Hamburg

Befragung: Drei von vier Juden erleben Antisemitismus

Philipp Stricharz (r), 1. Vorsitzender Jüdische Gemeinde in Hamburg, spricht neben Stefan Hensel (M), Antisemitismusbeauftragter Hamburg, und Katharina Fegebank (Bündnis 90/Die Grünen), Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung, während der Vorstellung der Ergebnisse der Dunkelfeldstudie zu Antisemitismus im Konferenzraum der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Foto: picture alliance/dpa

Ein großer Teil der Jüdinnen und Juden in Hamburg hat in jüngster Zeit antisemitische Vorfälle erlebt. Das ist das Ergebnis einer Studie zum Thema Antisemitismus. Demnach waren in den zwölf Monaten vor der Erhebung 77 Prozent der Befragten von antisemitischen Vorfällen betroffen. Und mehr als die Hälfte dieser Vorfälle (55 Prozent) könnte auch strafrechtlich relevant sein.

Dabei wurden Beleidigungen und Bedrohungen online und auch außerhalb des Internets häufiger angegeben als körperliche Übergriffe, Belästigung oder Verfolgung. Die meisten Vorfälle (80 Prozent) waren der Polizei nicht bekannt, da sie nicht angezeigt wurden.

Das Projekt wurde von Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) und dem Antisemitismusbeauftragen Stefan Hensel beauftragt und von Forschenden der Akademie der Polizei Hamburg und der Polizeiakademie Niedersachsen durchgeführt. An der anonymen Befragung im Zeitraum vom 13. November 2023 bis zum 7. Februar 2024 nahmen 548 Jüdinnen und Juden schriftlich teil, die meisten von ihnen Mitglieder der Jüdischen Gemeinde. Im Durchschnitt sind die Befragten 65 Jahre alt und somit deutlich älter als der Durchschnitt der Hamburger Bevölkerung.

 »Mit dieser Studie haben wir erstmalig in Deutschland die Perspektive der Betroffenen wissenschaftlich untersucht, und die Ergebnisse machen uns tief betroffen«, sagte Fegebank. »Wenn Jüdinnen und Juden am Arbeitsplatz, auf dem Schulhof, auf der Straße oder online beleidigt werden, wenn sie sich nicht mehr sicher in Hamburg fühlen und ihre jüdische Identität aus Angst verstecken, dann sind wir als Staat und auch als Gesellschaft gefordert, den Schutz jüdischen Lebens zu sichern.« 

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, Philipp Stricharz, sagte, die antiisraelische Hetze im öffentlichen Raum beeinträchtige die Teilhabe jüdischer Hamburger am öffentlichen Leben. »Dieser Hetze muss Hamburg nunmehr entschieden entgegentreten und deutlich die Verantwortung der Hamas für das Leid in Israel und in Gaza betonen.« Sonst verschwinde das Judentum aus dem öffentlichen Leben. 

Als positiven Aspekt wertete Stricharz die Entscheidung zum Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge, da somit »das Judentum wieder in den Mittelpunkt der Stadt gerückt wird«. 

Der Antisemitismusbeauftragte Hensel sagte: »Insbesondere seit dem 7. Oktober sind die Sicherheitsbedenken so groß, dass sich viele Jüdinnen und Juden aufgrund antisemitischer Bedrohungen ins Private zurückziehen und weniger am öffentlichen Leben teilnehmen. Es ist unsere Pflicht, aus diesen Erkenntnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen und entschieden gegen Antisemitismus vorzugehen, damit jüdisches Leben in Hamburg wieder uneingeschränkt möglich ist.«

Polizeipräsident Falk Schnabel sagte, der Schutz des jüdischen Lebens habe bei der Hamburger Polizei höchste Priorität. »Angesichts der aktuellen Studie wird allerdings deutlich, dass wir im Hinblick auf das Vertrauen in die Ermittlungsbehörden und beim Thema Sicherheitsgefühl noch einiges zu leisten haben.« dpa

Interview

»Wir müssen viel mehr für die Rückführung von Antisemiten tun«

Der Bundestagsabgeordnete Johannes Volkmann (CDU) über den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland, die zögerliche Reaktion der Politik und Abschiebungen als Gefahrenabwehr

von Joshua Schultheis  13.11.2025

Berlin

Wegner setzt im Fördermittelstreit auf Aufklärung

»Es sind Vorwürfe im Raum, die muss man sich genau anschauen. Und dann werden wir gegebenenfalls, wenn es notwendig ist, die richtigen Konsequenzen ziehen«, betont der Regierende Bürgermeister

 12.11.2025

Deutschland

Waffen für Anschläge besorgt: Weiteres Hamas-Mitglied festgenommen

Der Mann soll ein Sturmgewehr, mehrere Pistolen und Munition für Anschläge auf jüdische und israelische Einrichtungen besorgt haben

 12.11.2025

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Einmischung

Trump fordert Begnadigung Netanjahus

Israels Regierungschef Netanjahu steht wegen Betrugs, Bestechung und anderer Vorwürfe vor Gericht. Israels Präsident müsse ihn begnadigen, forderte nun US-Präsident Trump - damit er das Land vereinen könne

 12.11.2025

Sabine Brandes

Wie Donald Trump Israels Demokratie angreift

Der US-Präsident hat angekündigt, in den Korruptionsprozess gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu eingreifen zu wollen. Damit geht der Amerikaner eindeutig zu weit

von Sabine Brandes  12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Verhandlung über Waffenlieferungen an Israel

Insgesamt sechs Kläger wollen vor dem Berliner Verwaltungsgericht in zwei Fällen feststellen lassen, dass der Export deutscher Rüstungsgüter an Israel rechtswidrig war. Eine Entscheidung wird noch für Mittwoch erwartet

 12.11.2025