polizei zu Hause tot aufgefunden. Neben seiner Leiche lag auch die Tatwaffe.  dpa/ja

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Berlin

Verhandlung über Waffenlieferungen an Israel

Insgesamt sechs Kläger wollen vor dem Berliner Verwaltungsgericht in zwei Fällen feststellen lassen, dass der Export deutscher Rüstungsgüter an Israel rechtswidrig war. Eine Entscheidung wird noch für Mittwoch erwartet

 12.11.2025

Interview

»Erinnern, ohne zu relativieren«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer über das neue Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung, Kritik an seiner Vorgängerin Claudia Roth und die Zeit des Kolonialismus in der deutschen Erinnerungskultur

von Ayala Goldmann  12.11.2025

Erinnerungspolitik

Weimer: Gedenkstätten sind zentrale Pfeiler der Demokratie

Das Bundeskabinett hat ein neues Konzept für Orte der Erinnerung an die NS-Verbrechen und die SED-Diktatur beschlossen. Die Hintergründe

von Verena Schmitt-Roschmann  12.11.2025 Aktualisiert

Wien

Juden protestieren gegen FPÖ-Veranstaltung für Antisemiten im Parlament

Als »radikalen Antisemiten« hatte sich der Österreicher Franz Dinghofer einst selbst bezeichnet - auch der NSDAP trat er bei. Die rechtsextreme FPÖ gedenkt des Politikers nun - und wird dafür hart kritisiert

 11.11.2025

Projekte gegen Antisemitismus

Berliner Kultursenatorin räumt Defizite bei Fördermittel-Vergabe ein

In Berlin sollen Mittel für Projekte gegen Antisemitismus nach unklaren Kriterien und auf Druck und Wunsch aus der CDU-Fraktion vergeben worden sein. Kultursenatorin Wedl-Wilson will nun »aufräumen«

 11.11.2025

Initiative

Knesset stimmt über Gesetz zu Todesstrafe ab

Wer in Israel tötet, um dem Staat und »der Wiedergeburt des jüdischen Volkes« zu schaden, soll künftig die Todesstrafe erhalten können. Das sieht zumindest ein umstrittener Gesetzentwurf vor

 11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025