Bundestag

Antrag zur Bekämpfung von Judenhass verabschiedet

Am Donnerstag wurde über den Antrag abgestimmt. Foto: imago

Der Bundestag hat die künftige Bundesregierung zur Berufung eines unabhängigen Antisemitismusbeauftragten aufgefordert. Ein gemeinsamer Antrag von Union, SPD, FDP und Grünen zur Bekämpfung von Judenhass wurde am Donnerstag einstimmig bei Enthaltung der Linksfraktion vom Parlament verabschiedet. Neben der Schaffung eines Beauftragten fordert der Antrag weitere Maßnahmen, um künftig wirksamer gegen Antisemitismus vorzugehen.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte den verabschiedeten Antrag. Damit hätten die Parlamentarier deutlich signalisiert, dass sie die Sorgen der jüdischen Gemeinschaft ernst nehmen. Zentralratspräsident Josef Schuster betonte: »Es ist gut, dass der Bundestag alle Formen des Antisemitismus behandelt hat. Wir müssen uns ebenso sehr mit dem Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft wie bei Rechtsextremen, Muslimen und Israel-Hassern auseinandersetzen.«

Integrationskurse Ein stärkeres Vorgehen gegen die BDS-Bewegung sei dringend notwendig. Daneben sei es überfällig, in den Lehrplänen der Integrationskurse das Thema Antisemitismus stärker zu berücksichtigen, so Schuster weiter. »Einen Generalverdacht gegen Muslime oder gar eine Instrumentalisierung des Themas, um diese religiöse Minderheit auszugrenzen, lehnen wir jedoch ausdrücklich ab.« Der respektvolle Umgang mit Minderheiten gehört zu den grundlegenden Werten unserer Demokratie. »Der Kampf gegen Antisemitismus ist Aufgabe von uns allen.«

Aktueller Anlass der Debatte gut eine Woche vor dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus waren unter anderem die Beschimpfung eines jüdischen Restaurantbesitzers und das Verbrennen der israelischen Flagge vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Beides sorgte für Schlagzeilen und Entsetzen in Gesellschaft und Politik.

Diese Fälle zeigten, aus welchen Richtungen Antisemitismus kommt, machten die Redner in der Bundestagsdebatte deutlich. Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder (CDU), sagte, ein großer Teil komme nach wie vor aus der Richtung des Rechtsextremismus. 90 Prozent der antisemitischen Straftaten kämen von rechts, sagte die SPD-Politikerin Kerstin Griese. Es gebe aber auch eine wachsende Zahl antisemitischer Handlungen von Zuwanderern aus Nordafrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten, ergänzte Kauder. Beides dürfe nicht zugelassen werden.

Forderung Im Antrag findet sich mit Blick auf Antisemitismus unter Zuwanderern die Forderung, bei möglichen Abschiebungen Aufrufe zu antisemitischem Hass als »besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse« zu werten und die Aufklärung über den Nationalsozialismus in den Integrationskursen zu verstärken. Zudem wird gefordert, zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus umfassender zu fördern und dabei auch muslimische Gemeinden als Partner zu gewinnen.

Die zentralste Forderung des Antrags ist die nach dem Antisemitismusbeauftragten. Er ist eine der wesentlichen Empfehlungen der vom Bundestag eingesetzten Expertenkommission Antisemitismus, die im vergangenen Jahr ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte. Der Beauftragte soll dem Antrag zufolge ressortübergreifend Maßnahmen der Bundesregierung gegen Judenhass koordinieren sowie Ansprechpartner für jüdische Gemeinden, Zivilgesellschaft und Bundesländer sein.

Regierungsvertreter, darunter Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), haben dies bereits befürwortet. Kauder versprach am Donnerstag, dass die Union dies »auf jeden Fall« in jeder Koalition durchsetzen werde.

Gefordert wurde solch eine Stelle auch vom Zentralrat der Juden. Ein Beauftragter könne «längerfristig und ohne Ressortdenken» die Entwicklungen beim Thema Antisemitismus beobachten sowie Strategien und Maßnahmen zur Bekämpfung entwickeln und koordinieren, sagte dessen Präsident Josef Schuster dem epd. Der deutsch-israelische Historiker Michael Wolffsohn äußerte sich dagegen skeptisch.

Effektivität Dies sei eine »gut gemeinte, jedoch völlig naive Bürokratenidee«, deren Effektivität er anzweifle, sagte er dem MDR. Die frühere Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch begrüßte den Beschluss des Bundestages. »Endlich will Deutschland seiner Verantwortung gegen Judenhass angemessen gerecht werden«, erklärte sie in München.

Die Festlegung auf eine Ansiedlung des Beauftragten im Bundesinnenministerium aus einer ursprünglichen Antragsfassung aus der Unionsfraktion findet sich im verabschiedeten Dokument nicht mehr. Die SPD plädiert dafür, dass der Beauftragte seinen Sitz im Kanzleramt hat.

Für den Antrag mit der Überschrift »Antisemitismus entschlossen bekämpfen« stimmte auch die AfD. Als Rednerin im Parlament verwies Beatrix von Storch vor allem auf Antisemitismus unter Migranten. Redner von SPD, FDP und Grünen warfen der Partei hingegen vor, in den eigenen Reihen weiter Björn Höcke auch nach seiner Rede mit der Kritik am Berliner Holocaust-Mahnmal zu dulden.

»Nach meinem Eindruck versucht die AfD, das Thema Antisemitismus bei Migranten zu instrumentalisieren, um Migranten generell zu verunglimpfen«, sagte Zentralratspräsident Schuster. Das lehnte er ab und ergänzte: »Ich gehe davon aus, dass die AfD auch gegen Juden hetzen würde, wenn es politisch für sie von Vorteil wäre.« epd/ja

Berlin/Ulm

Ron Prosor: Angriff auf israelischen Rüstungskonzern Elbit in Ulm ist ein terroristischer Akt

In Ulm ist eine israelische Firma angegriffen worden. Die Polizei vermutet einen politischen Hintergrund. Nun äußert sich der Botschafter des Landes

 10.09.2025 Aktualisiert

Washington D.C.

Trump bedauert Angriff in Katar und verteidigt ihn zugleich

Der US-Präsident distanziert sich von israelischem Angriff, sieht ihn aber zugleich als mögliche »Chance für Frieden«

 10.09.2025

Berlin

Weimer sieht Judenhass »wie in 30er Jahren«

Unter dem Vorwand der Israel-Kritik kämen »alle möglichen alten Fratzen des Antisemitismus« hervor, sagt der

 10.09.2025

Bagdad

Elizabeth Tsurkov ist frei

Elizabeth Tsurkov war im März 2023 von einer pro-iranischen Terrormiliz gekidnappt worden

 10.09.2025

Jerusalem

»Terror-Anführer können nirgendwo mehr sicher sein«

Netanjahu: Der Luftschlag hat die Hamas-Führer genau an dem Ort getroffen, an dem sie am 7. Oktober 2023 gefeiert haben

von Christoph Arens  10.09.2025

Zentralrat

Empathie mit Juden hat »dramatisch abgenommen«

Die im November 2024 erfolgte Befragung jüdischer Gemeinden hatte auch ergeben, dass fast die Hälfte der Gemeinden nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und dem Krieg in Gaza von antisemitischen Vorfällen betroffen waren

 09.09.2025

Der Rest der Welt

Warum ich wegen Annalena Baerbock »Sex and the City« gucke

Die Ex-Außenministerin ist Präsidentin der UN-Generalversammlung und zeigt auf Instagram ihr Carrie-Brad­shaw-mäßiges Leben in New York

von Katrin Richer  09.09.2025

London

Israels Präsident Herzog besucht Großbritannien

Der Besuch des israelischen Präsidenten erfolgt auf Einladung jüdischer Organisationen in einer spannungsgeladenen Zeit

 09.09.2025

Rechtsterrorismus

Ex-Innenminister Beckstein: NSU-Morde »größte Niederlage des Rechtsstaats«

25 Jahre nach dem ersten NSU-Mord zieht der frühere bayerische Innenminister Beckstein ein gemischtes Fazit zur Aufklärung. Er spricht außerdem über weitere mögliche Mitwisser - und räumt Fehler ein

von Hannah Krewer  09.09.2025