Verfassungsschutzbericht

»Beunruhigend und alarmierend. Wir müssen wachsam sein«

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: Thomas Lohnes/Zentralrat der Juden

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat mit Sorge auf die Ergebnisse des Verfassungsschutzbericht 2019 reagiert, den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Donnerstag in Berlin vorgestellt haben.

»Im vergangenen Jahr hat der Antisemitismus erneut zugenommen. 1844 rechtsextremistisch motivierte antisemitische Straftaten – das entspricht einem Anstieg um 17 Prozent! Dieses Ergebnis des Verfassungsschutzberichts ist äußerst beunruhigend«, betonte Zentralratspräsident Josef Schuster.

»Die gesamte Gesellschaft aufgefordert, Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus die rote Karte zu zeigen.«.

Zentralratspräsident Josef Schuster

»2019 haben uns insbesondere die rechtsextremistischen Attentate auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die Synagoge in Halle erschüttert«, sagte Schuster. Auch die Morde in Hanau vor wenigen Monaten seien alarmierend gewesen. »Die Sicherheitsbehörden müssen wachsam sein. Ebenso ist die gesamte Gesellschaft aufgefordert, Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus die rote Karte zu zeigen«, forderte der Zentralratspräsident.

STATISTIK Laut neuem Verfassungsschutzbericht stieg die Zahl der als rechtsextremistisch eingeschätzten Personen auf 32.080. Im Vorjahr waren es noch 24.100.

Als gewaltbereit stufte der Verfassungsschutz 13.000 Rechtsextremisten ein – 300 mehr als ein Jahr zuvor. Seehofer betonte, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nähmen weiter zu. Das sei die «größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland».

Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nähmen weiter zu. Das sei die «größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland.«

Bundesinnenminister Horst Seehofer

Laut Verfassungsschutzbericht stieg die Anzahl rechtsextremistischer Straftaten um 9,7 Prozent auf mehr als 21.000. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ging zwar um knapp 15 Prozent auf rund 900 zurück – allerdings gab es dabei fünf versuchte Tötungsdelikte und zwei vollendete: den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 und den versuchten Anschlag auf eine Synagoge in Halle, bei dem der Täter zwei Menschen erschoss, die zufällig seinen Weg querten. 2018 registrierte der Verfassungsschutz sechs versuchte Tötungsdelikte.

HALLE Haldenwang äußerte sich besorgt, über die «gestiegene Gewaltbereitschaft in nahezu allen Phänomenbereichen». Die Hemmschwelle sinke kontinuierlich, betonte er.

«Ich spreche von Rechtsextremisten, die Politiker hinrichten und ein Blutbad in einer Synagoge anrichten wollen. Ich spreche von den neuen Rechten, die bestimmten Personengruppen ihre Menschenwürde absprechen und Gewalt gegen sie legitimieren. Ich spreche von Linksextremisten, die einen auf dem Boden liegenden Polizisten fast zu Tode treten und eine Immobilienmaklerin in ihrer Wohnung brutal zusammenschlagen», fügte er mit Blick auf Angriffe in Leipzig hinzu: «Und ich spreche von Islamisten, die ihren Wunsch, ein Massaker in Deutschland zu verüben, längst nicht aufgegeben haben.»

Der Verfassungsschutz berichtete auch über E-Mails mit Bombendrohungen gegen Gerichte, kommunale Einrichtungen und Landespolitiker in ganz Deutschland.

Mit Blick auf rechtsextremistisch motivierte Mordanschläge sagte er, «fürchterliche Ereignisse» wie der Lübcke-Mord oder die versuchte Tötung eines Eritreers im hessischen Wächtersbach seien nur die Spitze einer Gefahr, die um sich greife. 2020 habe die rechtsextreme Gewalt ihren vorläufigen Höhepunkt in Hanau erreicht, wo ein Rechtsextremist zehn Menschen getötet habe. Es sei notwendig, «den regelrechten Wettbewerb» in der rechtsextremistischen Szene zu durchbrechen um den Anschlag mit der höchsten Opferzahl - den Extremisten gehe es um einen «High Score» an Toten.

ANONYM Der Verfassungsschutz berichtete auch über E-Mails mit Bombendrohungen gegen Gerichte, kommunale Einrichtungen und Landespolitiker in ganz Deutschland. Erst am Donnerstag bestätigte ein Linksfraktionssprecher in Hessen, dass die Fraktionschefin im Landtag, Janine Wissler, erneut zwei anonyme Mails mit Morddrohungen aus offenbar rechtsextremistischen Kreisen bekommen hat.

Der Verfassungsschutz berichtete auch über einen Anstieg linksextremistisch motivierter Straftaten um 39,5 Prozent auf rund 6449. Hier wird von 9200 Gewaltbereiten ausgegangen. Die Zahl der Islamisten sei um rund 5,5 Prozent auf gut 28.000 Personen gestiegen. ja/epd

Meinung

Nur zweite Wahl?

Man muss den neuen Kanzler nicht mögen. Aber eine Chance geben sollte man ihm schon. Mit Heckenschützenmentalität und verantwortungsloser Lust am Zündeln haben einige Parlamentarier mutwillig den guten Ruf unseres Landes aufs Spiel gesetzt

 06.05.2025

Nahost

Trump verkündet überraschend Huthi-Kapitulation

Während Israel als Reaktion auf den jemenitischen Dauerbeschuss Huthi-Ziele bombardiert, überrascht US-Präsident Donald Trump mit einer Ankündigung: Die Miliz hätte kapituliert. Was das genau bedeutet, bleibt zunächst völlig unklar

 06.05.2025

Berlin

Merz: »Israel macht uns allergrößte Sorgen«

Noch am kommenden Wochenende soll der neue Außenminister Wadephul nach Israel reisen. Der neue deutsche Kanzler sendet schon jetzt eine klare Nachricht nach Jerusalem

 06.05.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  06.05.2025

8. Mai

Deutschland braucht noch Zeit

Auch 80 Jahre nach dem Ende der NS-Herrschaft sind entscheidende Fragen umstritten: Wer wurde befreit, von wem genau, und was folgt daraus? Ein Gesprächsangebot

von Igor Matviyets  06.05.2025

Essay

Bitburg 1985: Plötzlich waren wieder die Juden schuld

Maram Stern über eine Zeit, als in Deutschland schon einmal versucht wurde, einen Schlussstrich zu ziehen

von Maram Stern  06.05.2025

Studie

Bildungsstätte Anne Frank: NS-Geschichte wird im Netz zum Spiel

Dabei würden falsche Darstellungen und antisemitische Klischees verbreitet

 06.05.2025

Kanzlerwahl

So reagiert das Ausland auf die Wahl-Niederlage im ersten Durchgang von Friedrich Merz

Die Niederlage von Friedrich Merz im ersten Wahlgang überrascht auch die internationalen Medien.

 06.05.2025

Presseschau

»Drama beGermania«: Wie israelische Medien auf die Kanzlerwahl blicken

Auch in Israel wird der Krimi um die im ersten Gang gescheiterte Wahl von Friedrich Merz mit Interesse verfolgt. Ein Überblick

 06.05.2025