Geschichte

Aus Hinterzimmern an die Macht

Adolf Hitler und Franz von Papen (l.) im Jahr 1933 Foto: picture alliance / arkivi

»Ich möchte (…) Sie beglückwünschen zu der mutigen Initiative in der Anbahnung der Verständigung zweier Männer, die wir beide hochschätzen«, schreibt der ehemalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht am 6. Januar 1933 an den Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schröder: »Ich hoffe, dass die Unterredung in Ihrem Hause einmal historische Bedeutung gewinnen wird.«

Zwei Tage zuvor war es im Stadtteil Lindenthal in Schröders Villa zur ersten Zusammenkunft zweier machtgieriger Männer gekommen, die vor 90 Jahren das Ende der Weimarer Demokratie einläuteten: Adolf Hitler und Ex-Kanzler Franz von Papen.

Papen verhandelte mit Hitler über mögliche Wege zur Ablösung Kurt von Schleicher als Reichskanzler. Das Treffen wurde öffentlich, weil einem Fotografen eine besondere Aufnahme gelang. Sie zeigte, wie Hitler vor der Villa am Stadtwaldgürtel 35 aus dem Auto steigt. Das Foto war am nächsten Tag auf der Titelseite der Berliner »Täglichen Rundschau« - erster Beweis dafür, dass Nationalsozialisten und reaktionäre Kreise um den Zentrums-Politiker Papen den Sturz Schleichers aktiv betrieben. Gastgeber Schröder war laut eigener Aussage nur stummer Zuhörer des rund zweistündigen Gesprächs.

Der Chemnitzer Zeithistoriker und Politikwissenschaftler Alexander Gallus hält dieses Treffen für »ein wichtiges historisches Datum, das im Schatten der Erinnerung liegt«. Dennoch sei es falsch, hier bereits »die ›Geburtsstunde‹ der Hitler-Herrschaft zu sehen«, sagt der Professor im Gespräch mit dieser Zeitung. Diese Besprechung sei aber eine wichtige Zwischenetappe gewesen, die Hitler und die NS-Bewegung zurück in die Ränke- und Machtspiele um die Kanzlerschaft brachte - mit zunächst noch offenem Ausgang. Eine Tafel im Bürgersteig vor der einstigen Villa Schröder, die auf Beschluss der Bezirksvertretung verlegt wurde, erinnert heute daran.

Die von rechts und links vehement angefeindete Weimarer Demokratie war zu diesem Zeitpunkt längst »auf die abschüssige Bahn geraten«, wie der Historiker und Autor Frank Werner formuliert. Seit 1930 regierten Präsidialkabinette ohne Mehrheit im Parlament, der Reichspräsident setzte den Reichskanzler ein. Erst die multiple politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Krisensituation an der Jahreswende 1932/33 und das Handeln einer selbstherrlichen Kamarilla rund um Reichspräsident Paul von Hindenburg hätten schließlich zur Machtübertragung an Hitler am 30. Januar 1933 geführt, betont Gallus.

Auf das konspirative Gespräch folgten ungezählte mehr oder weniger geheime Zusammenkünfte, Gesprächsrunden in Hinterzimmern, Intrigen und gezielte Täuschungsmanöver der um die Macht buhlenden Rivalen.
Hitler, Papen, Schleicher, die NS-Größe Gregor Strasser und zuletzt auch Hindenburg sondierten mit Hochdruck - »völlig außerhalb der Arena der formellen Verfassungsorgane«, merkt der Historiker Hans Ulrich Wehler an.

Lange hatte Hindenburg eine Kanzlerschaft Hitlers kategorisch abgelehnt. Das würde, so der Präsident noch in einem Schreiben vom 24. November 1932, »zwangsläufig zu einer Parteidiktatur mit all ihren Folgen für die Verschärfung der Gegensätze im deutschen Volke« führen. Doch Schleichers Tage als Regierungschef waren gezählt, als die DNVP ihm die Gefolgschaft verweigerte und auch der von ihm umworbene NSDAP-Mann Strasser nicht statt Hitler ins Kabinett eintreten wollte. Schleichers verzweifelter letzter Versuch, den Reichstag durch Hindenburg auflösen zu lassen, ohne die verfassungsrechtlich vorgeschriebene 60-Tage-Frist für Neuwahlen einzuhalten, scheiterte. Er trat schließlich am 28. Januar zurück.

Ex-Kanzler Papen sollte im Auftrag des Reichspräsidenten eine neue Regierung bilden. Hindenburg sperrte sich nicht länger gegen Hitler als Kanzler, vorausgesetzt, dem Einfluss der NSDAP würde von konservativen Kräften deutliche Grenzen gesetzt. Alles kam nun auf Pressezar Alfred Hugenberg und seine DNVP an. Der gab seinen zähen Widerstand gegen Hitler schließlich gegen die Zusage eines Superministeriums aus Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährung auf.

Am Abend des 29. Januar stand das neue Kabinett. Neben Hitler waren zwei NSDAP-Mitglieder dabei, der Rest waren Konservative. Theoretisch war vollendet, was sich Hugenberg vorgenommen hatte: »Wir rahmen Hitler ein.«

Am 30. Januar begann um 11.15 Uhr die Vereidigung der Minister.
Hitler war endlich am Ziel - und zwar auf legalem Weg. Wenig später stand er mit Papen im ersten Stock der Reichskanzlei am Fenster und nahm die Ovationen seiner jubelnden Anhänger entgegen. »Welche ungeheure Aufgabe liegt doch vor uns, Herr von Papen«, sagte Hitler zu seinem Stellvertreter, dem er den Griff nach der Macht verdankte:
»Wir dürfen uns niemals trennen, bis unser Werk vollendet ist.«

Doch schon am 1. Juli 1934, nach der Ermordung konservativer Regimekritiker im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches, tritt Vizekanzler Papen aus der Regierung aus und wird zunächst Gesandter in Wien. Unter den Mordopfern der SS sind auch der letzte Reichskanzler der Weimarer Republik, Kurt von Schleicher, und seine Frau. Sie werden in ihrer Villa bei Berlin erschossen. Und einen weiteren einstigen Widersacher hatte Hitler nicht vergessen: Sein ehemaliger Organisationsleiter Gregor Strasser wurde in die Gestapo-Zentrale verschleppt und dort mit Kopfschüssen hingerichtet.

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