Herr Herzberg, Ihre Band »Pankow« hat kürzlich in Dresden nach 44 Jahren Bandgeschichte ihr Abschiedskonzert gegeben. War es wirklich das letzte Konzert?
Ich war der Sänger der Band über so viele Jahre, und sie hat sich von der Bühne verabschiedet. Was aber nicht heißt, dass ich als André Herzberg daneben nicht auch seit geraumen Jahren als Solokünstler arbeite, als solcher wieder ein neues Album machen werde und auch als Autor weiterarbeite. Ich liebe es, auf die Bühne zu gehen.
Sie waren als Rockmusiker den DDR-Oberen ein Dorn im Auge, konnten aber auch im Westen touren. Wie haben Sie Mauerfall und Wiedervereinigung erlebt?
Das waren sehr emotionale Zeiten mit großen Aufs und Abs, dramatisch. Ich bin kurz nach dem Mauerfall erst einmal in die USA gefahren. Weil ich spüren wollte, wie sich westlich vom Westen anfühlt. Das Ende der DDR bedeutete einen sagenhaften persönlichen Einschnitt für mich. Einmal als populärer Künstler der DDR und zum anderen als Kind meiner Eltern. Sie waren jüdische Kommunisten, und ich habe trotz aller Widersprüche mit ihnen, wenn man so will, bis zum bitteren Ende der DDR ausgeharrt. Und ab dann setzte eigentlich erst der richtige Nachdenkprozess ein, vor allem über meine eigene jüdische Identität.
Was bedeutet Ihnen der 3. Oktober, die Wiedervereinigung?
Na ja, das war nötig. Überfällig. Und? Ja, es war großes Glück. Credits für die Deutschen? Ganz sicher. Für mich war es das Glück, von nun an selbstbestimmter zu leben, mit hartem Geld und Reisepass ausgerüstet zu sein.
Sie sagten einmal: »Die DDR lässt einen nie ganz los« …
Die DDR war eine Diktatur, und jeder, der in dieser Diktatur gelebt hat, muss mit diesen Erfahrungen umgehen, weil man damit geboren wurde und kein anderes Leben kannte. Bei mir nur auf eine spezielle Weise, weil meine Eltern sehr darin verfangen waren. Dann kam ein wahnsinniger Bruch. Da musste man diese Freiheit neu lernen. Das sind vielleicht zwei dürre Sätze auf das große Thema. Wie ist es, Identität neu zu erfahren? Das ist ein schwieriger Lernprozess. Psychoanalytiker haben gesagt: Lernen oder Erfahrungen geht nicht ohne Trauer und ohne so ein Sich-in-sich-selbst-Zurückziehen. Das ist ein sehr, sehr schmerzhafter und langer Prozess für mich gewesen.
Auf dem Video der Tour »Bis zuletzt« sind auch frühere Aufnahmen von »Pankow« zu sehen. Im Songtext heißt es: »Es war der Traum von der Welt.« Ist er für Sie in Erfüllung gegangen?
Ja. Beruflich hatte ich natürlich bei alldem unheimlich viel Glück. Wir durften als Künstler sozusagen schon vorher aus der DDR raus und uns so ein bisschen in der Welt umtun. Unser kleines Stück vom Glück haben wir uns geholt.
Mit dem Musiker und Autor sprach Helmut Kuhn.