Uwe Becker

Mehr Sensibilität, bitte!

Uwe Becker, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Antisemitismusbeauftragter in Hessen Foto: picture alliance/dpa

Ob es sich um das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin handelt oder wie jetzt um die Gedenkstätte zur Erinnerung an die deportierten und ermordeten Frankfurter Jüdinnen und Juden an der ehemaligen Großmarkthalle, dem heutigen Sitz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main – immer wieder werden diese wie auch andere besondere Orte der Erinnerung an die Schoa und ihre Opfer in ihrer Würde beschädigt.

Spaßig gemeinte Selfies an den Stelen in Berlin oder Salsa-Tänze an den vorgelagerten Höllenorten der Vernichtung menschlichen Lebens, der brutalen Ermordung jüdischer Frankfurterinnen und Frankfurter, zeigen den Grad der Unachtsamkeit, Unwissenheit oder aber auch der gezielten Provokation, dem es aktiv entgegenzutreten gilt.

Ein gedankenloser Umgang mit diesen Gedenkorten zeigt auch die moralische Verarmung unserer Gesellschaft auf.

Nein, am Ort der letzten Schritte vieler Frankfurterinnen und Frankfurter dürfen keine Tanzschritte erfolgen, und am Gedenkort für sechs Millionen grausamer Schicksale von Kindern, Frauen und Männern sind Turnübungen moralisch tabu, auch ohne durch staatliche Verbote auf den gesunden Menschenverstand hinzuweisen. Es gehört sich nicht und ist zutiefst respekt- und pietätlos.

ZIVILGESELLSCHAFT Wo bewusst antisemitische Beweggründe die Schändung dieser Orte im Blick haben, muss der Staat mit all seinen auch rechtlichen Möglichkeiten eingreifen, davor liegt es aber an der Zivilgesellschaft, sich des eigenen Fehlverhaltens bewusster zu werden.

Ein gedankenloser Umgang mit diesen Gedenkorten zeigt auch die moralische Verarmung unserer Gesellschaft auf und macht deutlich, dass Erinnerung und Mahnung noch stärker über die räumliche Begrenztheit dieser Orte hinausgehen müssen, damit sie überhaupt ihrer Bedeutung nach wirken können.

Mit der Ausgestaltung von Erinnerungsorten macht man nur jenes greifbarer, das bis heute so unbegreiflich bleibt und über das genau deshalb gerade auch in seiner Bedeutung für unser Heute und die Zukunft unserer Gesellschaft in Zeiten des wachsenden Antisemitismus noch deutlicher gesprochen werden muss. Und dieses Wort muss lauter werden als jeder Salsa-Klang.

Der Autor ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Parteien

Justiz prüft Äußerungen nach Neugründung von AfD-Jugend 

Nach einer Rede beim AfD-Jugendtreffen prüft die Staatsanwaltschaft Gießen mögliche Straftatbestände

von 
janet Ben Hassin  10.12.2025

Debatte

Merz, Trump und die Kritik an der Migration

Deutschlands Bundeskanzler reagiert auf die Vorwürfe des US-Präsidenten

von Jörg Blank  10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Initiative

Bayerns Landtag will Yad-Vashem-Bildungszentrum in Freistaat holen

Die Idee hatte die Ampel-Koalition von Olaf Scholz: Eine Außenstelle der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Deutschland. Der Bayerische Landtag hat sich nun für einen Standort im Freistaat ausgesprochen

von Barbara Just  10.12.2025

Paris/Brüssel

EU-Gaza-Hilfe: Französischer Politiker hat »große Bedenken«

Benjamin Haddad, Frankreichs Staatssekretär für Europafragen, hat die Europäische Kommission aufgefordert, ihre Zahlungen an NGOs, die im Gazastreifen operieren, besser zu überwachen

 10.12.2025

Aufarbeitung

Französische Entnazifizierungs-Dokumente erstmals online abrufbar

Neue Hinweise zu Leni Riefenstahl und Martin Heidegger in der NS-Zeit: Künftig können Forscher online auf französische Akten zugreifen. Experten erwarten neue Erkenntnisse

von Volker Hasenauer  10.12.2025

Deutschland

Wegen Antisemitismus und AfD: Schauspiellegende Armin Mueller-Stahl (95) denkt ans auswandern

Armin Mueller-Stahl spricht offen über seine Gelassenheit gegenüber dem Tod – und warum aktuelle Entwicklungen ihn dazu bringen, übers Auswandern nachzudenken

 10.12.2025

Justiz

Mutmaßlicher Entführer: Chef eines israelischen Sicherheitsunternehmens packt aus

Die Hintergründe

 10.12.2025

Fußball

Sorge vor Maccabi-Spiel in Stuttgart

Tausende Polizisten, Metalldetektoren beim Einlass, Sorge vor Gewalt: Warum der Besuch von Maccabi Tel Aviv in der Europa League beim VfB aufgrund der politischen Lage kein sportlicher Alltag ist.

 10.12.2025