Herr Goertz, Sie waren im Vorstand des Berliner Landesverbandes der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Doch der Bundesverband hat Sie und den gesamten Berliner Vorstand hinausgeworfen. Wie kam es so weit?
Nach meiner Ansicht bin ich auch immer noch Mitglied, weil ich den Beschluss des »BundessprecherInnenkreises« für nicht rechtsgültig halte. Aber zu Ihrer Frage: Zu dem Zerwürfnis kam es infolge des Hamas-Überfalls auf Israel am 7. Oktober 2023. In ihrer Stellungnahme dazu schaffte es die DFG-VK nicht, das Ereignis als das zu bezeichnen, was es war: antisemitischer Terror. Wir vom Berliner Verband haben das kritisiert und von da an gab es den Konflikt zwischen uns und der Bundesebene.
Wie kam es schließlich zur Eskalation?
Zum einen gab es einen Beschluss des Verbands zum israelischen Pager-Angriff auf die Hisbollah im September 2024, in dem dieser als »Terrorangriff« bezeichnet und die Behauptung aufgestellt wurde, Israel habe damit gezielt Kinder treffen wollen. Dafür gibt es jedoch keinerlei Belege und das Narrativ, das dadurch verbreitet wird, ist klar antisemitisch. Neben dem Berliner Verband hat das nur noch eine Handvoll weiterer Mitglieder anderer Landesverbände kritisiert und so wurde der Beschluss mit großer Mehrheit angenommen.
Und zum anderen?
Die DFG-VK hat sich dem Bündnis »Gerechter Frieden« angeschlossen, bei dem zum Beispiel auch Amnesty International und Pax Christi mitmachen. Auch das haben wir im Berliner Verband abgelehnt, weil das Bündnis die Schuld an der Situation in Gaza allein Israel zuschiebt und die Verantwortung der Hamas komplett ausklammert. Israel wird dadurch dämonisiert, was eine seriöse Friedensorganisation eigentlich ablehnen sollte. Doch unsere Kritik hat kein Gehör gefunden. Als im Februar dieses Jahres erneut eine Demonstration des Bündnisses unter Beteiligung der DFG-VK anstand, haben wir eine detaillierte Stellungnahme mit unseren Kritikpunkten dazu veröffentlicht und eine Gegenkundgebung organisiert. Der BundessprecherInnenkreis hat uns daraufhin verbandsschädigendes Verhalten vorgeworfen und uns aus dem Verein ausgeschlossen.
»Ich will die Friedensbewegung nicht Leuten überlassen, die problematische politische Positionen haben.«
keno goertz
Wie verteidigen Sie sich gegen den Vorwurf der Verbandsschädigung? Immerhin haben Sie eine Kundgebung organisiert, die auch gegen Ihren eigenen Verein gerichtet war.
Meiner Meinung nach ist das eigentlich Verbandsschädigende die Teilnahme am Bündnis »Gerechter Frieden«. Die DFG-VK sollte den Anspruch haben, politisch sinnvolle Positionen zu vertreten. Die findet man in diesem Bündnis aber nicht. Stattdessen herrschen dort Positionen vor, die Antisemitismus und Israelhass Tür und Tor öffnen. Ein Zweck der DFG-VK ist es, gegen alle Kriegsursachen vorzugehen, und im Fall des Gazakrieges ist die Kriegsursache nun mal der Antisemitismus der Hamas. Wenn wir kritisieren, dass die DFG-VK hier ihrem Anspruch nicht gerecht wird, dann ist das nicht verbandsschädigend, sondern selbstverständlicher Teil eines demokratischen Prozesses.
Der Graben zwischen Berliner und Bundesverband scheint kaum überbrückbar. Warum sind Sie nicht von sich aus ausgetreten?
Frieden ist mein Herzensthema. Für mich ist es schrecklich mitanzusehen, wie sich internationale Konflikte zuspitzen oder wie in Deutschland die Militarisierung vorangeht. Dagegen möchte ich etwas tun. Genau deshalb will ich die Friedensbewegung auch nicht Leuten überlassen, die politische Positionen haben, die ich falsch und problematisch finde.
Ihren Rauswurf aus der DFG-VK erkennen Sie nicht an. Wie gehen Sie und die anderen ausgeschlossenen Mitglieder nun dagegen vor?
Das Vorgehen des BundessprecherInnenkreises ist eindeutig unzulässig. Der ist nämlich laut der Satzung DFG-VK gar nicht für Ausschlüsse zuständig, außer in dringlichen Fällen. Und eine Dringlichkeit konnte für unseren Rauswurf nicht ausreichend belegt werden. Außerdem geht der BundessprecherInnenkreis davon aus, dass unsere Mitgliedsrechte sofort nach Ausschluss erloschen seien. Aber auch das stimmt nicht. Wir werden daher eine Feststellungsklage einreichen, dass der Ausschluss rechtswidrig war. Die Erfolgsaussichten sind unserer Einschätzung nach sehr hoch.
Mit dem Berliner Friedensaktivisten sprach Joshua Schultheis.