Der Hamburger Beauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Stefan Hensel, hat nach vier Jahren Amtszeit seinen Rücktritt angekündigt. Er fühle er sich von der Politik zunehmend alleingelassen und sehe für sich und viele andere Juden in Deutschland kaum noch Schutz, erklärte er im Gespräch mit der »Welt«.
»Ich kann mich in weiten Teilen Deutschlands als Jude nicht frei bewegen«, sagte Hensel. Er erlebe einen massiven Anstieg von Hass und Anfeindungen, besonders seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023. Inzwischen hätten viele jüdische Familien das Vertrauen in die deutsche Gesellschaft verloren. »Kinder werden in der Schule gemobbt, nur weil sie Juden sind. Menschen ziehen sich zurück, weil sie sich in ihrem Umfeld nicht mehr sicher fühlen«, so Hensel.
Der 45-Jährige, der das Ehrenamt seit 2021 innehatte, beklagt, dass auch der politische Rückhalt weitgehend verschwunden sei. »Seit dem 7. Oktober hat die Unterstützung im Engagement gegen Antisemitismus massiv abgenommen«, sagte er. Besonders enttäuschend sei, dass in Hamburg Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag des Hamas-Massakers ausschließlich von jüdischer Seite organisiert werden mussten – ohne Beteiligung der Stadt.
Ursache und Wirkung
Hensel berichtete zudem von persönlichen Bedrohungen. Im Mai war er Opfer eines antisemitischen Angriffs geworden, als ihn ein Autofahrer von der Straße drängte und beschimpfte. »Mit dieser Situation hat mich die Politik ziemlich allein gelassen«, sagte er. Auch gegen regelmäßige Online-Hassattacken müsse er weitgehend selbst vorgehen.
Kritisch äußerte sich Hensel über das gesellschaftliche Klima: »Wir haben heute einen Konsens, der in Nahost nicht mehr Ursache und Wirkung unterscheidet.« Das gesamte politische Spektrum habe, so seine Einschätzung, eine »andere Präferenz« gewählt. Die zunehmende Emotionalisierung und Fehlinformation über Israel trage dazu bei, dass antisemitische Ressentiments in Deutschland wieder salonfähig würden.
Besonders gefährlich sei die Lage für Juden im öffentlichen Raum. »Die Davidsterne sind eingepackt, die Kippa unter dem Basecap verschwunden, weil es sonst gefährlich wird«, sagte Hensel. Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft hätten inzwischen »einen Plan B« – also konkrete Überlegungen, Deutschland zu verlassen.
Mit seinem Rückzug zieht Hensel ein bitteres Fazit: Das Sicherheitsversprechen, das Deutschland jüdischen Bürgern gegeben habe, werde zunehmend gebrochen. »Viele meiner Freunde haben das Gefühl, dieses Versprechen ist seit dem 7. Oktober 2023 dabei, aufgekündigt zu werden.« im