Bayern

Knobloch: »Sprachlos und entsetzt«

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München Foto: picture alliance/dpa

Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hat sich mit deutlichen Worten zum antisemitischen Flugblatt geäußert, das offenbar vom Bruder des bayerischen Vize-Regierungschefs Hubert Aiwanger (Freie Wähler) verfasst wurde. In einer Erklärung, die der Bayerische Rundfunk (BR) veröffentlichte, zeigte sie sich »sprachlos und entsetzt über das Pamphlet«.

Der Tonfall erinnere sie »im Tonfall an die übelsten Hetzschriften der NS-Zeit«. Der Staatsminister habe sich zu den Vorwürfen zwar inzwischen erklärt. »Aber schon der Verdacht, dass ein Spitzenpolitiker mit diesem Text verbunden sein könnte, ist brandgefährlich«, so Knobloch. »Die Debatte der letzten Tage hat viel Vertrauen zerstört, das jetzt mühsam wiederhergestellt werden muss.«

Gesellschaftlicher Konsens Der Vorfall zeige, wie existenziell wichtig es sei, »dass unsere Kultur von Demokratie und Gedenken die Jugend erreicht.« Die jüdische Gemeinschaft erlebe seit langem, wie gefährlich es sein könne, wenn sich junge Menschen sich vom gesellschaftlichen Konsens abwendeten. Die aktuelle Episode müsse deshalb auch ein Weckruf sein, eine demokratische Bildung in Kenntnis der Geschichte zu fördern, erklärte Charlotte Knobloch.

Zuvor hatte auch Bayerns Landtags-Vizepräsident Karl Freller (CSU) Stellung bezogen. Er sagte, die Erklärungen von Hubert Aiwanger zu dem Flugblatt aus Schulzeiten reichten nicht aus, um das Thema aufzuklären. »Dieses Pamphlet ist so unsäglich und widerwärtig, dass man nicht mehr von einem dummen Jungenstreich sprechen kann«, sagte er am Montag im Deutschlandfunk.

Er wolle zwar jetzt nicht den Stab über Aiwanger brechen, es seien jedoch viele Fragen offen. Das Bekenntnis von Aiwangers Bruder, er habe das Flugblatt verfasst, werfe aber auch noch viele Fragen auf.

Der ältere Bruder habe erklärt, er wollte sich fürs Durchfallen an der Schule rächen. Wenn man sich dafür an der Schule und an Lehrkräften rächen wolle, »dann verhöhne ich doch nicht die Opfer von Auschwitz oder Dachau«. Die Erklärung des Bruders reiche nicht aus.

Verteilen und Verfassen Das Flugblatt sei sehr bewusst antisemitisch formuliert worden. Die Urheberschaft müsse geklärt werden, bevor es weitere Maßnahmen gibt, betonte Freller. Er gab aber auch zu bedenken: »Auch Verteilen ist nahe am Verfassen.«

Der CSU-Politiker Freller ist zugleich Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, die für die KZ-Gedenkstätten Flossenbürg und Dachau verantwortlich ist.

In den kommenden Tagen müssten noch viele Punkte präzise geklärt werden, sagte Freller. »Es sind zu viele Fragen offen, als dass man das so stehen lassen könnte.«

Mitten im Wahlkampf vor der Landtagswahl hatte Freie-Wähler-Chef Aiwanger am Samstag schriftlich zurückgewiesen, als Minderjähriger zu Schulzeiten in den 1980er Jahren das Flugblatt verfasst zu haben, über das die »Süddeutsche Zeitung« berichtet hatte. Wenig später räumte Aiwangers Bruder ein, Autor des Pamphlets zu sein.

Verhöhnung der Opfer Auf dem Flugblatt, über das die Süddeutsche Zeitung zuerst berichtet hatte, hieß es unter anderem, ein Wettbewerb unter dem Titel »Wer ist der größte Vaterlandsverräter?« finde statt. Als Preis werde ein »Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz« ausgelobt. Diese Verhöhnung der Millionen Opfer Nazi-Deutschlands schockierte auch Josef Schuster, den Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, der sich bereits am Sonntag geäußert hatte.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, äußerten sich am Wochenende ebenfalls zum Fall Aiwanger. ja/dpa

Josef Schuster

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