Nahost

Nach dem Scheitern

John Kerrys diplomatische Mission ist gescheitert. Foto: Flash 90

Am Dienstag ist die neunmonatige Frist für die Friedensgespräche im Nahen Osten ergebnislos zu Ende gegangen. Schlagzeilen hat das jedoch weder in Israel noch in den USA bewirkt. Auch die Beteiligten scheinen unbeeindruckt vom vorläufigen Scheitern der Gespräche – es wird offiziell noch immer von einem »Aussetzen« gesprochen – und gehen zur Tagesordnung über.

sanktionen Was Israel betrifft, so hat es am Dienstag damit begonnen, die angekündigten Sanktionen gegen die Palästinenser in die Realität umzusetzen. Sie waren vergangene Woche vom israelischen Sicherheitskabinett beschlossen worden, nachdem die islamistische Hamas im Gazastreifen und die gemäßigte Fatah unter Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nach einem Treffen überraschend eine gemeinsame Übergangsregierung angekündigt hatten – plus baldige Neuwahlen.

Konkret hält Israel unter anderem Steuer- und Zolleinnahmen zurück, die der jüdische Staat für die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) einzieht. Das Geld diene dem Schuldenabbau der Palästinenser, vor allem für die Lieferung von Strom und Wasser, heißt es aus Jerusalem.

UN-Anerkennung
Aufseiten der Palästinenser verfolgt Abbas indessen weiter seinen eingeschlagenen Weg, einen eigenen Staat mithilfe internationaler Anerkennung voranzutreiben. So hat der Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) am Sonntagabend einen Plan angenommen, der die Bitte um Aufnahme der Palästinenser in insgesamt 60 UN-Organisationen und Verträge vorsieht.

Der PLO-Zentralrat bestätige die »Notwendigkeit«, dass die Palästinenserführung ihre Bemühungen in diese Richtung fortsetze, hieß es etwas umständlich in der Abschlusserklärung.

Schließlich geben die Palästinenser darin Israel die Schuld am Scheitern der Gespräche und wehren sich gegen die »Drohungen und Erpressungen Israels«, die angesichts der angekündigten Versöhnung der beiden Palästinensergruppen ausgesprochen worden seien.

Diese Versöhnung löste zwar Verblüffung aus, aber die meisten Beobachter geben aus den Erfahrungen der Vergangenheit dem Plan einer Einheitsregierung von Technokraten keine Chance. Doch es gibt auch Experten, die die politische Wiedervereinigung dieses Mal anders einordnen: Da wäre zum einen der schwindende Einfluss der Hamas, die seit dem Sturz der Muslimbrüder in Ägypten stark geschwächt und zunehmend isoliert ist.

ägypten Auch in Kairo gilt die Hamas nun als Terrororganisation. Daher werden die Tunnel geschlossen, die jahrelang dem Schmuggel von Waffen und anderem in den Gazastreifen gedient hatten. Ganz zu schweigen davon, dass die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen die Nase voll hat von Arbeitslosigkeit, Unterdrückung und schlechten Lebensbedingungen.

Zum anderen ist es auch um das Ansehen von Mahmud Abbas im Westjordanland schlecht bestellt. Und dabei sind die erneut gescheiterten Friedensverhandlungen nur ein Aspekt: Die wenigsten hatten an ein Gelingen geglaubt. Zudem spielen die täglichen Probleme im Alltag, die Korruption der Regierung, ihre Schikanen sowie der Wunsch nach einer nationalen Einheit eine weitaus größere Rolle.

Wie sehr ein Friedensabkommen von der nationalen Einheit abhängt, mag Abbas nun erkannt haben. Denn alle Verträge sind nichts wert, wenn 60 Kilometer weiter ein Teil des gleichen Volkes sitzt, dessen Regierung diese boykottiert. Gleichwohl weiß Abbas auch, dass gemeinsame Wahlen – nach derzeitigem Stand sind sie in einem halben Jahr geplant – seinen politischen Tod bedeuten könnten, wenn die Hamas im Westjordanland die Macht erringt. Viele fragen sich, ob Abbas dieses Risiko wirklich eingehen wird.

Für Israel brächten freie, demokratische Wahlen bei den Palästinensern mehr Klarheit bei der Frage seiner künftigen Sicherheit, vermuten vor allem ausländische Beobachter. Doch in Israel stößt die Versöhnung auf pure Ablehnung. Niemand glaubt, dass die Hamas dem Terror abschwört. Abbas solle den Pakt mit der Hamas in Stücke reißen, empfahl Israels Premier Netanjahu, setzte die Friedensgespräche aus und gab die Schuld den Palästinensern.

apartheid Auf weitaus mehr Aufmerksamkeit in den israelischen Medien stießen im Übrigen die Bemerkungen von US-Außenminister John Kerry, die von dem Online-Magazin »Daily Beast« zitiert worden waren. Demzufolge hatte Kerry Israel davor gewarnt, ein Apartheidstaat wie das frühere Südafrika zu werden. Eine Zweistaatenlösung sei das einzig Machbare.

Angesichts der scharfen Kritik auch aus den Reihen des amerikanischen Kongresses ruderte Kerry einen Tag später zurück: »Weder glaube ich, noch habe ich jemals öffentlich oder privat gesagt, dass Israel ein Apartheidstaat ist oder beabsichtigt, einer zu werden. Jeder, der irgendetwas über mich weiß, wird das ohne Zweifel bestätigen.«

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Gaza

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025