Interview

»Make Hummus nor War«

Dieter Kosslick Foto: Berlinale

Interview

»Make Hummus nor War«

Dieter Kosslick über Claude Lanzmann, den israelischen Film und die 63. Berlinale

von Rüdiger Suchsland  05.02.2013 08:17 Uhr

Herr Kosslick, Claude Lanzmann wird auf der heute beginnenden 63. Berlinale für sein Lebenswerk geehrt – warum?
Claude Lanzmann ist nicht nur einer der größten Dokumentaristen unseres Jahrhunderts – unbestritten hat er mit »Shoah« das wichtigste Werk der Erinnerungskultur geschaffen. Er ist auch eine der herausragenden Persönlichkeiten des politisch-geistigen Lebens unserer Zeit. Sein politisches Engagement umfasst nicht nur die Auseinandersetzung mit der Schoa und dem Antisemitismus.

Erinnern Sie sich, wie Sie selbst »Shoah« erlebt haben?
Ich war atemlos und sprachlos. Die nüchterne Schonungslosigkeit, mit der uns dieser Film die Täter zeigt und die Opfer nahebringt, ist eine völlig neuartige Konfrontation mit dem Grauen und den Gräueln der Nazis gewesen.

Der israelische Film erlebt gerade einen Boom, gewinnt viele Preise. Auch die Berlinale hat wesentlich zu diesem Boom beigetragen. Welche israelischen Filme sind im diesjährigen Programm zu sehen?
Mit zwei starken Spielfilmen und mehreren Dokumentar-Koproduktionen wird differenziert auf das Thema der palästinensisch-israelischen Situation eingegangen. Aber auch das große europäische Thema der Abstiegsangst der Mittelschicht sowie die »Normalität« der bewaffneten Jugend und ihre traumatisierenden Folgen werden eindringlich reflektiert. Einen eher humorvollen Beitrag liefert Trevor Graham mit »Make Hummus Not War«. Im Stil von Monty Python beschäftigt sich dieser in Arabisch, Englisch und Hebräisch gedrehte Film mit den ethnischen Differenzen der beliebten Kichererbse. Kleines Thema, großer Hintergrund. Leider haben wir in diesem Jahr keinen israelischen Beitrag für das Wettbewerbs-Programm gefunden.

Gibt es noch andere – jüdische wie nichtjüdische – Filme auf der Berlinale, die Sie besonders empfehlen?
Im Panorama-Programm läuft ein sehr extremer Film mit dem Namen »The Act of Killing«. Der Regisseur Joshua Oppenheimer und die Ko-Regisseurin Christine Cynn geben ihren Protagonisten in Indonesien die Möglichkeit zur Vergangenheitsbewältigung. So wie auch Deutschland lange Jahre gebraucht hat, um sich mit der Nazizeit auseinanderzusetzen, beginnen Länder, deren Diktaturen bis in die 70er herrschten, sich nach und nach der dunklen Vergangenheit zu stellen. Im Film können zwei Mörder ihre Gräueltaten inszenieren – man taucht dabei in die tiefsten menschlichen Abgründe und begleitet die beiden Männer in Richtung einer späten Reflexion ihrer Taten. Leider ist durch den Nationalsozialismus ein großes Stück deutscher Filmkultur verloren gegangen. In der Retrospektive kann man Filme emigrierter Filmemacher erneut auf der Kinoleinwand sehen. Mit bekannten aber auch weniger bekannten Filmen darf man noch einmal den »Weimar Touch« erleben, der nach 1933 bis in die 50er-Jahre international seine Wirkung hatte.

Mit dem Direktor der Internationalen Filmfestspiele Berlin sprach Rüdiger Suchsland.

München

Alte Synagoge feiert Wiedereröffnung

Nach jahrelanger Restauration soll die Bauhaus-Synagoge wieder im Glanz von 1931 erstrahlen

 15.09.2025

Madrid

Israelfeindliche Demonstranten blockieren Vuelta á España erneut

60 Kilometer vor dem Ziel steht eine Gruppe von Protestierern mit einem Banner auf der Straße. Das Rennen musste abgebrochen werden

 15.09.2025

Musik

Nach Antisemitismus-Eklat: Bundeskanzler Merz äußert sich zur Ausladung von Lahav Shani

Die Hintergründe

 14.09.2025

Essay

Ausweg Palästina

Große Teile der Linken sind mit der Komplexität der Gegenwart überfordert. Orientierung suchen sie ausgerechnet im Hass auf den jüdischen Staat. Mit progressiver Politik hat das wenig zu tun

von Jessica Ramczik, Monty Ott  13.09.2025

Sachsenhausen

120 Minuten Holocaust

Angesichts des grassierenden Antisemitismus sollen Schüler zum Besuch einer NS-Gedenkstätte verpflichtet werden. Doch was kann eine Führung vor Ort tatsächlich bewirken?

von Mascha Malburg  13.09.2025

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Kommentar

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025