Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees

Marian Turski ist gestorben

Marian Turski (98) hielt noch Ende Januar eine Rede am Holocaust-Gedenktag in Auschwitz Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Marian Turski, ist tot. Der Schoa-Überlebende starb am Nachmittag im Alter von 98 Jahren in Warschau, wie das Komitee mitteilte. Turski war 2021 zum Präsidenten der Organisation gewählt worden.

»Auschwitz-Überlebende in vielen Ländern verabschieden sich mit großem Schmerz und unendlicher Dankbarkeit von ihrem Freund, Bruder und Leidensgefährten Marian Turski, der in aller Welt als wirkmächtiger Vertreter ihrer Erinnerungen und als Stimme ihrer ermordeten Angehörigen gehört wurde«, teilte der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, mit. 

Heubner: Zunehmende Sorge bei Turski

Bis in seine letzten Lebenstage hinein habe Turski als Journalist und Zeitzeuge die politischen Entwicklungen mit zunehmender Sorge verfolgt. Er sei bestürzt gewesen angesichts des europaweiten Aufflammens antisemitischer und rechtsextremer Ideologien und der rhetorischen Gewalt, mit der die Repräsentantinnen und Repräsentanten dieser Ideologien besonders junge Menschen zu radikalisieren versuchten, hieß es von Heubner weiter.

»Umso mehr bleibt uns als eine seiner letzten Botschaften, der letzte Satz, den er in seiner Rede anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz für die Gedenkfeier am 23. Januar in Berlin formulierte: «Unsere Tage, die der Überlebenden, sind gezählt: Aber wir werden nicht verstummen, wenn Sie, Sie alle nicht schweigen.»«

Im von Nazi-Deutschland besetzten Polen war Turski mit seiner Familie seit 1942 im Ghetto von Lodz inhaftiert, bevor er 1944 in das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde. Nach seiner Befreiung arbeitete Turski in Warschau als Journalist. Er war Mitbegründer des Museums der Geschichte der polnischen Juden in Warschau.

Roth lobt Kämpfergeist und Mut Turskis 

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte, Turski sei ein »Mensch von unfassbarer Güte, Mut und Kämpfergeist.« Bei den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz habe er es sich trotz schwerer Krankheit nicht nehmen lassen, eine bewegende Rede zu halten. Turski werde nicht nur als unermüdlicher Mahner gegen das Vergessen, gegen den Hass und die Unmenschlichkeit und als beharrsamer Vertreter von Schao-Überlebenden weltweit, sondern auch als Mensch fehlen. 

Lesen Sie auch

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte auf der Plattform X, Turski habe es das »elfte Gebot« genannt, nicht gleichgültig zu sein. »Nicht gleichgültig zu sein, das ist eine Staatsaufgabe – und eine Bürgeraufgabe, die wir weitertragen. Es ist unsere Verpflichtung«, meinte Scholz. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf X: »Sein Vermächtnis ist nun unser aller Auftrag, seine Botschaft für die Erinnerung an die Shoah & Versöhnung in Europa weiterzutragen.«

Das Internationale Auschwitz Komitee ist ein Zusammenschluss von Auschwitz-Überlebenden und ihren Organisationen aus 19 Ländern. Sein Sitz ist Berlin. Der Name Auschwitz hat sich als Synonym für den Holocaust und Inbegriff des Bösen weltweit ins Bewusstsein eingebrannt. Allein dort brachten die Nationalsozialisten mehr als eine Million Menschen um, zumeist Juden. In ganz Europa ermordeten sie während der Schoa etwa sechs Millionen Juden. dpa/ja

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Tobias Kühn

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert