Einspruch

Aufgeblasene Europäer

Einiges deutet darauf hin, dass die EU ihre Haltung gegenüber Israel verschärfen wird. Eine Erklärung von 26 europäischen Elder Statesmen, die Sanktionen gegen den jüdischen Staat und die einseitige Anerkennung eines Palästinenserstaates empfiehlt, ist ein weiteres Indiz dafür. Dass Richard von Weizsäcker und Helmut Schmidt dies mit unterschrieben haben, lässt zweifeln, ob sich Deutschland wie bisher der schrofferen Gangart widersetzen wird. Zu sehr wächst hierzulande die Neigung, sich der eigenen Emanzipation von der Vergangenheit zu versichern, indem man mit dem Finger auf Israel zeigt.

Steckenpferd Das soll jetzt zum Sündenbock dafür gestempelt werden, dass die irreale Vision des Westens von einem schnellen Nahostfrieden vor der Zeit zerplatzt ist. Nachdem der US-Präsident die verheerende Wirkung seines Versuchs erkennen musste, Israel einseitige Vorleistungen für Verhandlungen abzupressen, sollte die EU nicht erst recht auf diesem Steckenpferd herumreiten. Tatsächlich ist es nicht Netanjahus – gewiss kritikwürdige – Siedlungspolitik, die einen endgültigen Frieden unmöglich macht. So- lange Hamas und Iran im Hinterhalt lauern, kann weder eine israelische noch eine palästinensische Regierung für alle Zeiten Grundsatzpositionen räumen.

Zugleich aber brauchen sich Israel und die Palästinenserführung gerade darum mehr denn je. Ohnehin kann nicht die Anlehnung an rückständige arabische Diktaturen, sondern nur Verflechtung mit dem boomenden Israel den Palästinensern Stabilität und Wohlstand bringen. Gefragt sind jetzt konkrete, verbindliche Teilübereinkünfte zur Absicherung einer kooperativen Dynamik, auf deren Basis ein sukzessiver Rückzug der israelischen Besatzung nebst Rückbau von Siedlungen denkbar wird. Statt sich mit israelkritischen Deklamationen über ihre reale Bedeutung hinaus aufzublasen, sollte die EU lieber beim Erarbeiten solcher pragmatischer, lebbarer Übergangsformen helfen.

Der Autor ist Politischer Korrespondent der »Welt« und der »Welt am Sonntag«.

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Gaza

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025