Palästinensische Schulbücher

Die EU-Studie liegt vor

Lange wurde der Bericht von der EU unter Verschluss gehalten – jetzt liegt er vor. Foto: Screenshot

Nach mehr als zwei Jahren hitziger Diskussionen hat die Europäische Kommission am vergangenen Freitag den Bericht des Braunschweiger Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung (GEI) über problematische Inhalte in palästinensischen Schulbüchern vorgelegt. Seit Jahren werden immer wieder Beispiele bekannt, in denen in Unterrichtsmaterialien der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zum Hass gegen Israel aufgerufen und Terroristen als Widerstandskämpfer dargestellt werden. 2019 hatte die damalige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini die Untersuchung in Auftrag gegeben.

PRESSEKONFERENZ Insgesamt 172 Schulbücher und Lehrpläne an allgemeinbildenden Schulen wurden im Rahmen des von der EU geförderten Projekts analysiert. Grundlage waren dem Institut zufolge von der UNESCO definierte Kriterien. 

Doch wer geglaubt hatte, dass mit der Veröffentlichung des Abschlussberichts die Debatte in ruhigeres Fahrwasser kommen würde, sah sich am Montag eines Besseren belehrt. In der mittäglichen Pressekonferenz der Kommission las Sprecherin Ana Pisonero ein ungewöhnlich ausführliches Statement vor. Darin war für alle, Kritiker und Verteidiger der Palästinenser, etwas enthalten.

In der Sache aber wiederholte sie die dem 190-Seiten langen Bericht vorangestellte Zusammenfassung des Instituts. Die wirkt beim Lesen wesentlich positiver als einige Passagen in dem Bericht selbst.

STANDARDS Ziel der Studie sei es gewesen, anhand einer Stichprobe von Schulbüchern eine »kritische, umfassende und objektive Grundlage für den politischen Dialog mit der PA im Bildungsbereich zu liefern«, so Pisonero. Die überprüften Schulbücher hielten sich »weitgehend« an die UNESCO-Standards und entsprächen den im internationalen Bildungsdiskurs vorherrschenden Kriterien –»einschließlich einer starken Betonung der Menschenrechte.« So steht es wortwörtlich im GEI-Rapport.

Dagegen unterschlug die Kommissionssprecherin eine Passage in der Zusammenfassung zwei Sätze später, in der es heißt: »Die Lehrbücher betonen die Bedeutung der Menschenrechte im Allgemeinen und heben an mehreren Stellen explizit die Universalität dieser Rechte hervor. […] Dieser universelle Gedanke führt allerdings nicht zu einer Diskussion über die Rechte von Israelis.« Die palästinensischen Schulbücher spiegelten ein klares »Narrativ des Widerstands« wider und legten »einen Antagonismus gegenüber Israel« an den Tag.

Allerdings, fügte Pisonero an, fühle die Europäische Union sich auch künftig verpflichtet, der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah beim Aufbau der Institutionen eines »demokratischen, lebensfähigen und unabhängigen Staates zu unterstützen«. Ein solcher müsse aber »die Menschenrechte achten und Seite an Seite mit Israel in Frieden und Sicherheit lebt.«

REFORMEN Man habe einen »konkreten Fahrplan« für den Dialog mit den Palästinensern aufgestellt. Diese müssten »die höchsten Standards bei der Förderung einer Kultur des Friedens und der Koexistenz gewährleisten« und »sicherzustellen, dass bei der weiteren Reform der Lehrpläne die problematischen Punkte so schnell wie möglich angegangen werden und dass die Palästinensische Autonomiebehörde die Verantwortung für eine Überprüfung der in der Studie nicht analysierten Lehrbücher übernimmt.«

Die Palästinensische Autonomiebehörde trage die volle Verantwortung für die Anwendung der UNESCO-Standards, so Pisonero, und seitens der EU habe man »absolut keine Toleranz für Aufstachelung zu Hass, den Einsatz von Gewalt zur Erreichung politischer Ziele und für Antisemitismus in all seinen Formen.«

Einige der untersuchten Schulbücher nahmen es mit diesem Postulat aber nicht ganz so genau. So heißt in einem Text: »Unsere palästinensische Geschichte ist voll von vielen Namen von Märtyrern,  die ihr Leben für das Heimatland geopfert haben, darunter die Märtyrerin Dalal Mughrabi, deren Kampf die Form von Trotz und Heldentum annahm, was ihr Andenken in unseren Herzen und Köpfen unsterblich macht. Und der vorliegende Text spricht über einen Aspekt ihres Kampfes.«

TERRORANSCHLAG Mughrabi war Mitorganisatorin des als Küstenstraßen-Anschlag bezeichneten Terrorangriffs der Fatah im März 1978 bezeichnet, bei dem 38 Israelis – 13 davon Kinder – ermordet und weitere 76 Zivilisten verletzt wurden. Der Anchlag war bis dahin der tödlichste Attentat in der Geschichte Israels. Die 19-jährige Mughrabi kam dabei zusammen mit acht anderen Terroristen ums Leben. Während sie seitdem von vielen Palästinensern als junge Heldin verehrt wird,

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Auf die von EU-Parlamentariern und jüdischen Organisation erhobene Forderung nach einer Kürzung von EU-Geldern für die Palästinenser ging Kommissionssprecherin Pisonero nicht näher ein. Sie sagte nur so viel: »Die EU finanziert keine palästinensischen Schulbücher.« Das ist streng genommen richtig. Dennoch gehört die EU zu den größten Geldgebern der PA mit Summen im dreistelligen Millionenbereich und unterstützt so auch den Bildungsbereich.

Für den deutschen Europaabgeordneten Niclas Herbst, Teil einer 22-köpfigen Gruppe von Parlamentariern, die sich vor Kurzem für finanzielle Sanktionen Brüssels gegen die Palästinenser ausgesprochen hatten, ist die Kommission in der Vergangenheit bei der Verwendung dieser Gelder zu lax vorgegangen.

»Die Ergebnisse der Studie sind ein Beleg, dass wir mit unserem Ansatz, fünf Prozent der EU-Haushaltsmittel für (das UN-Hilfswerk) UNWRA in die Reserve zu stellen, auf dem richtigen Weg sind. Wir werden einen entsprechenden Antrag für das Haushaltsverfahren 2022 erneut einbringen. Wir erwarten von der Kommission, dass sie die erkannten Defizite mit Nachdruck bei der Palästinensischen Autonomiebehörde vorbringt und löst«, sagte der CDU-Politiker und stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Europaparlament dieser Zeitung.

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Bei einer Veranstaltung des Münchner Instituts für Glaubensfreiheit und Sicherheit in Europa (IFFSE) vergangene Woche hatte die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier gefordert, dass die EU dafür zu sorgen habe, dass die Finanzmittel auch Frieden und Toleranz in den Schulen förderten.

»Es muss sichergestellt werden, dass Dritte Unionsmittel nur für Schulbücher und Lehrmaterial verwenden, die unsere gemeinsame Werte widerspiegeln und die UNESCO-Standards zur Förderung von Frieden, Toleranz und Koexistenz in der Schulbildung vollständig einhalten.« Das Lehren von Toleranz müsse Priorität sein für alle europäische Regierungen. Niemand dürfe es zulassen, diese »lebenswichtige Aufgabe in Drittländer auszulagern«, so Hohlmeier.

Bereits Anfang des Monats war die GEI-Studie an einige Medien durchgesickert. Die BILD-Zeitung hatte als Erste ausführlich daraus zitiert. Doch es dauerte noch zwei Wochen, bis sich die EU-Kommission am Freitag dazu durchrang, den Bericht zu veröffentlichen. 22 EU-Parlamentarier an die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, geschickt hat, und sie aufgefordert, Fördergeldern solange zurückzuhalten, bis der Antisemitismus in den Schulbüchern aufhöre.

REAKTIONEN Der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck sprach von einer »Verharmlosungsbegutachtung«. Auch der Geschäftsführer der schwedischen NGO IMPACT-se, Marcus Sheff, bezeichnete den GEI-Bericht als »zutiefst fehlerhaft«.

Immerhin, so Sheff, sei nunmehr aber nachgewiesen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde »jeden Schultag systematisch über eine Million Kinder zu Antisemitismus, Hass und Gewalt anstiftet.« Die entscheidende Frage sei: »Wird die EU endlich Maßnahmen ergreifen, um die Finanzierung der Palästinensischen Autonomiebehörde von Reformen des Lehrplans abhängig zu machen, so, wie es das Europäische Parlament gefordert hat?«

Am Montagabend meldete sich dann der zuständige EU-Kommissar Olivér Várhelyi noch zu Wort. Man werde sowohl mit der PA als auch mit den Verantwortlichen der UNRWA in Gaza reden, versprach er auf Twitter. Die UNESCO-Standards für eine Erziehung zum Frieden, zu Toleranz und Koexistenz sowie zur Ablehnung von Gewalt müssten auch in palästinensischen Schulbüchern beachtet werden. Die UNESCO in Paris hat sich bislang noch nicht zu der Studie geäußert.

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