Bislang nur sehr schwer einsehbare Akten zur Entnazifizierung im deutschen Südwesten sind ab jetzt online abrufbar. Dabei geht es um rund 1,5 Millionen Seiten, wie das Diplomatische Archiv in Frankreich und das Landesarchiv Baden-Württemberg am Mittwoch in Freiburg mitteilten.
»Die Quellen versprechen neue Erkenntnisse zur Geschichte Baden-Württembergs während des Nationalsozialismus bis in die unmittelbare Nachkriegszeit«, sagte Landesarchiv-Präsident Gerald Maier. Enthalten sind beispielsweise Personalakten über die Filmregisseurin Leni Riefenstahl, über den Philosophen Martin Heidegger und über den späteren Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer.
Deutsch-französische Kooperation
Die Dokumente stammen aus dem sogenannten Entnazifizierungsverfahren der französischen Behörden nach dem Zweiten Weltkrieg. Insgesamt sind Akten zu rund 230.000 befragten Personen erhalten. Ein Teil davon, etwa 7.000, liegen nicht im baden-württembergischen Staatsarchiv, sondern in Paris. Diese Bestände sind nun erstmals digital abrufbar. »Für die personenbezogene Erforschung der NS-Zeit ist das ein großer Gewinn«, sagte Landeswissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne).
Die Personalakten enthalten meist einen Fragebogen mit Selbstauskünften, häufig auch Rechtfertigungen, Zeugenaussagen und - wenn es zu einem Verfahren kam - die Entscheidungen der Entnazifizierungskommission. Manche Akten enthalten nur wenige, andere mehr als 100 Seiten.
Personalakte des Buchenwald-KZ-Arztes
In der Akte von Leni Riefenstahl, die ab 1946 in Königsfeld im Schwarzwald wohnte, ist dokumentiert, wie sie zunächst als »nicht betroffen«, später dann auf Betreiben der französischen Behörden als »Mitläuferin« des NS-Regimes eingestuft wurde.
Neu digitalisiert wurden beispielsweise auch die Personalakten des Lagerarzts des KZ Buchenwald, Waldemar Hoven, des Leiters der Straßburger NS-Geheimpolizei Gestapo Julius Gehrum oder Dokumente über den 1944 als NS-Stadtkommandant von Paris eingesetzten deutschen General Dietrich von Choltitz.