Marina Weisband

»Neue Formen des Erinnerns«

Marina Weisband Foto: imago images/Jürgen Heinrich

Frau Weisband, Sie werden am 27. Januar im Bundestag nach der Gedenkrede von IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch sprechen. Welche Akzente möchten Sie setzen?
Ich denke, es ist meine Aufgabe, über das Leben von jungen Juden, ihr Gedenken an die Schoa und ihre damit verbundene Aufgabe zu sprechen. Ich kann natürlich nicht alle in meiner Generation repräsentieren, aber vielleicht steht das, was ich zu sagen habe, trotzdem ein bisschen für die Jüngeren. Deswegen versuche ich, erst einmal bei mir zu bleiben. Für mich bedeutet es einerseits zu erinnern, zu gedenken, und andererseits, Geschichten zu erzählen als Teil dieser Schicksalsgemeinschaft.

Bringt die Erinnerung für Sie auch Bezüge zur Gegenwart mit sich?
Gedenken bedeutet für mich immer auch Engagement gegen Antisemitismus heute. Es bedeutet für mich, auch dafür zu sorgen, dass Minderheiten friedlich leben können und dass die Konsequenzen, die hoffentlich viele aus der Schoa gezogen haben, nicht in Vergessenheit geraten.

Wie steht es um das Gedenken an die Schoa in der Gesamtgesellschaft?
Wir bereiten uns jetzt auf einen Übergang vor, wenn die Zeitzeugen selbst nicht mehr sprechen können. Es geht darum, dass auch die Generation der Nachgeborenen in das Gedenken eingebunden wird.

Wie kann das Ihrer Ansicht nach am besten umgesetzt werden?
Wir werden eigene, neue Formen des Erinnerns finden müssen. Auf vielfache Weise können neue Technologien helfen, uns zu vergegenwärtigen, was damals geschehen ist. Sie helfen dabei, noch mehr und eindrücklicher zu verstehen, wie real die Geschichte ist.

Inwiefern?
Bisher denkt die deutsche Mehrheitsgesellschaft, wenn sie an Juden denkt, an Menschen in Schwarz-Weiß. Es ist wichtig, zu vermitteln: Wir sind nicht schwarz-weiß. Wir sind echt. Wir sind Menschen aus Fleisch und Blut.

Wird die Corona-Pandemie eine Rolle in Ihrer Rede spielen?
Diesen Aspekt habe ich nicht aufgenommen, weil die Pandemie nichts mit dem Thema zu tun hat. Ich musste bei dieser Rede auf viele Aspekte verzichten, wie etwa Hinweise auf Antisemiten, die jetzt gerade aktiv sind, weil das der Gedenktag ist. An diesem Tag gedenken wir aber der vielen Opfer. Ich halte es für unangemessen, davon in irgendeine Richtung abzulenken.

Welchen Stellenwert nimmt das Gedenken an die Schoa in Ihrer Familie ein?
In meiner Familie nimmt das Gedenken keinen großen Raum ein. Es wird vielfach vom Schweigen überschattet. Etwas, worauf ich in meiner Rede eingehe, ist das Trauma, das über Generationen vererbt wird. Gerade dieses sehr reale Trauma ist das stärkste Argument gegen jede Schlussstrichdebatte.

Mit der Publizistin sprach Eugen El.

Parteien

Justiz prüft Äußerungen nach Neugründung von AfD-Jugend 

Nach einer Rede beim AfD-Jugendtreffen prüft die Staatsanwaltschaft Gießen mögliche Straftatbestände

von 
janet Ben Hassin  10.12.2025

Debatte

Merz, Trump und die Kritik an der Migration

Deutschlands Bundeskanzler reagiert auf die Vorwürfe des US-Präsidenten

von Jörg Blank  10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Initiative

Bayerns Landtag will Yad-Vashem-Bildungszentrum in Freistaat holen

Die Idee hatte die Ampel-Koalition von Olaf Scholz: Eine Außenstelle der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland. Der Bayerische Landtag hat sich nun für einen Standort im Freistaat ausgesprochen

von Barbara Just  10.12.2025

Paris/Brüssel

EU-Gaza-Hilfe: Französischer Politiker hat »große Bedenken«

Benjamin Haddad, Frankreichs Staatssekretär für Europafragen, hat die Europäische Kommission aufgefordert, ihre Zahlungen an NGOs, die im Gazastreifen operieren, besser zu überwachen

 10.12.2025

Aufarbeitung

Französische Entnazifizierungs-Dokumente erstmals online abrufbar

Neue Hinweise zu Leni Riefenstahl und Martin Heidegger in der NS-Zeit: Künftig können Forscher online auf französische Akten zugreifen. Experten erwarten neue Erkenntnisse

von Volker Hasenauer  10.12.2025

Deutschland

Wegen Antisemitismus und AfD: Schauspiellegende Armin Mueller-Stahl (95) denkt ans auswandern

Armin Mueller-Stahl spricht offen über seine Gelassenheit gegenüber dem Tod – und warum aktuelle Entwicklungen ihn dazu bringen, übers Auswandern nachzudenken

 10.12.2025

Justiz

Mutmaßlicher Entführer: Chef eines israelischen Sicherheitsunternehmens packt aus

Die Hintergründe

 10.12.2025

Fußball

Sorge vor Maccabi-Spiel in Stuttgart

Tausende Polizisten, Metalldetektoren beim Einlass, Sorge vor Gewalt: Warum der Besuch von Maccabi Tel Aviv in der Europa League beim VfB aufgrund der politischen Lage kein sportlicher Alltag ist.

 10.12.2025