Finanzministerium

Keine »Schuldbremse«

»Wir werden auch weiterhin Verantwortung übernehmen«: Staatssekretärin Luise Hölscher Foto: Marco Limberg

Finanzministerium

Keine »Schuldbremse«

Luise Hölscher über Berichte, dass bei Zahlungen an Holocaust-Überlebende gespart werden sollte

von Detlef David Kauschke, Joshua Schultheis  27.11.2022 10:49 Uhr

Frau Staatssekretärin, Sie haben in einem Leserbrief an »Die Zeit« einen Bericht über die Verhandlungen der Bundesregierung mit der Jewish Claims Conference kritisiert. Warum?
Die Darstellung in dem Artikel spiegelt nicht den Verlauf der Gespräche wider. Viele Anrufe und Zuschriften, die ich nach der Veröffentlichung des Artikels erhalten habe, drückten mehrheitlich Empörung darüber aus, dass über vertrauliche Gespräche, und dann auch nicht den Tatsachen entsprechend, berichtet wurde. In diesem Sinne hat sich auch die Jewish Claims Conference geäußert.

In der »Zeit« ist zu lesen, die Verhandlungen seien ein »Routinevorgang«. Sie widersprechen?
Als diejenige, die die Verhandlungen in diesem Jahr zum ersten Mal führen durfte, kann ich sagen, dass in den Gesprächen nichts von Routine zu spüren war. Im Gegenteil: Ich habe sowohl die Vorbereitung der Gespräche als auch die eigentlichen Verhandlungen als außergewöhnlich erlebt. Die Gespräche, die im Rahmen des Luxemburger Abkommens geführt werden, sind etwas sehr Besonderes, denn hier wird über die Schicksale von Menschen gesprochen.

Sie kritisieren auch, dass der Text stark auf den Minister personalisiert ist, der die Verhandlungen gar nicht geführt hat?
Ja. Denn wie auch schon in der Vergangenheit wurden die Verhandlungen auf Staatssekretärsebene geführt, nicht durch den Bundesfinanzminister.

Die vereinbarte Zahlung von 1,2 Milliarden Euro soll die höchste Zahlung in der Geschichte der Bundesrepublik sein. Wie erklären Sie sich dann, dass sich US-Außenminister Blinken veranlasst sah, auf »ein Mindestmaß an Anerkennung und Würde« zu drängen?
Es ist durchaus üblich, dass ausländische Regierungen die Positionen der Claims Conference im Vorfeld der jährlichen Verhandlungen durch Begleitschreiben unterstützen. Das war in diesem Jahr – wie auch in allen vorhergehenden – der Fall. Auch das genannte Schreiben stammt aus einer Vorfeldkommunikation, die nicht unüblich ist: Es datiert auf den 16. Mai 2022, während die Verhandlungen am 19. Mai stattfanden. Im Ergebnis wurden in diesem Jahr die Leistungen für jeden Empfänger erhöht. Die Einigung in Höhe von zunächst rund 1,2 Milliarden Euro lag auf dem Niveau der vergangenen beiden Jahre. Sie liegt erheblich über den Verhandlungsergebnissen der Vor-Corona-Jahre. Danach und darüber hinaus traf der Minister im Juni die Entscheidung, die auf Staatssekretärsebene abgeschlossenen Verhandlungen um eine nochmalige pandemiebedingte Einmalzahlung in Höhe von rund 180 Millionen Euro zu ergänzen.

Worin bestehen dann die Meinungsverschiedenheiten?
Seit einigen Jahren ist es ein Anliegen der Claims Conference, monatliche Rentenzahlungen auch für Menschen zu vereinbaren, die nicht zu dem Personenkreis zählen, auf den sich das Luxemburger Abkommen selbst bezieht. Auch unter früheren Bundesregierungen war dieser Punkt allerdings offengeblieben. Alle anderen Punkte haben wir verhandelt und sind zu einem Ergebnis gekommen. Für die erwähnte Gruppe der Geschädigten wurde nun eine weitere Einmalzahlung vereinbart. Dieser Punkt war aber nicht Bestandteil der Verhandlungen im Mai, sondern geht auf eine Entscheidung des Ministers zurück, der das Ergebnis noch einmal in seiner Gesamtheit betrachtet hatte.

Wie wollen Sie denn in Zukunft den Bedürfnissen der unterschiedlichen Gruppen Rechnung tragen?
Die Prüfung der Ansprüche wird gemeinschaftlich vorgenommen. Ich bin mir sicher, dass wir auch in Zukunft Lösungen finden werden, die allen Betroffenen gerecht werden.

Haben Sie in den Verhandlungen auf die Schuldenbremse verwiesen?
Eine Argumentation, Leistungen könnten aufgrund der Schuldenbremse nicht gewährt werden, gab es zu keinem Zeitpunkt.

Es wird also keine »Schuldbremse« geben?
Natürlich nicht! Und vielleicht ist zum Verhandlungsergebnis dieses Jahres noch bemerkenswert, dass wir nicht nur über Zahlungen an Holocaust-Überlebende gesprochen haben, sondern auch über Holocaust-Education, also über das Erinnern und die Bildung. Dafür werden weitere 100 Millionen Euro in diesem und den nächsten Jahren ausgegeben. Wir werden auch weiterhin Verantwortung übernehmen.

Mit der Staatssekretärin im Bundes­finanzministerium sprachen Detlef David Kauschke und Joshua Schultheis.

Ferdinand von Schirach

»Sie werden von mir kein Wort gegen Israel hören«

Der Jurist und Schriftsteller war zu Gast bei Markus Lanz - es war eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Sendung

von Michael Thaidigsmann  04.09.2025

Berlin

Zerstörtes Israel-Banner bei Adenauer-Stiftung ersetzt

Das mehrere Meter lange Banner mit der Israel-Flagge war in der Nacht zu Sonntag an der Fassade des Akademiegebäudes der Stiftung in Berlin-Tiergarten von Unbekannten in Brand gesetzt worden

 04.09.2025

Treffen

Vatikan dringt auf Befreiung aller Geiseln und Zwei-Staaten-Lösung

Papst Leo XIV. hat den israelischen Präsidenten Isaac Herzog empfangen. Das Staatsoberhaupt lobte »die Inspiration und Führungsstärke des Papstes im Kampf gegen Hass und Gewalt«

von Almut Siefert  04.09.2025

Chemnitz

Kunstfestival: Beauftragter hält einige Werke für judenfeindlich

Thomas Feist warf einigen Beteiligten »die Übernahme von «Fakten‹ vor, die nichts als Übernahme von Hamas-Propaganda sind«

 04.09.2025

Erinnerung

Herrmann enthüllt in Tel Aviv Gedenktafel für Olympia-Attentatsopfer

Mit der Tafel setze man ein sichtbares Zeichen gegen Hass, Antisemitismus und Terrorismus

 04.09.2025

Meinung

Vuelta-Radrennen: Israelhasser ohne Sportsgeist

Bei der spanischen Radtour ist der israelische Rennstall Ziel von Störaktionen. Nun forderte der Rennleiter das Team auf, nicht mehr anzutreten. Wenigen Fanatiker gelingt es, Israel vom Sport auszuschließen - wie so oft in der Geschichte

von Martin Krauss  04.09.2025

Vatikan

Papst Leo XIV. empfängt Israels Präsidenten Herzog

Die Sommerpause des Papstes ist vorbei: Am Donnerstag empfing Leo XIV. Israels Präsidenten Herzog im Vatikan. Zuvor kam es zu Unklarheiten bezüglich der Vorgeschichte des Treffens

von Severina Bartonitschek  04.09.2025

Spanien

Israel-Premier Tech: Direktor berichtet von Morddrohungen

Bei der Vuelta a España sorgen israelfeindliche Proteste für einen Eklat. Der Sportdirektor eines israelischen Teams spricht über Ängste. Eines kommt für ihn aber nicht infrage

 04.09.2025

Mar del Plata

Argentinisches Paar gibt Raubkunst-Gemälde zurück

Der Finanzexperte der Nazis brachte das einem jüdischen Galeristen gestohlene Bild einst nach Argentinien. Seine Tochter gibt es nun zurück. Aufgeflogen war sie durch eine Immobilienanzeige

 04.09.2025