Bayern

Mord für die Statistik

Foto: dpa

Die Meldung löste in der jüdischen Gemeinde in Bayern mehr als nur Unwohlsein aus: 33 Prozent mehr antisemitisch motivierte Straftaten als im Vorjahr, 176 Delikte, darunter ein Mord. So teilte es Markus Rinderspacher, Fraktionschef der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, der Presse mit. »Antisemitismus ist in Bayern ein Thema, das ist unerträglich«, schrieb er.

straftaten Die Daten entstammen einer Antwort, die er vom Innenministerium bekommen hatte. Dort sind, wie auf der Website der SPD-Fraktion dokumentiert wurde, 176 Straftaten aufgelistet: Volksverhetzung, Bedrohung, Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung – und eben auch ein Mord.

Doch genau diesen Mord hat es nicht gegeben. Recherchen ergaben, dass es bei dem Kriminalfall, der gemeint ist, nicht einmal Verletzte gab. Ein Mann war bei einem SEK-Einsatz in Nürnberg mit einer Lanze auf die Polizisten losgegangen, konnte aber überwältigt werden. In der Vernehmung begründete er sein gewaltsames Vorgehen damit, er habe geglaubt, von Juden überfallen zu werden.

In der Polizeidatenbank, in der bei laufenden Ermittlungsverfahren kein Unterschied zwischen vollendetem Verbrechen und Versuch gemacht wird, wurde daraus ein vollendeter Mord. So wurde es der SPD-Fraktion weitergeleitet. »Diese Angaben des Innenministeriums haben wir 1:1 übernommen«, beschreibt Florian Ritter, der Rechtsexperte der SPD-Fraktion, den Weg der Meldung auf die SPD-Website.

ministerium An der Tatsache, dass in der Straftaten- Auflistung, die das Innenministerium wei-tergeleitet hat, ein antisemitisch motivierter Mord auftaucht, den es nicht gab, kommt auch Ministeriumssprecher Oliver Platzer nicht vorbei. Trotzdem will er den Schwarzen Peter der SPD zuschieben: Dort sei man zu sorglos mit den übermittelten Daten umgegangen und habe zu schnelle Rückschlüsse gezogen.

Allein der Hinweis auf den Paragrafen 211 (Mord) liefere keine vollständigen Aufschlüsse. Das wisse jeder, der Umgang mit solchen Statistiken habe. »Wenn von der Polizei zunächst wegen Mordes ermittelt wird und es datenmäßig so erfasst wurde«, erklärt Platzer, »heißt es ja noch nicht, dass es am Ende auch ein Mord war.«

Nun ist die SPD empört. »Die SPD hat vom Innenministerium eine Auflistung der Straftaten bekommen, in der ein Mord und ein Totschlag aufgeführt werden. Welche Rückschlüsse sollen wir da sonst ziehen, als den, dass es sie auch gegeben hat«, sagt der SPD-Abgeordnete Horst Arnold.

Inzwischen hat das Ministerium Informationen nachgereicht. Da heißt es, dass es allenfalls ein Mordversuch war. Die Ermittlungen laufen noch.

Bulletin

Terrorangriff in Sydney: 20 Verletzte weiter im Krankenhaus

Fünf Patienten befinden sich nach Angaben der Gesundheitsbehörden in kritischem Zustand

 17.12.2025

Bondi Beach

Sydney-Attentäter wegen 15-fachen Mordes angeklagt

15-facher Mord, Terrorismus, Sprengstoffeinsatz - dem überlebenden Sydney-Attentäter werden 59 Tatbestände zur Last gelegt

 17.12.2025

Meinung

Die Empörung über Antisemitismus muss lauter werden

Der Anschlag von Sydney war in einem weltweiten Klima des Juden- und Israelhasses erwartbar. Nun ist es an der Zeit, endlich Haltung zu zeigen

von Claire Schaub-Moore  17.12.2025

Washington D.C.

Trump ruft zu Vorgehen gegen islamistischen Terror auf

Bei einer Chanukka-Feier im Weißen Haus spricht der Präsident den Hinterbliebenen der Opfer vom Anschlag in Sydney sei Beileid aus

 17.12.2025

Washington D.C.

USA verhängen Einreisestopp für Inhaber palästinensischer Dokumente

Zur Begründung heißt es, in den palästinensischen Gebieten seien mehrere von den USA als Terrororganisationen eingestufte Gruppen aktiv, die auch US-Bürger getötet hätten

 17.12.2025

Interview

»Die Genozid-Rhetorik hat eine unglaubliche Sprengkraft«

Der Terrorismusforscher Peter Neumann über die Bedrohungslage für Juden nach dem Massaker von Sydney und die potenziellen Auswirkungen extremer Israel-Kritik

von Michael Thaidigsmann  16.12.2025

Wirtschaft

Hightech-Land Israel: Reiche sieht Potenzial für Kooperation

Deutschland hat eine starke Industrie, Israel viele junge Start-ups. Wie lassen sich beide Seiten noch besser zusammenbringen? Darum geht es bei der Reise der Bundeswirtschaftsministerin

 16.12.2025

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

IS-Gruppen

Attentäter von Sydney sollen auf den Philippinen trainiert worden sein

Die Hintergründe

 16.12.2025