Parlament

»Daher muss die Zukunft uns beiden gehören«

Isaac Herzog am Rednerpult Foto: picture alliance/dpa

Ich möchte heute, als Präsident des Staates Israel, des Staates des jüdischen Volkes, meine Ansprache an Sie mit dem Jiskor-Gebet eröffnen, das ich dem seligen Andenken unserer Brüder und Schwestern widme, die von den Nazis und ihren Helfern getötet, niedergemetzelt, vernichtet wurden. […]

Deutschland war während Hunderten und Tausenden von Jahren eine prächtige Heimstatt für unser Volk, eine gemütliche Heimstatt, gut und schöpferisch, eine Heimstatt, in der sich das Judentum in seiner Vielfalt entwickelte: in Religion, Kultur, Geist, Politik, Wissenschaft und vielen anderen Bereichen. In Deutschland gediehen die führenden Rabbiner, die zu den bedeutendsten und einflussreichsten in der Geschichte unseres Volkes gehören. Hier entwickelte sich die Persönlichkeit von Rabbiner Schlomo Yitzchak, genannt Raschi, er gilt als der bedeutendste Kommentator von Bibel und Talmud. […]

Deutschland war während Hunderten und Tausenden von Jahren eine prächtige Heimstatt für unser Volk.

Deutschland war die Heimat herausragender Persönlichkeiten im Bereich der jüdischen Kultur, des jüdischen Geistes, der jüdischen Wissenschaft, wie Moses Mendelssohn und Abraham Geiger bis zu Jom Tov Lippmann Zunz und Gershom Scholem; von Albert Einstein und Paul Ehrlich bis Emmy Noether; von Berthold Auerbach und Kurt Weill bis Else Lasker-Schüler.

Aber, und das ist kein Geheimnis, dieses Land – Deutschland – war der Ort, an dem die größten Gräueltaten verübt wurden, die das jüdische Volk und die gesamte Menschheit im Laufe der Geschichte zu erdulden hatten. Angefangen von Pogromen, Aufständen und Massakern, Zerstörung ganzer jüdischer Gemeinden, die in den vergangenen Jahrtausenden immer wieder auftraten, bis zum tiefsten Abgrund der Geschichte des menschlichen Zusammenlebens: der Schoa. […]

Die Vergangenheit kann man nicht überbrücken, die Zukunft jedoch gehört uns. Sie bringt eine große Verantwortung mit sich, daher muss sie uns beiden gehören, uns und Ihnen, denn nur so, nur gemeinsam, können wir dem Gedenken Bedeutung verleihen. […]

Die Geschichte verbindet das jüdische Volk und den Staat Israel auf unabdingbare Art und Weise mit dem deutschen Volk. Eine Verbindung des Gedenkens, der Bedeutung, die auf den Ebenen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft ihren Ausdruck finden muss.

Auf der Ebene der Vergangenheit: Wir müssen die Schoa lehren und erlernen, weiterhin ohne Einschränkungen und Furcht erforschen, die Wirklichkeit schonungslos betrachten und mit allen Kräften gegen die Holocaust-Leugnung ankämpfen. […]

Es ist unsere Aufgabe, unsere Partnerschaft zur Erreichung einer strahlenden Zukunft weiter zu vertiefen

Auf der Ebene der Gegenwart: Die Hauptaufgabe, die uns tagtäglich von morgens bis abends verpflichtet, ist es, die hassverbreitenden Stimmen nicht zu ignorieren, seien sie im Netz, in den sozialen Netzwerken, auf der Straße oder in den politischen Machtzentren. Wir müssen Antisemitismus und Rassismus den Kampf ansagen: entschieden, eindeutig, kompromisslos. […]

Auf der Ebene der Zukunft bin ich der Meinung, dass die uns auferlegte Pflicht auch ein wirkliches Privileg bedeutet. Die Partnerschaft zwischen Israel und Deutschland ist in der ganzen Welt bekannt. Es ist unsere Aufgabe, sie zur Erreichung einer strahlenden Zukunft weiter zu vertiefen, zu entwickeln, nicht nur für unsere Länder, sondern für die ganze Welt. […]

Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere gemeinsamen Werte und die tiefe Freundschaft zwischen unseren Ländern beitragen werden zur Festigung unserer Freundschaft, unserer Partnerschaft, zur Fortsetzung des Weges, den Israel und Deutschland gemeinsam beschreiten, Seite an Seite, Hand in Hand, auf eine erfolgreiche, hoffnungsträchtige Zukunft hin.

Sydney

Jüdische Organisationen prangern »Geißel« Antisemitismus an

Im Fokus steht dieses Mal Australien. Es ist Gastgeber einer Konferenz der internationalen jüdischen Initiative »J7«. Sie stellt Zahlen zu Judenhass auf dem Kontinent vor - und spricht von historischen Höchstständen

von Leticia Witte  02.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  02.12.2025 Aktualisiert

Philosophie

Hannah Arendt und die Freiheit des Denkens

Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts waren ihr Lebensthema. Sie sah ihre Aufgabe als politische Denkerin darin, die Welt und die Menschen zu verstehen. Die politische Theoretikerin starb vor 50 Jahren

von Jürgen Prause  02.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 02.12.2025 Aktualisiert

Interview

»Die Altersarmut bleibt«

Aron Schuster über das Ende des Härtefallfonds, Einmalzahlungen und Gerechtigkeit für jüdische Rentner

von Mascha Malburg  02.12.2025

Meinung

Die neue AfD-Jugendpartei ist kein bisschen weniger extrem

Die »Junge Alternative« wurde durch die »Generation Deutschland« abgelöst. Doch die Neuordnung der AfD-Jugendorganisation diente keineswegs ihrer Entradikalisierung

von Ruben Gerczikow  02.12.2025

Berlin

Zentrum für Politische Schönheit errichtet »Walter Lübcke Memorial« vor CDU-Zentrale

Am Freitag soll außerdem eine Gedenkveranstaltung mit Michel Friedman durchgeführt werden

 02.12.2025

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin

Steinmeier erinnert an Stiftungsgründung für NS-Zwangsarbeiter

Im Jahr 2000 gründeten die deutsche Wirtschaft und der Bund nach langem Vorlauf die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Millionen NS-Opfer erhielten zumindest einen symbolischen Betrag

 02.12.2025