Berlin

Haltung zeigen

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Zentralratspräsident Josef Schuster beim Gelöbnis am Dienstagabend in Berlin Foto: Rolf Walter

Über den Bendlerblock in Berlin erschallen ungewöhnliche Befehle. So heißt es für die 101 Rekrutinnen und Rekruten unter anderem »Maske ab!«, nachdem sie auf dem Paradeplatz ihre Positionen eingenommen haben.

Denn die Auflagen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt, gelten gleichfalls für alle Teilnehmer des Gelöbnisses. So können sie in diesem Jahr nur vor ihren Vorgesetzten und Kameraden bei laufenden Fernsehkameras öffentlich geloben, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Anders als sonst üblich müssen deshalb auch Familie und Freunde diesem Ereignis fernbleiben.

Geschichte Sehr präsent dagegen ist die Geschichte des historischen Areals. »Wir feiern das Gelöbnis heute an einem besonderen Tag, dem 20 Juli«, betont Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.

»Heute vor 77 Jahren fand hier, an dem Ort, an dem wir heute stehen, ein verzweifelter Versuch statt, Deutschland von der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus zu befreien«, so die CDU-Politikerin. Bekanntermaßen scheiterte dieser Versuch. »Die Befreiung vom Nationalsozialismus gelang den Deutschen nicht aus eigener Kraft. Andere haben uns befreit.« Dennoch könnten Graf von Stauffenberg sowie seine Mitverschwörer einen Triumph verzeichnen, wie es Kramp-Karrenbauer auf den Punkt bringt. Denn ihre Tat sollte bis heute Sinn stiften. »Der 20. Juli und der Widerstand gegen Hitler gehören zur DNA der Bundeswehr.«

Aber auch ganz Aktuelles bestimmte das Gelöbnis. »Unsere ersten Gedanken und Worte gelten heute aber denen, die in den letzten Tagen auf so furchtbare Art und Weise Opfer der Flutkatastrophe in Deutschland geworden sind – in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz, in Bayern und in Sachsen«, erklärt die Verteidigungsministerin und spricht voller Stolz über die Rolle der Bundeswehr bei den Aufräumarbeiten und der Rettung von Menschenleben.

»Respekt bedeutet nicht, die Widerstandskämpfer als Helden zu verehren.«

Zentralratspräsident Josef Schuster

Vor diesem Hintergrund verweist Kramp-Karrenbauer ebenso auf die Tatsache, dass dieser Tage das Rathaus von Tel Aviv in den Farben Schwarz-Rot-Gold erstrahlte. »Was für ein starkes Zeichen der Solidarität mit den Flutopfern! Und im Angesicht unserer Geschichte ein kleines Wunder!«

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Widerstand Vergangenheit und Gegenwart standen ebenfalls im Mittelpunkt der Rede von Zentralratspräsident Josef Schuster, der dieses Jahr als Ehrengast eingeladen war. »In diesem letzten Kriegsjahr hätten noch unendlich viele Menschenleben gerettet werden können, wenn das Attentat vom 20. Juli geglückt wäre«, sagte Schuster. Deshalb müsse man mit tiefem Respekt auf die Frauen und Männer vom 20. Juli blicken, weil sie es gewagt hatten, sich gegen das verbrecherische Regime zu erheben. »Bewusst sage ich, dass wir mit Respekt auf die Widerstandskämpfer schauen«, so Schuster weiter.

»Respekt bedeutet nicht, sie als Helden zu verehren oder auf einen Sockel zu stellen. Das hielte ich für falsch.« Schließlich hatten manche von ihnen Hitler zuerst unterstützt. Auch waren sie nicht unbedingt alle Demokraten, einige sogar erklärte Antisemiten. »Man sollte jedoch alles in den Blick nehmen, um diesen Menschen gerecht zu werden.«

Es ist das zweite Mal in der Geschichte der Bundeswehr, dass ein Präsident des Zentralrats der Juden als Ehrengast bei einem Gelöbnis eine Rede hält. Bereits 2001 sprach Paul Spiegel bei einer solchen Zeremonie.

»Es war eine besondere Geste der Versöhnung«, wie Schuster hervorhebt. »Der Anblick deutscher Uniformen war in der Nachkriegszeit für die Schoa-Überlebenden unerträglich, der Dienst in der Bundeswehr für die meisten Juden undenkbar.« Doch weil sich über die Jahrzehnte vieles gewandelt hatte, wagte Paul Spiegel damals diesen Schritt.

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»20 Jahre später sind wir auf diesem Weg weitergegangen und haben vor wenigen Wochen ebenfalls einen historischen Schritt vollzogen.« Gemeint ist die Amtseinführung von Zsolt Balla als erstem Militärbundesrabbiner. »Jüdische Seelsorge in der Bundeswehr – das war selbst 2001 noch weit weg.«

Demokratie Zugleich plädierte Schuster für mehr Wachsamkeit und Zivilcourage. »Die Bundeswehr kann für sich in Anspruch nehmen, die Armee einer Demokratie zu sein. Eine demokratische Armee ist sie aber erst, wenn ihre Soldatinnen und Soldaten diese Haltung zeigen: einzustehen für die demokratischen Werte, den Mund aufzumachen gegen Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und andere Formen der Menschenfeindschaft.« Zudem verwies der Präsident des Zentralrats auf ein aktuelles Phänomen, und zwar die Instrumentalisierung der Gegner des Nationalsozialismus durch die sogenannte Querdenken-Bewegung.

»Es ist infam und abstoßend, dass sich Bürger unseres Landes, die alle Vorzüge des demokratischen Rechtsstaats genießen, erdreisten, den Widerstand gegen die Nationalsozialisten so zu instrumentalisieren. Sie treten das Erbe der Widerstandskämpfer mit Füßen!« Es liege in der Verantwortung aller Bürger, selbstverständlich auch als Soldatinnen und Soldaten, sich diesen Anmaßungen entgegenzustellen.

Josef Schuster

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