Militärrabbiner

»Ein starkes Signal«

Fand bei der Einführung des Rabbiners klare Worte: Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer Foto: imago images/IPON

Militärrabbiner

»Ein starkes Signal«

Annegret Kramp-Karrenbauer über Seelsorge in der Bundeswehr, Führungskultur und Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  24.06.2021 08:58 Uhr

Frau Ministerin, am Montag wurde Zsolt Balla als Militärbundesrabbiner ins Amt eingeführt. Erstmals seit der Schoa zieht wieder ein Rabbiner eine deutsche Militäruniform an. Ein historischer Moment?
Ich freue mich, dass nach einigen Monaten der Vorbereitung die jüdische Militärseelsorge mit der Amtseinführung des Militärbundesrabbiners nun ein Gesicht erhält und für die Soldatinnen und Soldaten greif- und erlebbar wird. Jüdinnen und Juden sind ein selbstverständlicher Teil Deutschlands. Die Erweiterung der Militärseelsorge in der Bundeswehr ist ein wichtiger Schritt der Wertschätzung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens in den Streitkräften. Die Angehörigen der jüdischen Militärseelsorge werden allerdings ausschließlich als zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung tätig sein. Dies gilt auch für den Militärbundesrabbiner, der wie die Militärbischöfe der Evangelischen und Katholischen Militärseelsorge kein Angehöriger der Bundeswehr ist.

Ihr Ministerium spricht von etwa 300 Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens. Wie kommt die Bundeswehr auf diese Zahl? Die Angabe der Glaubenszugehörigkeit ist ja freiwillig.
Religion ist Privatsache. Soldatinnen und Soldaten geben außerhalb ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Kirchensteuer ihre Glaubenszugehörigkeit nur auf freiwilliger Basis an. Für die Protestanten und Katholiken führt die Bundeswehr Kirchensteuer ab. Die Zahl der christlichen Bundeswehrangehörigen kann somit noch relativ genau bestimmt werden. Die Anteile anderer Konfessionen müssen geschätzt werden. Im Vorgriff auf den Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden wurde zu diesem Zwecke ein internes Gutachten beauftragt. Die Zahl der jüdischen Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr wird darin auf bis zu 300 geschätzt.

Inwiefern kann die jüdische Militärseelsorge ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen und langfristig für mehr Verständnis für das Judentum in der Bundeswehr sorgen?
Mit der Einstellung von jüdischen Militärseelsorgern verbessern wir das seelsorgerische Angebot in der Bundeswehr und senden ein starkes Signal der Vielfalt, der Toleranz und der Glaubensfreiheit. Antisemitismus hat bei uns keinen Platz.

Das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) war jüngst wegen rechtsextremer Vorfälle im Gerede; die Wehrbeauftragte Eva Högl sprach von »fehlgeleiteter Führungskultur«, Sie haben eine Kompanie ganz aufgelöst. Reichen Ihnen die nun umgesetzten Reformen?
Ich habe entschieden, dass das reformierte Kommando Spezialkräfte (KSK) fortbestehen wird. Das KSK wurde seit dem 1. Juli 2020 von Grund auf neu organisiert. Die Tragweite der vorherigen Vorkommnisse, Verfehlungen und Defizite machten grundlegende Veränderungen erforderlich, um verkrustete Strukturen aufzubrechen und extremistischen Tendenzen dauerhaft den Nährboden zu entziehen. Im Verband hat durch die Reformen erkennbar ein positiver Wandel eingesetzt. Der überwiegende Teil der Soldatinnen und Soldaten trägt die Reformen mit und setzt diese aktiv um. Besonders wichtig für einen Weiterbestand des KSK war und ist, dass seit Beginn der Umsetzung der Reformen keine weiteren Verdachtsfälle für Rechtsextremismus aufgetreten sind. Wir werden den Kultur- und Mentalitätswandel weiter begleiten.

Wird der Militärbundesrabbiner künftig der Bundeswehrführung beratend zur Seite stehen, wenn es um die Bekämpfung antisemitischer Vorurteile unter Soldaten geht?
Dem Militärbundesrabbiner obliegt die religiöse Leitung der jüdischen Militärseelsorge. Die Militärseelsorge stellt vorrangig die seelsorgerische Betreuung der Angehörigen der Glaubensrichtungen in den Streitkräften sicher. Die Militärrabbinerinnen und Militärrabbiner werden im Rahmen der Unterstützung beim lebenskundlichen Unterricht die Gelegenheit haben, mit Soldatinnen und Soldaten aller Glaubensrichtungen ins Gespräch zu kommen. Soweit ihnen dort antisemitische Vorurteile begegnen, erwarte ich, dass sie sich mit diesen auseinandersetzen. Dabei können sie sicherlich auch mit der Unterstützung durch den Militärbundesrabbiner rechnen. Auch die Bundeswehrführung wird das Gespräch mit dem Militärbundesrabbiner suchen.

Die Fragen an die Bundesverteidigungsministerin stellte Michael Thaidigsmann.

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025

TV-Tipp

Ein äußerst untypischer Oligarch: Arte-Doku zeigt Lebensweg des Telegram-Gründers Pawel Durow

Der Dokumentarfilm »Telegram - Das dunkle Imperium von Pawel Durow« erzählt auf Arte und in der ARD-Mediathek die Geschichte der schwer fassbaren Messengerdienst-Plattform-Mischung und ihres Gründers Pawel Durow

von Christian Bartels  25.11.2025

Israel

Antisemitismus-Beauftragter wirft Sophie von der Tann Verharmlosung der Hamas-Massaker vor

Die ARD-Journalistin soll in einem Hintergrundgespräch gesagt haben, dass die Massaker vom 7. Oktober eine »Vorgeschichte« habe, die bis zum Zerfall des Osmanischen Reiches zurückreiche

 25.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  25.11.2025

Ramallah

Nach Hammer-Angriff auf Israeli - mutmaßlicher Täter getötet

Vor mehr als einem Jahr kam ein israelischer Wachmann im Westjordanland bei einem Angriff ums Leben. Seitdem haben israelische Sicherheitskräfte nach dem flüchtigen Täter gesucht

 25.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Entscheidung

Berlin benennt Platz nach Margot Friedländer

Jahrzehntelang engagierte sich die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer für Aussöhnung. Nun erfährt die Berlinerin nach ihrem Tod eine besondere Ehrung

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Berlin

RIAS: Polizei erfasst antisemitische Taten lückenhaft

Der Bundesverband sagt, es gebe strukturelle Probleme, Unsicherheiten im Umgang mit Betroffenen und ein insgesamt unzureichendes Bild antisemitischer Hasskriminalität in den offiziellen Statistiken

 25.11.2025