Interview

»Es wird Blutrache geben«

Hamed Abdel-Samad Foto: Droemer Knaur

Interview

»Es wird Blutrache geben«

Hamed Abdel-Samad über den Umsturz in Libyen und die Zukunft des Nahen Ostens

von Hamed Abdel-Samad  22.08.2011 17:02 Uhr

Herr Abdel-Samad, das Gaddafi-Regime ist am Ende. Welche Perspektive geben Sie Libyen?
Libyen hat zwar, wenn Sie es mit Ägypten und Tunesien, den Ländern des Arabischen Frühlings, vergleichen, einige Vorteile, aber nicht nur. Auf der einen Seite verschafft der Ölexport dem Land eine solide finanzielle Basis, die dafür sorgen könnte, die Infrastruktur zu verbessern. Aber anders als in Ägypten und Tunesien fehlt in Libyen eine Zivilgesellschaft. Es gibt keine Organisationen, die für ein bürgerliches Leben stehen. Dazu kommen die Stämme, die oft alte Fehden austragen. Es wird Blutrache geben. Das Land ist tief gespalten.

Hat die NATO-Intervention da eher geschadet als genützt?
Die Intervention war richtig, auch wenn sie manchmal einen faden Beigeschmack hatte. Aber vor allem wurde sie von Gaddafis Propaganda denunziert: Oppositionelle galten ihm schon immer als Islamisten und Westler – eine merkwürdige Kombination.

Dem Arabischen Frühling in Ägypten prognostizieren viele einen traurigen Herbst: Eine Militärdiktatur regiert das Land.
Das glauben Sie nur, wenn Sie RTL sehen. Im Land stellt sich das anders dar: Es gibt viele dynamische Prozesse in der ägyptischen Gesellschaft. Die sind jedoch für westliche Medien uninteressant. So haben sich beispielsweise mittlerweile 44 Parteien in Ägypten gebildet. Und es entwickelt sich eine vollkommen neue Jugendkultur.

Was beobachtet wird, ist ein Erstarken antiisraelischer Ressentiments im Land. Hinzu kommt, dass der Militärrat in Ägypten die Hamas aufwertet.
Die Ressentiments haben in der Tat zugenommen. Sie werden genutzt und sogar forciert, um Kritik am Militärrat zu unterdrücken. Nach den jüngsten Grenzzwischenfällen hat sich das auch bestätigt: Da gingen die Rufe nach Demokratie deutlich zurück. Das ist die Funktion von antiisraelischen Ressentiments.

Im September will die Palästinensische Autonomiebehörde von der UN als Staat anerkannt werden. Gehört das auch zum Arabischen Frühling?
Der Palästinenserstaat spielt eine sehr große Rolle, das ist eine höchst emotionale Sache. Sollte er verhindert werden, wird das vielen als Beleg dafür dienen, dass die USA und Israel die Palästinenser nicht leiden können.

Raten Sie also dem Westen, der Ausrufung des Staates zuzustimmen?
Ich habe dazu eine eigenwillige Meinung: Ich unterstütze die Gründung eines Palästinenserstaates nur im Westjordanland. Dieses nämlich erfüllt bereits jetzt alle Voraussetzungen dafür. Der Gazastreifen, wo die Hamas regiert, kann ja später dazukommen, wenn auch er die Bedingungen erfüllt. Das ist ein wenig so wie mit der Bundesrepublik, der die DDR erst später beigetreten ist.

Mit dem deutsch-ägyptischen Politikwissenschaftler und Historiker sprach Martin Krauß.

Berlin

Merz und Wegner nennen Lübcke-Statue geschmacklos

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) äußerte Unmut: Das Schicksal eines von einem Rechtsradikalen ermordeten Politiker zu instrumentalisieren, sei an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten

 04.12.2025

Bayern

Landtag wirbt für Yad Vashem-Außenstelle in München

Ein fraktionsübergreifenden Antrag – ohne Beteiligung der AfD - für eine Außenstelle der israelischen Gedenkstätte im Freistaat liegt vor

 04.12.2025

Ehrung

»Ahmad Mansour kämpft nicht gegen Symptome, sondern gegen Ursachen«

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour wurde mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir dokumentieren die Rede

von Josef Schuster  04.12.2025

Kulturbetrieb

»Wie lange will das politische Deutschland noch zusehen?«

Der Bundestagskulturausschuss hörte Experten zum Thema Antisemitismus an. Uneins war man sich vor allem bei der Frage, wie weit die Kunstfreiheit geht

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Graz

Verharmlosung von NS-Verbrechen: Haft für Deutschen in Österreich

Lange Haftstrafe für einen Publizisten: Was steckt hinter dem Urteil, und wie stufen Extremismusforscher seine bereits eingestellte Zeitschrift ein?

 04.12.2025

Analyse

Der Kanzler in Israel: Antritt mit Spannung

Friedrich Merz besucht am Samstag Israel. Die Beziehungen beider Länder sind so strapaziert wie selten zuvor. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Reise des Bundeskanzlers

von Joshua Schultheis  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

USA

Netanjahu will trotz Mamdanis Warnung nach New York kommen

Der designierte Bürgermeister will Wege prüfen, den Haftbefehl des IStGH zu vollstrecken. Der israelische Regierungschef lässt sich davon nicht abschrecken

 04.12.2025

Verteidigung

Bundeswehr nimmt Raketenwehrsystem Arrow 3 in Betrieb

Deutschland baut als Reaktion auf die Bedrohung durch Russland die Luftverteidigung aus und hat ein System in Israel beschafft. Es soll feindliche Flugkörper schon in größter Höhe zerstören können

von Carsten Hoffmann  03.12.2025