Koalitionsverhandlungen

Noch nicht geeint

Die Spitzen von Union und SPD nach den Sondierungen am 8. März 2025 Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Gut eine Woche haben die thematischen Arbeitsgruppen von CDU, CSU und SPD verhandelt. Jetzt sickerten einige der Papiere, die dort ausgearbeitet wurden, an die Presse durch.

In der Außenpolitik verständigten sich Verhandler auf eine Stärkung der Bundeswehr. Diese müsse ihre Aufgabe zur Landes- und Bündnisverteidigung »uneingeschränkt erfüllen« können, heißt es im Papier der Arbeitsgruppe 12 »Verteidigung, Außen, Entwicklung, Menschenrechte«, das der Jüdischen Allgemeinen vorliegt. Die umfassende Unterstützung der Ukraine soll ebenfalls Maxime deutscher Außenpolitik werden, damit das Land sich »gegen den russischen Aggressor effektiv verteidigen und in Verhandlungen behaupten kann.«

Gegen das Atomprogramm des iranischen Mullah-Regimes will Deutschland auch weiter im Konzert mit seinen Verbündeten vorgehen. »Wir unterstützen die internationalen Sanktionen gegen das iranische Regime und setzen uns weiterhin entschieden dafür ein, die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste zu setzen. Wir werden den Druck erhöhen, indem wir Sanktionslücken umfassend schließen, Menschenrechtsverteidiger und vor allem Frauen gezielt unterstützen«, heißt es in dem Papier.

Knackpunkt Waffenlieferungen

Auch Israel soll nach dem Willen der künftigen Koalitionäre von Deutschland unterstützt werden. Allerdings sind einige zentrale Aspekte noch strittig. Sie müssen nun von der Leitungsgruppe, der die Partei- und Fraktionschefs beider Seiten angehören, noch »geeint« werden, wie das im Verhandlungsjargon heißt. Diese Punkte sind farblich besonders markiert, wobei blau für die Position der CDU/CSU steht und rot für die der SPD.

Ein Knackpunkt bleibt die Frage, ob die 2012 ausgesetzte Wehrpflicht wiedereingeführt werden soll. Die Union befürwortet dies, während die SPD auf einen freiwilligen Wehrdienst setzt. Und auch in puncto Israel liegen beide Seiten noch nicht auf einer Wellenlänge. Zwar besteht Einigkeit bei der Verurteilung des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und bei der grundsätzlichen Unterstützung der Verteidigungsfähigkeit des jüdischen Staates und einem Friedensprozess für eine Zweistaatenlösung. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sollen weiterhin deutsche »Staatsräson« bleiben.

Doch beim Wie gibt es Meinungsverschiedenheiten. CDU und CSU formulieren ihre Haltung so: »Wir werden uns mit neuer Intensität für die Unterstützung Israels bei der Gewährleistung der eigenen Sicherheit einsetzen. Die Weltgemeinschaft darf eine nukleare Bewaffnung des Iran nicht zulassen. Wir treten der Finanzierung von Terrororganisationen entgegen und werden Israel in den internationalen Foren, wie den Vereinten Nationen, stärker unterstützen. Bei Rüstungsgütern, die Israel für seine eigene Sicherheit braucht, unterliegt Israel keiner Exportbeschränkung.«

Lesen Sie auch

Die bisherige Bundesregierung hatte bei den Rüstungsexporten gezögert und sich dafür Kritik eingehandelt. Die Aufhebung jedweder Exportbeschränkungen für Rüstungsgüterlieferungen an Israel wäre ein bedeutender Schritt. Denn bislang wird jeder einzelne Antrag auf Ausfuhr eingehend geprüft und vom Bundessicherheitsrat entschieden. Würde die Kriterien künftig gelockert, käme dies eine Gleichstellung Israels mit den NATO-Staaten nahe in puncto Waffenexporte.

Und auch die deutsche Förderung des Palästinenserhilfswerks UNRWA will die Union auf den Prüfstand stellen. »Ohne umfassende Reform wird Deutschland die UNRWA nicht weiter finanzieren«, steht in blauer Farbe im Papier der Arbeitsgruppe.

Position zu Nahostpolitik und Rüstungsexporten an Israel noch offen

Bei beiden Punkten haben die Sozialdemokraten offenbar noch Bauchschmerzen. Sie schlagen einen ganz anderen Text vor, in dem es heißt: »Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sind unverhandelbar und Teil der deutschen Staatsräson. Es bedarf dringend eines neuen Anlaufs für die Zweistaatenlösung. Die aktuelle Siedlungspolitik Israels widerspricht geltendem Völkerrecht. Pläne zur Annektierung von palästinensischen Gebieten lehnen wir ab. Die katastrophale humanitäre Lage im Gaza-Streifen muss sofort beendet werden.«

Ein Kompromiss, der beide Positionen vereint, scheint dennoch noch möglich. Insgesamt will die künftige Bundesregierung deutsche Interessen stärker auf internationaler Bühne vertreten, auch im Rahmen ihrer Rüstungsexportpolitik. So verständigten sich die Verhandler auf folgende Formulierung: »Wir richten unsere Rüstungsexporte stärker an unseren Interessen in der Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik aus. Wir wollen eine strategisch ausgerichtete Rüstungsexportpolitik, welche der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, ihren ausländischen Partnern sowie ihren Kunden Verlässlichkeit gibt.« Zu diesen Partnern dürfte auch Israel gehören.

Jerusalem

Merz: Deutschland wird immer an der Seite Israels stehen

Der Bundeskanzler bekräftigt bei seinem Israel-Besuch die enge Partnerschaft - und hofft auf konkrete Fortschritte bei Trumps Gaza-Plan

von Sara Lemel  06.12.2025

Diplomatie

»Dem Terror der Hamas endgültig die Grundlage entziehen«

Es ist eine seiner bisher wichtigsten Auslandsreisen, aber auch eine der schwierigsten. Kanzler Merz ist für zwei Tage im Nahen Osten unterwegs

 06.12.2025

Jerusalem

Merz trifft Netanjahu und besucht Holocaust-Gedenkstätte

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche von Kanzler Merz - aber auch einer der schwierigsten. In den Beziehungen zu Israel gab es in den letzten Monaten einige Turbulenzen

von Michael Fischer  06.12.2025

Akaba/Jerusalem

Merz zu Nahost-Reise aufgebrochen: Antrittsbesuch in Israel 

Das Renten-Drama ist überstanden, jetzt geht es für den Kanzler erstmal ins Ausland. Heute und morgen steht ein besonderer Antrittsbesuch auf seinem Programm

 06.12.2025

Wien

EBU: Boykott hat keine Folgen für Finanzierung des ESC 2026

Der Gesangswettbewerb steht unter Druck. Die Boykott-Welle hat laut der Europäischen Rundfunkunion aber keine Auswirkungen auf dessen Finanzierung. Es werden aktuell rund 35 Staaten erwartet

 05.12.2025

Offenbach

Synagoge beschmiert, Kinder durch Graffiti eingeschüchtert

Rabbiner Mendel Gurewitz: »Ich war der Meinung, dass wir hier in Offenbach mehr Toleranz zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Religionen haben als etwa in Frankfurt oder in anderen Städten.«

 05.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  05.12.2025

Washington D.C.

Trump plant Übergang in Phase II des Gaza-Abkommens

Der nächste große Schritt erfolgt dem Präsidenten zufolge schon bald. Ein »Friedensrat« soll noch vor Weihnachten präsentiert werden

 05.12.2025

Berlin

Linken-Chef empört über Merz-Reise zu Netanjahu

Jan van Aken regt sich darüber auf, dass er Bundeskanzler Ministerpräsident Netanjahu treffen wird

 05.12.2025