Berlin

»Ohne Menschen wie Sie wäre auch ich heute ein anderer«

Bundespräsident Steinmeier bei der Ehrung am Montag in Berlin mit der Schoa-Überlebenden Margot Friedländer Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Die 100-jährige Holocaust-Überlebende Margot Friedländer ist mit dem Walther-Rathenau-Preis 2022 geehrt worden. In seiner Laudatio dankte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Montag Friedländer für das »Geschenk der Versöhnung«. Als Zeitzeugin habe sie Erinnerung geschenkt, indem sie erzähle, und Zukunft, indem sie erinnere, so der Bundespräsident.

MAXIME »Unsere Demokratie braucht Menschen wie Sie«, würdigte Steinmeier die Preisträgerin. »Sie wissen, was geschehen kann, wenn sich zu wenige Bürgerinnen und Bürger zur Demokratie bekennen. Sie wissen, was Menschen einander antun können«.

Friedländer gebe dieses Wissen weiter. Ihre Maxime sei - so Steinmeier: »Wir müssen wissen, was geschehen ist, damit es nicht wieder geschieht«. Gerade die jungen Menschen lägen ihr am Herzen.

Der Bundespräsident mahnte das Engagement gegen Antisemitismus an und rief zum Eintreten für die Demokratie auf. Die liberale Demokratie brauche die Debatte, aber die Grenze sei überschritten, wo Hass und Hetze verbreitet werden oder gar Gewalt angewandt wird, so Steinmeier. Der Rechtsstaat müsse diejenigen schützen, die bedroht werden.

DIFFAMIERUNG »Aber der Staat, das ist nur die eine Seite«, sagte der Bundespräsident, »eine Demokratie braucht auch Bürgerinnen und Bürger, die für sie eintreten, die aufstehen und nicht gleichgültig wegschauen, wenn Menschen verhöhnt, diffamiert, bedroht werden«.

Steinmeier dankte Margot Friedländer nicht nur in seiner Funktion als Staatsoberhaupt. »Ich bin persönlich zutiefst dankbar für die Freundschaft, die Sie mir geschenkt haben«, sagte der Bundespräsident. »Ohne Menschen wie Sie wäre auch ich heute ein anderer.«

Margot Friedländer wurde 1921 in Berlin geboren. Während der NS-Zeit versteckte sie sich 15 Monate lang, bevor sie im April 1944 nach Theresienstadt deportiert wurde. 1945 wanderte sie in die USA aus. Seit 2010 lebt Friedländer wieder in Berlin und tritt als Zeitzeugin auf.

LEBENSWERK Mit dem Walter-Rathenau-Preis ehrt das gleichnamige Institut den Angaben zufolge ein »außenpolitisches Lebenswerk«. Vorherige Preisträger der Goldmedaille mit dem Porträt Rathenaus waren unter anderen der frühere polnische Ministerpräsident Donald Tusk und die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Walther Rathenau (1867-1922) war in der Weimarer Republik Reichsaußenminister. Der jüdische Politiker wurde im Juni 1922 von Rechtsradikalen ermordet. kna

Lesen Sie dazu mehr in unserer nächsten Printausgabe am Donnerstag .

Interview

»Diskrepanzen zwischen warmen Worten und konkreten Maßnahmen«

Nach dem Massaker von Sydney fragen sich nicht nur viele Juden: Wie kann es sein, dass es immer wieder zu Anschlägen kommt? Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, sieht Defizite

von Leticia Witte  22.12.2025

Washington D.C.

Kritik an fehlenden Epstein-Dateien: Minister erklärt sich

Am Freitag begann das US-Justizministerium mit der Veröffentlichung von Epstein-Akten. Keine 24 Stunden später fehlen plötzlich mehrere Dateien - angeblich aus einem bestimmten Grund

von Khang Mischke  22.12.2025

Australien

Behörden entfernen Blumenmeer für die Opfer von Bondi Beach

Die Regierung von New South Wales erklärt, man habe sich vor dem Abtransport der Blumen eng mit der jüdischen Gemeinde abgestimmt

 22.12.2025

Sydney

Attentäter warfen Sprengsätze auf Teilnehmer der Chanukka-Feier

Die mutmaßlichen Attentäter Naveed und Sajid Akram bereiteten sich auf das Massaker vor. Ihre Bomben explodierten nicht

 22.12.2025

New York

Tucker Carlson ist »Antisemit des Jahres«

Die Organisation StopAntisemitism erklärt, ausschlaggebend seien Beiträge, in denen er erklärten Judenhassern, Holocaustleugnern und extremistischen Ideologen eine große Bühne geboten habe

 22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Gaza

Das Problem mit der Entwaffnung

Die Hamas weigert sich strikt, die Waffen niederzulegen. Was Zustimmung in der palästinensischen Bevölkerung findet und den Friedensplan stocken lässt

 21.12.2025 Aktualisiert

Interview

»Die Zustände für Juden sind unhaltbar. Es braucht einen Aufstand der Anständigen«

Zentralratspräsident Josef Schuster über den islamistischen Anschlag von Sydney und das jüdische Leben in Deutschland nach dem 7. Oktober

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025