Amsterdam

Mehrere Verletzte nach Pogrom gegen israelische Fußballfans

Anhänger von Maccabi Tel Aviv und Ajax vor dem Spiel in Amsterdam Foto: picture alliance / ANP

Nach einem Fußballspiel zwischen Maccabi Tel Aviv und Ajax Amsterdam in der niederländischen Hauptstadt sind zahlreiche israelische Fans von Antisemiten gejagt und angegriffen worden. Drei der Israelis wurden israelischen Medien zufolge zunächst vermisst. Das Jerusalemer Außenministerium hat jedoch inzwischen wieder Kontakt zu diesen Personen.

»Wir sind aus dem Hinterhalt angegriffen worden«, berichteten Betroffene. Die offenbar vorwiegend muslimischen Angreifer sollen während einer regelrechten Jagd auf israelische Fans »Free Palestine!« geschrien haben.

Israelischen Medienberichten zufolge waren Mitarbeiter des israelischen Konsulats in Amsterdam am Morgen dabei dabei, die örtlichen Krankenhäuser nach Verletzten abzusuchen. Am frühen Nachmittag gaben die niederländischen Behörden bekannt, alle verletzten Opfer aus Israel seien aus den Krankenhäusern entlassen worden. Zunächst war von zehn, später von mindestens fünf Verletzten die Rede gewesen.

https://twitter.com/AhmadMansour__/status/1854800281743085758
Notverordnung in Amsterdam

Amsterdams Bürgemeisterin Femke Halsema kündigte für das Wochenende eine Notverordnung an. Demnach gilt in Amsterdam bis Sonntag ein Demonstrationsverbot, außerdem hat die Polizei die Befugnis, präventiv Menschen zu kontrollieren, jüdische Institutionen werden stärker geschützt und in der ganzen Stadt gilt ein Vermummungsverbot. »Amsterdam blickt auf eine pechschwarze Nacht zurück und auch heute ist es noch dunkel«, sagte Halsema bei einer Pressekonferenz am Freitag.

»Jungen auf Motorrollern fuhren kreuz und quer durch die Stadt, auf der Flucht vor der Polizei. Dass so etwas in Amsterdam passiert, ist unerträglich und unverdaulich«, sagte sie. »Unsere Stadt ist zutiefst beschädigt, unser jüdisches Leben und unsere Kultur sind bedroht«.

Oberstaatsanwalt René de Beukelaer, Bürgermeisterin Femke Halsema und der Polizeichef der Einheit Amsterdam-Amstelland, Peter Holla bei einer Pressekonferenz am FreitagFoto: picture alliance / ANP

Die Lage nach dem Spiel, das Ajax Amsterdam mit 5:0 gewann, beschreibt die Polizei so: »Ohne Zwischenfälle oder Störungen verließen die Anhänger beider Vereine nach dem Spiel das Stadion und gingen dann getrennte Wege.« Bis zu diesem Zeitpunkt war es also offenbar noch nicht zu den Szenen extremer Gewalt gekommen.

Weitere Videos zeigen Gruppen von Maccabi-Fans, die mutmaßlich die Liedzeile »Wir werden den arabischen Feind besiegen« singen und »Fuck you Palestine« skandieren. Mehrere Videos zeigen Maccabi-Fans, die Palästina-Flaggen von Wohnhäusern reißen. Die Clips sind wahrscheinlich authentisch.

IDF schickt Flugzeuge

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ordnete eine Rettung der Maccabi-Fans an, woraufhin die Streitkräfte (IDF) zwei Transportflugzeuge und zwei Maschinen mit Ärzten und medizinischem Material nach Amsterdam schickten.

Auch Fluglinien schickten Flugzeuge. Die Chefrabbiner Israels erteilten den IDF und El Al die Erlaubnis, auch am Schabbat zu fliegen, um Israelis aus Amsterdam zu retten. Am Freitag um 14:00 Uhr MEZ sollte ein erster Rettungsflug in Richtung Tel Aviv abheben. Notfalls würden Israelis auch ohne Reisepässe mitgenommen, hieß es.

In Netanjahus Büro war von einem »entsetzlichen, ernsten Vorfall« die Rede, den der Ministerpräsident genau beobachte. Er forderte die niederländische Regierung auf, dafür zu Sorgen, dass die Sicherheitskräfte »energisch und schnell gegen die Randalierer vorgehen«.

Am frühen Freitagmorgen sprach Netanjahu mit seinem niederländischen Amtskollegen Dick Schoof. Ihm gegenüber forderte er auch mehr Sicherheit für die jüdische Gemeinde in den Niederlanden.

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Fan war seit Stunden vermisst

Premierminister Schoof erklärte auf X, er habe die Nachrichten aus Amsterdam »mit Entsetzen« verfolgt. Das Verhalten der Angreifer sei »völlig inakzeptabel«.

Nach den Attacken reiste Israels neuer Außenminister Gideon Saar kurzfristig in die Niederlande. Er wolle hochrangige Vertreter der niederländischen Regierung treffen, darunter seinen Amtskollegen, teilte das israelische Außenministerium mit. Saar werde dabei die Bedeutung des Kampfes gegen Antisemitismus betonen. Den Angaben nach wollte sich der israelische Außenminister auch mit Mitgliedern der jüdischen Gemeinde vor Ort treffen.

Den niederländischen Behörden zufolge beruhigte sich die Lage am frühen Morgen. Sowohl sie, als auch die israelische Regierung hatten die israelischen Fußballfans am Abend aufgerufen, sich in ihren Hotels in Sicherheit zu bringen. Videos zeigen aber auch, wie eine Gruppe von Männern in ein Hotel einbrach, augenscheinlich auf der Suche nach israelischen Fans.

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Einer der Vermissten war Guy Avidor. Der 33-Jährige war aus London nach Amsterdam gereist, um das Spiel vor Ort verfolgen zu können. Seine Familie bat die Öffentlichkeit in den Niederlanden um Hilfe, nachdem er 10 Stunden lang nicht mehr erreichbar gewesen war.

Zahlreiche Festnahmen

Die Amsterdamer Polizei nahm über 60 Angreifer fest. Am frühen Nachmittag befanden sich zehn Verdächtige weiterhin in Polizeigewahrsam.

Laut einem Bericht der israelischen Zeitung »Maariv« kam es zu einer versuchten Entführung eines israelischen Fans. Videos in sozialen Medien zeigten, wie die Opfer der Übergriffe geschlagen wurden. Einige von ihnen sollen mit Messern angegriffen worden sein. Eine bewusstlos am Boden liegende Person wurde von Angreifern getreten.

Viele der bedrohten Israelis versuchten, sich weiteren Medienberichten zufolge in Geschäften und anderen Gebäuden in Sicherheit zu bringen. Andere sprangen zu ihrem Schutz in Kanäle. Auch das Konsulat war daran beteiligt, israelische Fußballfans an sichere Orte zu bringen.

https://twitter.com/IsraelinGermany/status/1854788595896197469
Offizielle Warnung

Unterdessen veröffentlichte der Nationale Sicherheitsrat Israels eine offizielle Warnung an Israelis und Juden in den Niederlanden. Darin hieß es: »Vermeiden Sie Bewegungen auf der Straße und schließen Sie sich in Hotelzimmern ein. Die Verwendung von israelischen und jüdischen Symbolen muss vermieden werden.«

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) kommentierte die Übergriffe am Nachmittag. »Die Bilder aus Amsterdam sind furchtbar und für uns in Europa zutiefst beschämend«, erklärte sie auf X.. »Der Ausbruch solcher Gewalt gegenüber Juden überschreitet alle Grenzen. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Jüdinnen und Juden müssen in Europa sicher sein.«

Auch der Jüdische Weltkongress (WJC) verurteilte die Attacken der Judenhasser auf Israelis in Amsterdam. »Diese unprovozierte Gewalt, die zu schweren Verletzungen und Berichten über vermisste Personen führte, hat nicht nur die israelische und die niederländische jüdische Gemeinde erschüttert, sondern unterstreicht auch das globale Wiederaufleben des Antisemitismus, der sich in allen Gesellschaften weltweit ausbreitet«, erklärte die Organisation von New York aus.

Volle Härte des Gesetzes

Der WJC sprach den niederländischen Behörden Anerkennung dafür aus, »dass sie die Schwere dieses Angriffs erkannt haben und sich rasch für die Verfolgung der Gerechtigkeit einsetzen.« Zugleich forderte er sie auf, »nicht nur die Täter mit der vollen Härte des Gesetzes zu verfolgen, sondern auch die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken, um eine Eskalation zu verhindern.«

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Am Vormittag veröffentlichten der Oberabbiner der Niederlande, Binyomin Jacobs, die Präsidentin der jüdischen Dachorganisation IPOR, Ellen van Praagh, und Rabbiner Menachem Margolin von der European Jewish Association eine Erklärung . »Wacht auf! Ein Krebsgeschwür des Judenhasses plagt den Kontinent!«, heißt es darin.

Von heute an könne es beim Thema Judenhass kein »Weiter so« mehr geben. »Wir sind schockiert, aber keinesfalls überrascht.« Von ekelhaften Szenen« in Amsterdam ist in der Erklärung die Rede. Nicht Hooligans seien für die Angriffe verantwortlich. Vielmehr sei Judenhass das einzige Motiv der Täter gewesen.

Proaktives Vorgehen

Die Unterzeichner begrüßten die Verurteilung der Angriffe durch die Regierung in Rotterdam, forderten aber ein proaktives Vorgehen deren Vertreter gegen den Antisemitismus in den Niederlanden.

Ruben Vis, Geschäftsführer der Nederlands Israëlitisch Kerkgenootschap, dem niederländischen Verband aschkenasischer Gemeinden, sagte der Jüdischen Allgemeinen: »Wir haben gestern an die Pogromnacht von 1938 erinnert und strengere Maßnahmen zum Schutz von Jüdinnen und Juden  gefordert – und in der selben Nacht passiert so etwas. Das ist sehr verstörend.«

Im Vorfeld gewarnt

Am frühen Nachmittag wurde derweil bekannt, dass niederländische Sicherheitskräfte vor den Attacken auf Israelis gewarnt wurden. Israels Diaspora-Ministerium habe vorab über Pläne Bescheid gewusst, einen bestimmten israelischen Fan zu verletzen, der für den israelischen Grenzschutz arbeiten soll, meldeten israelische Medien.

Gleiches gelte für einen geplanten Angriff auf ein Hotel, in dem israelische Fußballanhänger übernachtet haben. Die niederländischen Behörden seien auch darüber informiert worden.

Zudem rechnete das Diaspora-Ministerium den Berichten zufolge auch mit einem gewalttätigen Protest vor Beginn des Fußballspiels vor der Johan-Cruijff-Arena, den die Stadtverwaltung eigentlich verboten hatte. Auch diese Erkenntnis sei mit den Niederlanden geteilt worden. (mit dpa)

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