Verfassungsschutzbericht

Zentralrat der Juden ist alarmiert

»Den Alarmzustand, den Minister Seehofer benannt hat, empfinden Jüdinnen und Juden bereits seit längerem«: Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: Marco Limberg

Verfassungsschutzbericht

Zentralrat der Juden ist alarmiert

Josef Schuster: »Es ist erschreckend, dass die Bedrohung des jüdischen Lebens in Deutschland weiter gewachsen ist«

 15.06.2021 11:53 Uhr

Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist alarmiert über die Ergebnisse des Verfassungsschutzberichtes, der am heutigen Dienstag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. »Der neue Verfassungsschutzbericht zeigt in erschreckendem Maße, dass die Bedrohung des jüdischen Lebens in Deutschland weiter gewachsen ist. Den Alarmzustand, den Minister Seehofer benannt hat, empfinden Jüdinnen und Juden bereits seit längerem«, betonte Zentralratspräsident Josef Schuster.

RECHTSEXTREMISMUS »Die Strafverfolgungsbehörden und die Justiz sind besonders gefordert«, erklärte Schuster weiter, »gegen Antisemitismus und Extremismus vorzugehen«. Ebenso gelte es nun, die Neue Rechte und die Rechtspopulisten weiterhin im Blick zu behalten. »Die zentrale Bedrohung für unsere Demokratie geht vom Rechtsextremismus aus. Dennoch müssen alle Formen des Extremismus einschließlich des Islamismus beobachtet werden.«

Die bereits jetzt gereizte Stimmung im beginnenden Bundestagswahlkampf, die auch von einigen Medien, vor allem aber von der AfD angeheizt werde, besorge die jüdische Gemeinschaft zusätzlich, stellte der Zentralratspräsident klar. »Die demokratischen Parteien und die Medien tragen dafür Verantwortung, dass Respekt und Anstand im Wahlkampf nicht verloren gehen, sondern eine politische Kultur gewahrt wird, die diesen Namen verdient.«

Der Hintergrund von Josef Schusters Stellungnahme am Dienstagmorgen: Die Zahl der Menschen mit rechtsextremistischen Einstellungen ist in Deutschland im vergangenen Jahr erneut angestiegen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht für 2020 hervor, den Bundesinnenminister Horst Seehofer am Dienstag in Berlin gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, vorgestellt hat.

»DICKES PROBLEM« Die größte Bedrohung für die Sicherheit seien nach wie vor Rechtsextremismus und Antisemitismus, betonte Seehofer. Es gebe nicht nur eine besondere Gesundheitslage, sondern auch eine besondere Sicherheitslage, »die ein dickes Problem ist« Danach wuchs das Personenpotenzial im rechtsextremistischen Spektrum um 3,8 Prozent auf 33.300 Menschen an. Knapp 40 Prozent von ihnen schätzt der Verfassungsschutz als »gewalttätig, gewaltbereit, gewaltunterstützend oder gewaltbefürwortend ein«.

Rechtsextremisten und Treffpunkte der rechten Szene waren in den vergangenen Monaten nach Angaben aus Sicherheitskreisen auch mehrfach Ziel von Angriffen. In Erfurt waren ein mutmaßlicher Angehöriger der gewaltbereiten rechtsextremen Hooligan-Szene und seine schwangere Freundin im Mai nachts in ihrer Wohnung überfallen und von als Polizisten verkleideten Eindringlingen misshandelt worden.

Zu den Rechtsextremisten, die der Verfassungsschutz auf dem Schirm hat, zählen auch rund 1000 sogenannte Reichsbürger. Das sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Oft stehen sie deshalb im Konflikt mit Behörden. Nicht alle Menschen, die von den Sicherheitsbehörden zu den »Reichsbürgern und Selbstverwaltern« gezählt werden, rechnet der Verfassungsschutz dem Rechtsextremismus zu.

QUERDENKER Die Corona-Pandemie habe dabei sogar zur Verstärkung der Gefahr beigetragen, sagte er. Zahlreiche rechtsextreme Großveranstaltungen seien im vergangenen Jahr abgesagt worden. Dafür hätten sich Rechtsextreme bemüht, über die Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen Anschluss an das bürgerliche Spektrum zu finden.

Sie hätten dem Protest ihren Stempel aufdrücken können, »obwohl sie von der Personenzahl deutlich in der Minderheit waren«, sagte Seehofer und äußerte sich besorgt über die mangelnde Abgrenzung der Mehrheit der Demonstranten gegen mitlaufende Extremisten.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte im April bekannt gegeben, dass es Personen der »Querdenken«-Bewegung, die häufig Anmelderin von Protesten gegen die Corona-Maßnahmen war, beobachtet. Die Behörde richtete dafür eigens die Kategorie »Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates« ein. Begründet wurde der Schritt wegen der Beteiligung einschlägiger Extremisten bei der Bewegung sowie Verbindungen in die Szene der »Reichsbürger«. ja/epd

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025