Meinung

Frankfurt installiert Ramadan-Beleuchtung: Ein jüdischer Zwischenruf

Foto: picture alliance / REUTERS

Die Aufregung ist groß. Und eine neue Runde im Kulturkampf scheint eingeleitet.

Warum?

Weil die Stadt Frankfurt zum Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan auf der berühmten Frankfurter Fressgasse eine Beleuchtung mit muslimischen Symbolen installiert hat. Sterne und Halbmonde zieren nun für einen Monat das Zentrum der altehrwürdigen Bankenmetropole und grüßen die Besucher der Fußgängerzone mit einem glitzernden »Happy Ramadan«.

Und während die einen darin die nächste Unterwerfungsgeste der rückgratlosen Multikulti-Fraktion erkennen wollen, schwelgen die anderen in dem Glauben, dass hier ein Zeichen für Toleranz, Mitmenschlichkeit und Frieden gesetzt werde.

Die Begründungen sind auf beiden Seiten abenteuerlich: hier der Verweis auf Deutschlands christliche Identität, die durch die kitschige Leuchtreklame Schaden nehme, und dort die Behauptung, dass die Lichter nicht nur gegen Diskriminierung und antimuslimischen Rassismus strahlen würden, sondern auch gegen Antisemitismus.

Dem Moderaten wird dabei irgendwie unwohl. Denn natürlich leben wir in einem christlich geprägten Land. Manche betonen gar: einem christlich-jüdisch geprägten Land! Wobei die jüdische Prägung nach Jahrhunderten der Ausgrenzung, Verfolgung, Vertreibung und – nicht zu vergessen – Vernichtung, ziemlich gründlich getilgt wurde.

Doch wer hält sich schon mit solchen Nebensächlichkeiten auf!? Aber schließt »christlich geprägt« aus, dass man anderen Religionsgemeinschaften sichtbar zu einem ihrer wichtigsten Feste gratuliert? Und symbolisieren ein paar Sterne und Halbmonde, die übrigens während des Ramadan in keinem muslimischen Heim eine Rolle spielen, tatsächlich den Kniefall vor dem Haus des Islam? Und zeugt der Aufschrei nicht eher von mangelndem Selbstwertgefühl und der durchaus begründeten Sorge vor dem zunehmenden Verlust der eigenen Identität?

Andererseits: Wie soll eine Ramadan-Beleuchtung gegen antimuslimischen Rassismus helfen? Und schlimmer noch: Was zum Henker sollen blinkende Halbmonde gegen den grassierenden Antisemitismus ausrichten, der sich zuletzt ja gerade in der türkisch-arabischen Community, mithin also auch in den Eingeweiden der muslimischen Community Bahn gebrochen hat? Weiß der Geier! Aber wie sagte Hannah Arendt schon: »Politische Fragen sind viel zu ernst, um sie den Politikern zu überlassen.« Wohl wahr.

Deshalb ein Vorschlag zur Güte: Wie wäre es, wenn der Staat unter Berücksichtigung seiner eigenen historischen, kulturellen und religiösen Identität – und so leid es mir tut: die ist nun einmal christlich – ansonsten so weit wie möglich Neutralität walten lässt? Dann kann der Kanzler immer noch einen Chanukkaleuchter anzünden. Und der Bundespräsident kann immer noch dem Fastenbrechen frönen. Aber erstens bleiben wir dann von gut gemeinten und schlecht gemachten Aktionen verschont. Zweitens müssen Religionen so nicht als politische Manövriermasse herhalten. Und drittens bleiben die Sphären klar getrennt: Die Religion inspiriert, und die Politik reagiert. Oder so ähnlich ...

In diesem Sinne: Happy Ramadan – und Guten Appetit! 

Der Autor ist Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen.

Sydney

Jüdische Organisationen prangern »Geißel« Antisemitismus an

Im Fokus steht dieses Mal Australien. Es ist Gastgeber einer Konferenz der internationalen jüdischen Initiative »J7«. Sie stellt Zahlen zu Judenhass auf dem Kontinent vor - und spricht von historischen Höchstständen

von Leticia Witte  02.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  02.12.2025 Aktualisiert

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  02.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 02.12.2025 Aktualisiert

Interview

»Die Altersarmut bleibt«

Aron Schuster über das Ende des Härtefallfonds, Einmalzahlungen und Gerechtigkeit für jüdische Rentner

von Mascha Malburg  02.12.2025

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Berlin

Zentrum für Politische Schönheit errichtet »Walter Lübcke Memorial« vor CDU-Zentrale

Am Freitag soll außerdem eine Gedenkveranstaltung mit Michel Friedman durchgeführt werden

 02.12.2025

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin

Steinmeier erinnert an Stiftungsgründung für NS-Zwangsarbeiter

Im Jahr 2000 gründeten die deutsche Wirtschaft und der Bund nach langem Vorlauf die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Millionen NS-Opfer erhielten zumindest einen symbolischen Betrag

 02.12.2025