NS-Vergangenheit

Abich schwieg über Tätigkeit in der Nazi-Zeit

Hans Abich war nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland als Filmproduzent und Fernsehmacher bekannt geworden. Foto: picture-alliance / dpa

NS-Vergangenheit

Abich schwieg über Tätigkeit in der Nazi-Zeit

Ein Gutachten bestätigt: Der frühere ARD-Programmdirektor machte unwahre Angaben

 02.05.2023 11:42 Uhr

Der frühere ARD-Programmdirektor Hans Abich (1918–2003) hat falsche Angaben zu seiner Biografie während des Nationalsozialismus gemacht. Wie die ARD am Samstag mitteilte, bestätigte eine Untersuchung durch den Salzburger Kommunikationswissenschaftler Thomas Birkner, dass Abich »entgegen seiner eigenen Erzählung für das Propagandaministerium und für Zeitschriften der Studentenschaft, die die damalige Ideologie transportierten«, tätig war.

Nach Einschätzung des Gutachtens war der 1918 geborene Abich als junger Mann »in der Funktionskette des Regimes nicht weit aufgerückt, aber dennoch Teil einer Säule des NS-Regimes, die die faschistische Ideologie förderte«, teilte die ARD mit. Damit habe er »zur Verbreitung und Legitimation von Rassismus und Antisemitismus, von Führerkult und Kriegsbegeisterung« beigetragen.

Dunstkreis Der von der Historischen Kommission der ARD beauftragte Gutachter Birkner sagte, Abich habe seine Rolle als NS-Publizist nach 1945 größtenteils verschwiegen: »Eine selbstkritische Reflexion fand nicht statt.« Abich habe auch bezüglich seiner Mitgliedschaft in der NSDAP gelogen. Birkner schreibt in dem Gutachten, man könne Abich jedoch zugutehalten, »dass er nach 1945 im Rahmen seiner Möglichkeiten tatkräftig dazu beigetragen hat, dass das Demokratieexperiment der Deutschen erfolgreich war«. Sein Name habe sich nach dem Krieg auch nicht »im Dunstkreis« alter Nationalsozialisten gefunden.

Abich war nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland als Filmproduzent und Fernsehmacher bekannt geworden. Von 1961 bis 1968 war er Programmdirektor von Radio Bremen, von 1968 bis 1973 Intendant des Bremer Senders. Von 1973 bis 1978 war er Programmdirektor der ARD. Er starb am 17. Juli 2003 im Alter von 84 Jahren in Freiburg im Breisgau.

Der Medienmanager war auch in der Medienarbeit der evangelischen Kirche engagiert. Von 1977 bis 1979 war er Stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik, zu dem auch die Zentralredaktion des Evangelischen Pressedienstes (epd) gehört. 1999 erhielt Abich den Robert-Geisendörfer-Preis der Evangelischen Kirche in Deutschland für seine »herausragenden publizistischen Leistungen« und sein Lebenswerk.

werdegang In Interviews hatte Abich über seinen Werdegang im Dritten Reich mehrfach gesagt, dass er nach den antijüdischen Pogromen im November 1938 innerlich auf Abstand zur Ideologie des Nationalsozialismus gegangen sei. Im November 2021 hatte »Die Zeit« in einem Artikel publik gemacht, dass Abich als junger Mann Referent im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gewesen sei.

In dem Gutachten schreibt Birkner, Abich sei ab 1943 als stellvertretender Hauptschriftleiter für die vom »Reichsstudentenführer« herausgegebenen Zeitschriften »Geist der Zeit« und »Sieg der Idee« tätig gewesen. Zu seinen genauen Tätigkeiten für die Zeitschriften seien keine Akten gefunden worden. In den »Nachrichten des Deutschen Auslandswissenschaftlichen Instituts« habe er einige kürzere von Abich selbst verfasste Texte gefunden, »die dem damaligen Sprachgebrauch entsprechen«. Sein Ton sei jedoch meist »sehr sachlich« gewesen.

Der Gutachter kommt zu dem Schluss, wenn Abichs Texte auch »zum Teil das nationalsozialistische Gedankengut transportierten, so waren es sicherlich nicht Propagandaprodukte wie jene von Henri Nannen, die
2022 noch einmal massive Medienöffentlichkeit erhielten, obwohl sie längst bekannt waren«.

Der Vorsitzende der Historischen Kommission der ARD, Christoph Singelnstein, sagte: »Die Verstrickung Hans Abichs in das NS-Propagandasystem und seine spätere Verdrängung werfen Schatten auf seine Verdienste um das demokratische Mediensystem nach 1945. Als Galionsfigur oder Vorbild taugt Hans Abich nicht mehr.« epd

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  20.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Messerangriff am Holocaust-Mahnmal: Prozess beginnt

Ein 19-jährigen Syrer soll dort im Februar einem spanischen Touristen lebensgefährlich verletzt haben. Aufgrund einer sofortigen Notoperation überlebte das Opfer

 20.11.2025

Washington D.C.

Trump unterschreibt Gesetz zur Freigabe von Epstein-Akten

Der Druck auf den US-Präsidenten wurde zu groß - nun hat er die Veröffentlichung von Akten zu einem Fall genehmigt, den er nicht loswurde. Was das bedeutet

von Anna Ringle, Franziska Spiecker, Khang Mischke, Luzia Geier  20.11.2025

Russischer Eroberungskrieg

Neuer US-Friedensplan: Ukraine unter Druck

Die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt, doch hinter den Kulissen scheint weiter verhandelt worden zu sein. Kiew trifft dies zu einem doppelt ungünstigen Zeitpunkt

 20.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

Essay

All die potenziellen Schüsse

In diesem Herbst liest man fast täglich von vereitelten Anschlägen auf Juden. Was die ständige Bedrohung mit uns macht

von Mascha Malburg  20.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025