Meinung

Griechisches Leid anerkennen

Am 8. Juli 1942 forderten die deutschen Besatzungstruppen in Griechenland durch eine Zeitungsanzeige alle erwachsenen jüdischen Männer von Thessaloniki, die zwischen 18 und 45 Jahre alt waren, auf, sich drei Tage später auf dem Platia Eleftheria zu versammeln.

Nach unbeschreiblichen Demütigungen wurden sie zur Arbeit in Rüstungsbetrieben gezwungen. Mehr als 9000 Menschen, mindestens ein männliches Mitglied jeder jüdischen Familie Thessalonikis, wurden rekrutiert. Etwa zwölf Stunden täglich mussten sie unter der brennenden Sonne an verschiedenen Orten Straßen- und Bahntrassen und vieles mehr bauen. Wegen der miserablen hygienischen Bedingungen und dramatischer Unterernährung erkrankten viele: Malaria, Typhus und Fleckfieber machten die Runde; in den ersten Monaten betrug die Mortalitätsrate zwölf Prozent.

zwangsarbeit
Damit nicht auch noch die kranken Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft zur Zwangsarbeit eingezogen wurden, hatte die Gemeinde 150.000 französische Gold-francs gezahlt. Um den sicheren Tod der übrigen Gemeindemitglieder zu verhindern, einigte sie sich mit dem Wehrmachtsbefehlshaber Saloniki-Ägäis, Max Merten, auf einen Freikauf: Vereinbart wurde die Summe von 2,5 Milliarden Drachmen, gezahlt wurden von November 1942 bis Januar 1943 fast zwei Milliarden Drachmen. Die deutschen Besatzungstruppen ließen daraufhin die Mitglieder der jüdischen Gemeinde frei – um sie kurz darauf in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu deportieren.

Die Vereinbarung basierte also auf einem Betrug: Die deutschen Besatzungsbehörden wussten genau, dass die Menschen, die sie scheinbar freiließen, in den Tod geschickt werden sollten. Daher war dieses Lösegeld nichts anderes als die Bereicherung des deutschen Staates auf Kosten der jüdischen Gemeinde von Thessaloniki. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte haben wir deshalb Klage eingereicht.

Bundespräsident Joachim Gauck weilt derzeit zu einem Besuch in Griechenland. Auch wenn wir nicht vorhaben, ihn dort auf dieses Thema anzusprechen, so ist es uns doch wichtig, dass die historische Wahrheit endlich anerkannt wird. Und gerne möchten wir unser berechtigtes Anliegen bald in Berlin dem Bundespräsidenten vortragen.

Der Autor ist Präsident der Jüdischen Gemeinschaft von Thessaloniki.

Arlington (Virginia)

USA genehmigen Milliardenauftrag: Neue F-15-Kampfjets für Israel

Der Vertrag umfasst die Entwicklung, Integration, Erprobung, Produktion und Lieferung von zunächst 25 neuen Maschinen

 30.12.2025

Terror

Warum?

Die nichtjüdische Deutsche Carolin Bohl wurde am 7. Oktober 2023 von der Hamas brutal ermordet. Hier nimmt ihre Mutter Abschied von der geliebten Tochter

von Sonja Bohl-Dencker  30.12.2025

Einspruch

Solidarität mit Somaliland

Sabine Brandes findet Israels Anerkennung der Demokratie am Horn von Afrika nicht nur verblüffend, sondern erfrischend

von Sabine Brandes  30.12.2025

Meinung

Für mich ist es Nowy God – und warum ich ihn feiere

Das Neujahrsfest hat mit dem Judentum eigentlich nichts zu tun. Trotzdem habe ich warme Erinnerungen an diesen säkularen Feiertag

von Jan Feldmann  30.12.2025

London

Vorwurf gegen Facebook: Beiträge feiern Mord an Juden und bleiben online

»Die Beiträge, die den Anschlag von Bondi feiern, sind schlicht widerwärtig«, sagt Dave Rich von der jüdischen Organisation CST in England

 30.12.2025

Berlin

Tagung »Digitale Horizonte«: Wie sich Erinnerungskultur im digitalen Zeitalter wandelt

Wie verändert die Digitalisierung das kollektive Erinnern? Welche Chancen eröffnen neue Technologien – und wo liegen ihre Grenzen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Konferenz

 30.12.2025

Deutschland

Shahak Shapira »superverbittert« über Antisemitismus

Shahak Shapira spricht offen über seinen Frust angesichts von Antisemitismus in Deutschland – und wie er mit politischer Comedy darauf reagiert

 29.12.2025

Analyse

Warum die Anerkennung Somalilands so viel Aufsehen erregt

Das kleine Land am Horn von Afrika hat plötzlich eine große geopolitische Bedeutung. Dafür gibt es gute Gründe

von Ralf Balke  29.12.2025

Kommentar

Wer Glaubenssymbole angreift, will Gläubige angreifen

Egal ob abgerissene Mesusot, beschmierte Moscheen oder verwüstete Kirchen: Politik und Religion werden zurzeit wieder zu einem hochexplosiven Gemisch. Dabei sollte man beides streng trennen

 29.12.2025