Terrorismus

Josef Schuster: »Das Ausmaß dieses Netzwerkes ist erschütternd«

Bei den groß angelegten Razzien durchsuchten 3000 Sicherheitskräfte die Häuser und Büros von mehr als 50 Verdächtigen. Foto: picture alliance / AA

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sieht angesichts der Terrorvorwürfe gegen sogenannte Reichsbürger eine reale Gefahr von rechts. »Die heutige Razzia zeigt, dass die ›Reichsbürger‹ kein harmloser Zusammenschluss von Wirrköpfen sind, sondern auch rechtsextreme Terrorgruppen beinhalten«, erklärte Schuster am Mittwoch in Berlin. »Das Ausmaß dieses Netzwerkes ist erschütternd. Die Gedanken dieser Leute mögen wirr sein, die Gefahr von rechts ist aber real.« Sein Dank gelte den Polizeibeamten.

Auch das Internationale Auschwitz Komitee dringt auf ein hartes Vorgehen gegen sogenannte Reichsbürger. Die Behörden und die Polizei seien aufgefordert, »alle ‚Reichsbürgerinnen‘ und ‚Reichsbürger‘ konsequent zu entwaffnen, bevor es in unserem Land zu einer Katastrophe kommt«, erklärte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner am Mittwoch in Berlin.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Am Mittwochmorgen hatten Ermittler eine terroristische Vereinigung mit Verbindungen zur «Reichsbürger»-Szene zerschlagen, die seit mindestens einem Jahr einen politischen Umsturz in Deutschland geplant haben soll.

afd Heubner sagte, die Bewaffnung der Gruppe sei «mehr als besorgniserregend, ebenso wie ihre augenscheinlichen Verbindungen in Bereiche des Militärs und der Polizei». Deutlich werde auch ein Zusammenspiel mit «parlamentarischen Steigbügelhaltern aus der AfD».

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sagte der Düsseldorfer «Rheinischen Post», der Einsatz vom Morgen zeige, «dass unser demokratischer Rechtsstaat aufmerksam und handlungsfähig ist». Jetzt gelte es, die weiteren Ermittlungen abzuwarten.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) twitterte: «Demokratie ist wehrhaft.» Der Generalbundesanwalt ermittele gegen ein mutmaßliches Terror-Netzwerk aus dem «Reichsbürger»-Milieu: «Es besteht der Verdacht, dass ein bewaffneter Überfall auf Verfassungsorgane geplant war.»

extremismusforscher Auch nach Einschätzung der Amadeu Antonio Stiftung sei die Reichsbürgerszene in Deutschland zu lange unterschätzt worden. Es habe in den vergangenen Jahren immer wieder deutliche Zeichen dafür gegeben, dass die Anhänger gewaltbereit seien und offenbar auch organisiert, sagte Extremismusforscher Lorenz Blumenthaler. «Aber gerade in Sicherheitskreisen wurden die Gruppierungen oft verlacht und ihr enormes Gefahrenpotenzial trotz intensiver Warnungen der Zivilgesellschaft auf die leichte Schulter genommen», kritisierte der Berliner, der sich für die Stiftung, die Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus entgegentritt, unter anderem mit Verschwörungsideologien und dem Milieu der sogenannten Reichsbürger auseinandersetzt.

«Das Thema wurde zunächst auch in Deutschland zu sehr auf die leichte Schulter genommen», sagte Blumenthaler der Deutschen Presse-Agentur. Die Reichsbürgerszene und ihr enormes Radikalisierungspotenzial zu unterschätzen sei ein Fehler, der sich rächen könne, warnte er zudem. Diesen Fehler hätten die deutschen Behörden nach den Schüssen eines sogenannten Reichsbürgers aus dem mittelfränkischen Georgensgmünd auf Polizisten vor sechs Jahren eingesehen und versucht, die Szene zu erfassen. Das sei zuletzt vor allem unter Führung der Ampel-Koalition besser gelungen.

«Spätestens seit den vereitelten Entführungsplänen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach im April steht das Thema auch in der Politik weit oben auf der Agenda», sagte Blumenthaler. «Da lacht heute eigentlich keiner mehr.»

präventionsarbeit Aus seiner Sicht lässt sich die Reichsbürgerszene aber nicht von heute auf morgen erfolgreich bekämpfen. «Es wurde in den vielen Jahren viel verpasst», sagte der Experte. «Da stellt sich die Frage, ob sich innerhalb kurzer Zeit das Rad der Zeit allein durch Razzien zurückdrehen lässt. Da braucht es vielmehr einen ganzheitlichen Ansatz aus Bildung, Präventionsarbeit und eben auch konsequenter strafrechtlicher Verfolgung.»

Nach der Großrazzia in der «Reichsbürger»-Szene sind inzwischen alle in Deutschland festgenommenen Verdächtigen in Untersuchungshaft. Wann die beiden in Österreich und Italien gefassten Männer den Ermittlungsrichtern vorgeführt werden, vermochte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Donnerstag nicht zu sagen. Die Durchsuchungen würden fortgesetzt.

Die Behörde hatte am Mittwoch 25 Menschen festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei weitere Festgenommene gelten den Angaben zufolge als Unterstützer. In elf Bundesländern wurden mehr als 130 Häuser, Wohnungen und Büros durchsucht.

Details etwa zu sichergestellten Waffen nannte die Sprecherin nicht. Sie machte auch keine Angaben dazu, ob sich aus den Vernehmungen und Ermittlungen Hinweise auf weitere Beschuldigte ergeben haben. epd/dpa

Jerusalem

Merz: Deutschland wird immer an der Seite Israels stehen

Der Bundeskanzler bekräftigt bei seinem Israel-Besuch die enge Partnerschaft - und hofft auf konkrete Fortschritte bei Trumps Gaza-Plan

von Sara Lemel  06.12.2025

Diplomatie

»Dem Terror der Hamas endgültig die Grundlage entziehen«

Es ist eine seiner bisher wichtigsten Auslandsreisen, aber auch eine der schwierigsten. Kanzler Merz ist für zwei Tage im Nahen Osten unterwegs

 06.12.2025

Jerusalem

Merz trifft Netanjahu und besucht Holocaust-Gedenkstätte

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche von Kanzler Merz - aber auch einer der schwierigsten. In den Beziehungen zu Israel gab es in den letzten Monaten einige Turbulenzen

von Michael Fischer  06.12.2025

Akaba/Jerusalem

Merz zu Nahost-Reise aufgebrochen: Antrittsbesuch in Israel 

Das Renten-Drama ist überstanden, jetzt geht es für den Kanzler erstmal ins Ausland. Heute und morgen steht ein besonderer Antrittsbesuch auf seinem Programm

 06.12.2025

Wien

EBU: Boykott hat keine Folgen für Finanzierung des ESC 2026

Der Gesangswettbewerb steht unter Druck. Die Boykott-Welle hat laut der Europäischen Rundfunkunion aber keine Auswirkungen auf dessen Finanzierung. Es werden aktuell rund 35 Staaten erwartet

 05.12.2025

Offenbach

Synagoge beschmiert, Kinder durch Graffiti eingeschüchtert

Rabbiner Mendel Gurewitz: »Ich war der Meinung, dass wir hier in Offenbach mehr Toleranz zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Religionen haben als etwa in Frankfurt oder in anderen Städten.«

 05.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  05.12.2025

Washington D.C.

Trump plant Übergang in Phase II des Gaza-Abkommens

Der nächste große Schritt erfolgt dem Präsidenten zufolge schon bald. Ein »Friedensrat« soll noch vor Weihnachten präsentiert werden

 05.12.2025

Berlin

Linken-Chef empört über Merz-Reise zu Netanjahu

Jan van Aken regt sich darüber auf, dass er Bundeskanzler Ministerpräsident Netanjahu treffen wird

 05.12.2025