Sportgeschichte

»Er durfte nicht antreten«

Herr Stoller, Sie sind für eine ganz besondere Ehrung zu den European Maccabi Games gekommen. Worum geht es?
Es geht nicht um mich, sondern um meinen Großcousin Sam Stoller. Er hatte sich damals gemeinsam mit Marty Glickman für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin qualifiziert. Die beiden sollten die 4 x 100-Meter-Staffel mit Jesse Owens laufen. Der spätere Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Avery Brundage, war ein bekennender Antisemit und Freund Hitlers. Hitler soll Brundage gebeten haben, Juden aus dem Team zu nehmen – also durften Sam Stoller und Marty Glickman nicht antreten. Ich bin ihnen zu Ehren nach Berlin gekommen.

Kannten Sie Sam Stoller?
Ich bin meinem Großcousin nie persönlich begegnet, aber ich habe über ihn gelesen und natürlich auch die Geschichten der Familie gehört. Mein Onkel und mein Vater neigten zum Übertreiben, deswegen habe ich vielleicht nicht immer zugehört. Aber dann kam mein Vater eines Tages mit einem dünnen Büchlein nach Hause. Es hieß »Famous Jewish Athletes«. Und darin stand auch etwas über meinen Großcousin. Außerdem habe ich im United States Holocaust Memorial Museum in Washington zur Geschichte von Sam Stoller recherchiert. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste ich, dass die Geschichte wahr ist.

Stimmt es, dass Jesse Owens auf seinen Startplatz verzichtet hätte, um entweder Sam Stoller oder Marty Glickman antreten zu lassen?
Das habe ich gehört, aber ich weiß nicht, ob es wahr ist. Sam Stoller war zumindest gut mit Jesse Owens befreundet.

Was verbindet Sie mit Makkabi?
Ich habe zwar nicht im Verein gespielt, habe aber immer Sport gemacht. Da ich als Sportarzt viel mit Boxern zusammenarbeite, habe ich selbst auch mit dem Boxen angefangen. In Berlin möchte ich aber eher für die Athleten sprechen. Denn wenn man Sportler ist und sich so intensiv – geradezu exzessiv – auf ein Großereignis vorbereitet und dann jemand kommt, der dir mitteilt: »Du darfst nicht antreten«, dann ist das vernichtend. Das versteht jemand, der keinen Sport macht, vielleicht nicht so gut. Genau dieser Aspekt wird bei der Geschichte meines Großcousins etwas vernachlässigt. Da heißt es nur: Er war Jude und durfte nicht antreten. Ich denke, keiner der beiden – weder Marty noch Sam – sah sich primär als Jude. Der Sport stand bei ihnen im Mittelpunkt.

Was halten Sie davon, dass die EMG in Berlin stattfinden?

Warum sollten sie nicht hier stattfinden? Dass man heute an einem Ort zusammenkommt, an dem 1936 so viel Schlimmes passiert ist, gibt den Sportlern vielleicht Kraft. Es zeigt, dass sie jetzt zu ihren Bedingungen hier sein können. Und: Deutschland ist heute ein gänzlich anderes Land. Der Staat unternimmt sehr viel, um gegen Antisemitismus vorzugehen. Das kann man von Frankreich und Großbritannien nicht gerade behaupten.

Mit dem Großcousin von Sam Stoller sprach Katrin Richter.

Berlin

Merz: Es gibt keinen Grund mehr, jetzt für Palästinenser in Deutschland zu demonstrieren

Der Gaza-Krieg hat auch die politische Stimmung in Deutschland belastet. Der Kanzler hofft nach dem Durchbruch bei den Friedensverhandlungen auch auf einen Rückgang antisemitischer Vorfälle

 09.10.2025

Verhandlungen

Hamas erklärt Gaza-Krieg für beendet

Terror-Chef Chalil al-Haja wendet sich in einer Fernsehansprache an alle Palästinenser

von Eva Krafczyk  09.10.2025

Washington

Trump: Die Geiseln werden am Montag oder Dienstag zurückkommen

Israel und die Hamas haben der ersten Phase des Friedensplans von Trump zugestimmt. Die Geiseln aus dem Gazastreifen sollen dann freikommen. Und der US-Präsident will selbst in die Region reisen

 09.10.2025

Halle

Erinnerung an Synagogen-Anschlag vor sechs Jahren

Am 9. Oktober 2019 hatte ein Rechtsterrorist versucht, in die Synagoge einzudringen, scheiterte aber an der Tür. Bei seiner anschließenden Flucht tötete er zwei Menschen

 09.10.2025

Einigung im Nahen Osten

Weltweit Freude und Erleichterung über Gaza-Deal

Die Reaktionen auf die Annahme des Friedensabkommens für Gaza sind fast einhellig positiv

 09.10.2025

Meinung

Außen hui, innen pfui: Trumps Umgang mit den Juden

Während sich der US-Präsident um die Juden in Israel verdient macht, leidet die jüdische Gemeinschaft im eigenen Land unter seiner autoritären Innenpolitik. Das sollte bei aller Euphorie über den Gaza-Deal nicht vergessen werden

von Joshua Schultheis  09.10.2025

Kommentar

Deutschland braucht Israels Geheimdienste, Herr Wadephul

Der Außenminister behauptet in einem Interview, die Bundesregierung sei nicht auf Erkenntnisse israelischer Spionagedienste angewiesen. Mit dieser Falschaussage riskiert er das Leben vieler Menschen in Europa

von Remko Leemhuis  09.10.2025

Kommentar

Endlich!

734 Tage hat es gedauert, 734 lange grausame Tage bis zu diesem Moment der Hoffnung, des Glücks, der Erleichterung. Die Geiseln kommen frei

von Esther Schapira  09.10.2025

Waffenruhe

Deutschland plant Wiederaufbaukonferenz für Gaza

Außenminister Wadephul will dazu gemeinsam mit Ägypten einladen. Auch Israel und die Vereinigten Staaten müssten mit am Tisch sitzen

 09.10.2025