Europäische Union

EuGH: Verbot religiöser Symbole am Arbeitsplatz ist rechtens

Protest in Berlin 2021 gegen ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen Foto: imago images/Bernd Friedel

Seit Jahren befassen sich europäische Gerichte mit der Frage, ob das Tragen religiöser Symbole am Arbeitsplatz eingeschränkt oder ganz verboten werden darf. Meist waren es muslimische Klägerinnen, die sich gegen ein Kopftuchverbot zu Wehr setzten. Doch die Verbote betreffen im Grundsatz auch die Kippa, den Turban oder den Habit von Ordensfrauen.

Am Dienstag fällte nun der Europäische Gerichtshof (EuGH), das oberste Gericht der Europäischen Union, ein Grundsatzurteil zu der Frage, inwiefern staatliche Verwaltungen das Tragen religiöser Symbole auch dann einschränken dürfen, wenn die betroffenen Mitarbeiter gar keinen Publikumskontakt haben und somit von der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen werden.

Belgische Muslima klagte gegen Kopftuchverbot

Eine belgische Muslima, die in der Gemeindeverwaltung von Ans tätig ist, hatte in Lüttich gegen das von der Gemeinde selbst erlassene Kopftuchverbot am Arbeitsplatz geklagt, weil sie sich in ihrem Recht auf freie Religionsausübung verletzt und gegenüber anderen Kolleginnen diskriminiert sah. Laut einem Beschluss der Verwaltung von Ans ist nämlich jedwede Form von Proselytismus am Arbeitsplatz untersagt. Das schließt das Tragen von Zeichen ein, die offensichtlich auf eine bestimmte ideologische oder religiöse Zugehörigkeit der betreffenden Person schließen lasse.

Das Lütticher Arbeitsgericht hatte dem Europäischen Gerichtshof die Sache zur Vorabentscheidung vorgelegt und gefragt, ob die von der Gemeinde Ans aufgestellte Regel eine verbotene Diskriminierung im Sinne der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU aus dem Jahr 2000 sei.

Die Antwort der Luxemburger Richter: nein, sofern das Ziel einer strikten Neutralität, die eine öffentliche Verwaltung ihren Arbeitnehmern gegenüber durchsetzen will, ein rechtmäßiges Ziel in dem betreffenden EU-Staat ist und als sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann. Ebenso gerechtfertigt, machte der Gerichtshof jedoch klar, wäre auch eine Entscheidung für eine Politik, die das Tragen von sichtbaren Zeichen vollständig oder teilweise gestatte. Auch ein Verbot nur bei Situationen, in denen es zu Publikumskontakt kommt, sei nach europäischem Recht grundsätzlich gestattet, so die Richter.

Die Mitgliedstaaten und auch darunter angesiedelte politische Einheiten verfügten über einen Wertungsspielraum bei der Ausgestaltung der Neutralitätspflicht im öffentlichen Dienst. Ein solches Ziel müsse aber »in kohärenter und systematischer Weise« verfolgt werden und die zu seiner Erreichung getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig sein und sich auf das absolut Notwendige beschränken. Es sei zudem Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob diese Anforderungen im Rahmen des nationalen Rechts erfüllt seien, betonten die Luxemburger Richter.

Volker Beck kritisiert Urteil

In Deutschland gab es Kritik an dem Urteil. Volker Beck, Geschäftsführer des Tikvah-Instituts und ehemaliger Bundestagsabgeordneter von Bündnis90/Die Grünen, sagte dieser Zeitung: »Das ist kein guter Tag für die Freiheit. Der Europäische Gerichtshof stellt die Neutralität des Staates über die Religionsfreiheit anstatt sie in der religiösen und weltanschaulichen Pluralität seiner Bediensteten und ihres weltanschaulich neutralen Handelns zu erkennen.«

Der Gerichtshof bleibe damit im Trend der sich immer mehr säkularisierenden Gesellschaften. »Religion wird nicht mehr als soziales und den Menschen umfassend bestimmenden Phänomen verstanden. Neutralität wird als sterile, bürokratische Gleichheit und nicht als Gleichheit in der Verschiedenheit verstanden.« Dennoch glaubt Beck nicht, dass das Urteil auf Deutschland größere Auswirkungen haben wird. »Das Bundesverfassungsgericht hat den Staat als Heimstatt aller Bürger definiert, hierzu gehören gläubige Juden, Christen und Muslime ebenso wie Sikhs, Buddhisten oder Hindus.«

Es war nicht das erste Urteil des EuGH in dieser Richtung. Im Dezember 2020 entschieden die obersten Richter, dass es den EU-Mitgliedstaaten gestattet sei, das betäubungslose Schlachten von Tieren, wie es unter anderem die jüdischen Speisegesetze verlangen, ganz zu verbieten, ohne unzulässigerweise in die freie Religionsausübung einzugreifen.

AZ: C-148/22

Bern

Schweiz verbietet Terrororganisation Hamas

Deutschland hat die Terrororganisation schon kurz nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 verboten. Die Schweiz zieht jetzt erst nach

 30.04.2025

Den Haag

USA rechtfertigen vor UN-Gericht Israels Blockade humanitärer Hilfe

Israel habe ein berechtigtes Sicherheitsinteresse, sagt der Rechtsvertreter aus Washington D.C.

 30.04.2025

Regierung

Mit Davidstern ins Kabinett

Karin Prien wird Deutschlands erste Bundesministerin mit jüdischen Wurzeln. Erst seit wenigen Jahren spricht die CDU-Politikerin öffentlich über ihre Familiengeschichte

von Michael Thaidigsmann  30.04.2025

Iran

Mullahs lassen angeblichen Mossad-Informanten hinrichten

Die Zahl der Hinrichtungen hat in den vergangenen Jahren drastisch zugelegt

 30.04.2025

Buenos Aires

Argentinien stellt Dokumente über geflohene Nazis online

Viele hochrangige Nationalsozialisten flohen nach dem Zweiten Weltkrieg vor Strafverfolgung – vor allem nach Südamerika. In Argentinien sind Dokumente zu den NS-Tätern nun digital zugänglich

 30.04.2025

Hanau

Antisemitisches Plakat an Schule: Staatsschutz ermittelt

In einem angrenzenden Park gab es eine Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde. Besteht ein Zusammenhang?

 30.04.2025

Jom Hasikaron

Israel gedenkt der Terroropfer und Kriegstoten

Seit dem 7. Oktober 2023 sind 850 israelische Soldaten und 82 Sicherheitskräfte getötet worden

 30.04.2025

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025