Pessach

Generation Zukunft

Lebendige Tradition: die Gruppe des Düsseldorfer Jugendzentrums bei der diesjährigen Jewrovision in Hamburg Foto: Marco Limberg

Die Geschichte der Wüstengeneration ist ein faszinierender Aspekt des Auszugs aus Ägypten, den wir Jahr für Jahr zu Pessach feiern. Wie in der Tora berichtet wird, verloren die Kinder Israel ihren Mut und ihre Zukunftszuversicht, als die von Moses nach Kanaan entsandten Kundschafter das Land schlechtredeten und als uneinnehmbar darstellten. Zur Strafe durften sie das Verheißene Land nicht betreten. Diese Erzählung zeigt uns, dass grundlegende gesellschaftliche Umwälzungen oft lange dauern können – länger als das Leben einer Generation. Was eine Generation begonnen hat, wird von der nächsten fortgesetzt und vollbracht.

Das gilt – ohne, dass wir uns mit biblischen Gestalten vergleichen wollten – auch für den Aufbau der jüdischen Gemeinschaft in der Bundesrepublik, wobei wir in diesem Fall vielleicht von zwei »Wüstengenerationen« sprechen sollten. Den Grundstein für ein neues jüdisches Leben im Nachkriegsdeutschland legten Holocaust-Überlebende, die hier so wichtige Pionierarbeit leisteten. In ihre Mentalität – Stichwort »Wir sitzen auf gepackten Koffern« – wurde auch die erste jüdische Nachkriegsgeneration hineingeboren. So gesehen waren auch die Nachgeborenen lange Jahre eine Wüstengeneration, Menschen im Übergang.

vergangenheit
Heute sind oder werden die Enkel der Schoa-Überlebenden groß. Auch sie wuchsen nicht frei von den Schatten der Vergangenheit auf, doch stellten die meisten das Leben in Deutschland nicht mehr infrage. Die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion trug entscheidend zur Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens bei. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch. Wer nämlich aus der Ex-UdSSR nach Deutschland kam, tat es aus freien Stücken. Junge Menschen aus Zuwandererfamilien stärken die Zukunftsbasis unserer Gemeinschaft. Den beiden Wüstengenerationen folgt nun eine »Generation Zukunft«.

Junge Juden sind Ärzte und Ingenieure, Sozialarbeiter und Krankenpfleger, Schriftsteller und Künstler, Lehrer und Professoren und üben viele andere Berufe aus, die die deutsche Gesellschaft bereichern. Die Jüngeren unter ihnen sind Schüler und Studenten, die sich auf ein Leben in Deutschland einrichten.

Auch in unseren Gemeinden spielen sie eine immer wichtigere Rolle. Junge Erwachsene sind inzwischen Gemeinderäte und Vorstandsmitglieder, Gemeindemitarbeiter und Rabbiner. Die Jugendlichen bereichern ihr jüdisches Wissen in Jugendzentren, auf Seminaren oder Machanot. Die jüdische Gemeinschaft kann sich glücklich schätzen, solchen Nachwuchs zu haben.

partner
Der Zentralrat der Juden ist sehr glücklich, die »Generation Zukunft« nach Kräften zu unterstützen. Das tun wir in eigener Regie oder mit bewährten Partnern. Zu diesen gehört an erster Stelle die Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST). Gemeinsam mit der ZWST veranstaltet der Zentralrat unter anderem den jährlichen Jugendkongress. Beim diesjährigen Jugendkongress in Berlin durften wir 400 Teilnehmer begrüßen. Auch an unserem großen Gemeindetag im November haben viele junge Menschen teilgenommen, die sich zunehmend in einem professionellen Netzwerk etablieren.

Die Bildungsabteilung des Zentralrats wiederum vermittelt innerhalb der jüdischen Gemeinden Wissen, das auch bei der Jugendarbeit hilfreich ist. Wir haben inzwischen auch die Jewrovision weiterentwickelt. Dieses Jahr nahmen über 900 Jugendliche daran teil. Dass dabei der Schatz von jüdischer Tradition auf eine geballte Ladung jüdischer Kreativität trifft, macht die Jewrovision zu einem Impulsgeber jüdischen Zusammenhalts und jüdischer Identität. Und dies alles ist der beste Garant für eine starke jüdische Zukunft.

jugend Selbstverständlich tun auch, ja doch vor allem, die Gemeinden sehr viel für die Jugend. Jugendarbeit ist ein Kernelement der Arbeit all unserer Gemeinden. Natürlich dürfen wir auch die Makkabi-Sportvereine nicht vergessen. Kurzum: Was sich vor unseren Augen abspielt, ist der Aufbau eines Fundaments für viele künftige Generationen. Das dürfen wir ganz gewiss als einen historischen Vorgang bezeichnen, der das Judentum in Deutschland neu begründet. Ich bin mir ganz sicher, dass unsere jungen Leute ihr Judentum, ein lebendiges und pluralistisches Judentum, an die Generation ihrer Kinder weitergeben werden.

Damit sind wir wieder bei der Pessachgeschichte angelangt, ist doch die Weitergabe jüdischen Wissens, jüdischen Glaubens und jüdischen Selbstbewusstseins der Kernauftrag einer jeden Generation von Juden. Am Sederabend sind wir angehalten zu »We-Higadeta le-Wincha«: Du sollst es deinem Sohn erzählen. Die Pflicht, unsere Kinder in der Tradition unserer Vorväter zu erziehen, besteht aber nicht nur am Abend des 15. Nissan. So schaffen wir eine Kette von Generationen, die niemals abreißen wird.

In diesem Sinne wünsche ich allen Mitgliedern jüdischer Gemeinden in Deutschland und allen Juden in der Welt von ganzem Herzen ein frohes Pessachfest. Pessach kascher we-sameach!

Der Autor ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Debatte

Verbot durch US-Präsident Trump: Wie gefährlich ist die »Antifa-Ost« wirklich?

In einem ungewöhnlichen Schritt stuft die Trump-Regierung vier linksextreme Organisationen als Terrorgruppen ein - in Europa. Betroffen ist auch eine Gruppierung in Deutschland

von Luzia Geier  14.11.2025

Nahostkonflikt

Indonesien will 20.000 Soldaten für Gaza-Truppe bereitstellen

Der US-Plan für die Stabilisierung des Küstenstreifens sieht eine internationale Eingreiftruppe vor. Einige Staaten haben bereits Interesse bekundet

 14.11.2025

Terror

Mutmaßliches Hamas-Mitglied in U-Haft

Der Mann soll Waffen für Anschläge auf jüdische und israelische Ziele transportiert haben

 14.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Gastbeitrag

Kein Ende in Sicht

Der Antisemitismus ist in den vergangenen zwei Jahren eskaliert. Wer jetzt glaubt, dass es eine Rückkehr zum Status vor dem 7. Oktober 2023 gibt, macht es sich zu leicht. Denn auch vor dem »Schwarzen Schabbat« trat der Antisemitismus zunehmend gewaltvoller und offener zutage

von Katrin Göring-Eckardt, Marlene Schönberger, Omid Nouripour  13.11.2025

Israel

Altkanzlerin Merkel besucht Orte der Massaker

Angela Merkel besuchte den Ort des Nova-Festivals und den Kibbuz Nahal Oz

 13.11.2025

Schleswig-Holstein

Polizei nimmt weiteren Hamas-Terroristen fest

Mahmoud Z. soll ein Sturmgewehr, acht Pistolen und mehr als 600 Schuss Munition für Anschläge gegen jüdische und israelische Einrichtungen organisiert haben

 13.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten klettern auf Brandenburger Tor

Oben angelangt entrollten sie ein Banner, auf dem sie Israel Völkermord vorwarfen

 13.11.2025

Diplomatie

Israel drängt Merz auf Ende des Teilwaffenembargos

Der Bundeskanzler hatte am 8. August angeordnet, keine Güter auszuführen, die im Krieg gegen die Hamas verwendet werden könnten

 13.11.2025