Ägypten

Frostiger Frieden

»Hau ab!« – Ägyptens Jugend fordert auf einer der zahlreichen Demonstrationen den Rücktritt von Noch-Präsident Hosni Mubarak. Foto: getty

Demonstrationen in Ägypten, Rufe nach Freiheit im Jemen und Proteste im Tunesien – die arabische Welt steht vor einem historischen Umbruch. Israel allerdings beobachtet die jüngsten Entwicklungen, besonders die seines südlichen Nachbarn Ägypten, mit Sorge. Statt eines verlässlichen, pro-westlich orientierten Verbündeten könnte der jüdische Staat schon bald mit einem radikal-islamischen Regime konfrontiert sein, heißt es.

Abgesehen vom Königreich Jordanien wäre Israel dann ausschließlich von feindlichen Staaten umgeben. Im Libanon regiert seit Kurzem Najib Mikati, der mit Unterstützung der radikal-islamischen Hisbollah zum Premier gewählt worden ist. Im Gazastreifen herrscht die Hamas, ebenfalls eine Gruppierung, die ihre Befehle aus Teheran empfängt. Sollte jetzt auch noch in Kairo ein radikales Regime an die Macht kommen, wäre das für Israels Sicherheit ein Horrorszenario.

Demokratie »Wir erleben derzeit ein regionales Erdbeben«, kommentiert ein israelischer Diplomat, der anonym bleiben möchte, den Wutausbruch der Bevölkerung in arabischen Ländern. Am vergangenen Freitag, als in Kairo erstmals seit Ausbruch der Bürgerunruhen die Panzer rollten, gab sich der Diplomat zwar noch zuversichtlich, dass die Sicherheitskräfte bald wieder Herr der Lage sein würden.

Seine Besorgnis gilt aber mittlerweile der Zeit danach. Denn aus Sicht Jerusalems wäre es riskant, in arabischen Ländern demokratische Prozesse zuzulassen, weil dadurch Islamisten in die Machtzentren katapultiert werden könnten. Bei den Demonstrationen sollen inzwischen auch anti-israelische und anti-westliche Töne zu hören sein.

Den Frieden mit Ägypten haben Israelis stets als »kalt« bezeichnet. Die beiden Länder sind sich nie richtig nahegekommen, seit Premier Menachem Begin und Präsident Anwar al-Sadat 1979 den Friedensvertrag unterzeichnet hatten. Jetzt aber wird dieser Frieden frostig. Unabhängig davon, ob sich Noch-Präsident Hosni Mubarak an der Macht halten kann oder er bald schon einem Nachfolger Platz machen muss, lautet die Frage: Werden die israelisch-ägyptischen Beziehungen, die für die Stabilität im Nahen Osten von entscheidender Bedeutung sind, die Unruhen tatsächlich unbeschadet überstehen?

Risikomanagement Die ökonomische, politische und strategische Lage Israels wird sich womöglich massiv verschlechtern. Israel kann Mubarak, der bisher in der Koalition gegen die nukleare Aufrüstung der Islamischen Republik Iran eine verlässliche Stütze war, nicht mehr trauen. Der Friedensvertrag mit Kairo gilt israelischen Militärs und Politikern als besonderer strategischer Wert. Denn das Risikomanagement hat sich seit dem Abkommen vereinfacht. Die Kriegsgefahr war gering. Demzufolge konnte Israel den Aufwand für die Grenzbewachung zum Sinai massiv reduzieren.

Nun zwingt der Aufstand der Ägypter die Strategen in Jerusalem, die Lage neu zu beurteilen. Denn die Israelis können nicht auf Stabilität im Nachbarland bauen. Das gilt auch für den zum Vizepräsidenten ernannten Geheimdienstchef Omar Suleiman, der die Situation unter Kontrolle bringen soll. Suleiman, der bisher schon de facto die Nummer zwei war, gilt in Jerusalem als verlässlicher Partner.

Indiz Der US-freundiche Vertraute Mubaraks hat wiederholt bei den Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern vermittelt. Suleiman sorgte mithilfe einer engagierten Pendeldiplomatie dafür, dass Jerusalem indirekte Gespräche mit der radikal-islamischen Hamas führen konnte. Seine Ernennung gilt in Jerusalem als Indiz dafür, dass Mubarak seine Außenpolitik nicht ändern wird.

Doch niemand weiß, ob sich Mubaraks Regime mit einem neuen Vize und einem aufgefrischten Kabinett wird halten können. Auch die Frage, wer das Vakuum ausfüllen wird, sollte der Präsident zurücktreten, ist noch offen. Mubaraks Familie – darunter auch sein Sohn Gamal, der bis vor Kurzem als möglicher Nachfolger aufgebaut worden war – hat sich offenbar bereits nach London abgesetzt.

Israel verfolge die Entwicklung in Ägypten und in anderen Ländern der Region sehr genau, sagte Premier Netanjahu nach der Kabinettssitzung am Montag. Sein Land sieht sich mit einem neuen Nahen Osten konfrontiert. Das Chaos im Nachbarland steigert die Gefahr, dass der Waffenschmuggel nach Gaza einen neuen Boom verzeichnet und die Schlagkraft der Islamisten erhöht, die mit Raketenangriffen den Süden Israels wieder unsicher machen.

Israel

Ein zarter Neuanfang

Bei seinem Antrittsbesuch in Jerusalem wollte Bundeskanzler Friedrich Merz das zuletzt stark belastete Verhältnis zum jüdischen Staat kitten. Ist es ihm gelungen? Eine Analyse

von Philipp Peyman Engel  07.12.2025

Jerusalem

Netanjahu: »Stellen Sie sich vor, jemand würde Deutschland vernichten wollen«

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz lobte der Premierminister Bundeskanzler Merz als verständigen Gesprächspartner und rechtfertigte Israels hartes Vorgehen gegen die Hamas

 07.12.2025 Aktualisiert

Israel

Berichte: Netanjahu traf Blair heimlich zu Gaza-Zukunft

Bei einem Treffen zwischen Netanjahu und Blair soll es um Pläne für die Zukunft des Gazastreifens gegangen sein. Für Blair ist eine Rolle in Trumps »Friedensrat« vorgesehen

 07.12.2025

Justiz

Gericht bestätigt Verbot der Parole »From the river to the sea«

Ein von der Stadt Bremen erlassenes Verbot sei rechtmäßig, entschied nun das Verwaltungsgericht Bremen

 07.12.2025

Yad Vashem

Merz: »Wir werden die Erinnerung lebendig halten«

Es ist einer der wichtigsten Antrittsbesuche für Kanzler Merz. Der zweite Tag in Israel beginnt für ihn mit dem Besuch eines besonderen Ortes

 07.12.2025

Umfrage

KAS-Studie: Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine neue Studie zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft vorgelegt. Dabei wurden auch Einstellungen zu Juden abgefragt

 07.12.2025

Simi Valley

»Vorbildliche Verbündete«: Hegseth nennt Israel und Deutschland

Die Signale, die jüngst aus den USA in Richtung Europa drangen, waren alles andere als positiv. Der US-Verteidigungsminister findet nun allerdings nicht nur Lob für den jüdischen Staat, sondern auch für einige EU-Staaten

 07.12.2025

Soziale Medien

Musk nach Millionenstrafe gegen X: EU abschaffen

Beim Kurznachrichtendienst X fehlt es an Transparenz, befand die EU-Kommission - und verhängte eine Strafe gegen das Unternehmen von Elon Musk. Der reagiert auf seine Weise

 07.12.2025

Jerusalem

Merz: Deutschland wird immer an der Seite Israels stehen

Der Bundeskanzler bekräftigt bei seiner Israel-Reise die enge Partnerschaft. Am Sonntag besucht er die Yad Vashem und trifft Premierminister Netanjahu

von Sara Lemel  07.12.2025 Aktualisiert