Rückblende

2003: Staatsvertrag zwischen Bund und Zentralrat

Paul Spiegel und Gerhard Schröder nach der Unterzeichung des Staatsvertrags Foto: dpa

Am 27. Januar 2003 unterzeichneten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Zentralratspräsident Paul Spiegel ein Dokument, das die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den jüdischen Gemeinden regelte. Das Datum – der Tag der Befreiung von Auschwitz, der seit 1996 offizieller Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus ist – ließ die historische Dimension des Staatsvertrags erahnen. Er sollte an das Erbe der gewaltsam zerstörten deutschen jüdischen Gemeinden anknüpfen.

Die Bundesregierung verpflichtete sich in dem Dokument dazu, »zur Erhaltung und Pflege des deutsch-jüdischen Kulturerbes, zum Aufbau einer jüdischen Gemeinschaft und zu den integrationspolitischen und sozialen Aufgaben des Zentralrats in Deutschland beizutragen. Dazu wird sie den Zentralrat der Juden in Deutschland bei der Erfüllung seiner überregionalen Aufgaben sowie den Kosten seiner Verwaltung finanziell unterstützen.« Zudem wurde in den Vertrag eine Förderung der Hochschule für Jüdische Studien und des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland hineingeschrieben.

spannungen Paul Spiegel bezeichnete das Ereignis zu Recht als »historischen Moment«. Erstmals wurden die Beziehungen zwischen Bund und Zentralrat vertraglich geregelt. Mit den jährlichen Zuwendungen an die jüdischen Gemeinden nahm der Vertrag die neuen Gegebenheiten wahr, die sich aus der Vervierfachung der Mitgliederzahlen der Gemeinden durch die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion ergeben hatten. Der später angepasste Staatsvertrag ist bis heute gültig und wurde durch zusätzliche Verträge auf Landesebene ergänzt.

Der Staatsvertrag bot aber auch Anlass zu Spannungen. Die liberale Union Progressiver Juden protestierte dagegen, weder an den Verhandlungen beteiligt gewesen zu sein, noch von den Zuwendungen zu profitieren. Die liberale Gemeinde in Halle ging deswegen sogar vors Gericht.

Die Streitigkeiten haben sich mittlerweile gelegt. Jüdisches Leben hat sich in all seinen Facetten in einer Weise entwickelt, die sich die Initiatoren des Staatsvertrags kaum hätten erträumen lassen. Die Ausbildung liberaler, konservativer und orthodoxer Rabbiner in Deutschland ist Realität geworden, die Kulturarbeit zeigt eine kaum gekannte Vielfalt, und die Sozialarbeit hat dafür gesorgt, dass die Nachfahren der Neueinwanderer in Deutschland eine aussichtsreiche Zukunft vor sich haben.

Auch wenn die staatlichen Zuwendungen nur einen kleinen Teil der eigentlichen Ausgaben für die Aufrechterhaltung jüdischen Lebens in Deutschland ausmachen, so haben sie doch einen wichtigen Anteil an der Zukunftsplanung der Gemeinden.

Kulturbetrieb

»Wie lange will das politische Deutschland noch zusehen?«

Der Bundestagskulturausschuss hörte Experten zum Thema Antisemitismus an. Uneins war man sich vor allem bei der Frage, wie weit die Kunstfreiheit geht

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Graz

Verharmlosung von NS-Verbrechen: Haft für Deutschen in Österreich

Lange Haftstrafe für einen Publizisten: Was steckt hinter dem Urteil, und wie stufen Extremismusforscher seine bereits eingestellte Zeitschrift ein?

 04.12.2025

Analyse

Der Kanzler in Israel: Antritt mit Spannung

Friedrich Merz besucht am Samstag Israel. Die Beziehungen beider Länder sind so strapaziert wie selten zuvor. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Reise des Bundeskanzlers

von Joshua Schultheis  04.12.2025

Ehrung

»Ahmad Mansour kämpft nicht gegen Symptome, sondern gegen Ursachen«

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour wurde mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir dokumentieren die Rede

von Josef Schuster  04.12.2025

Preisvergabe

Charlotte Knobloch kritisiert Berichterstattung von Sophie von der Tann

Dass problematische Berichterstattung auch noch mit einem Preis ausgezeichnet werde, verschlage ihr die Sprache, sagt die Präsidentin der IKG München

 04.12.2025

USA

Netanjahu will trotz Mamdanis Warnung nach New York kommen

Der designierte Bürgermeister will Wege prüfen, den Haftbefehl des IStGH zu vollstrecken. Der israelische Regierungschef lässt sich davon nicht abschrecken

 04.12.2025

Verteidigung

Bundeswehr nimmt Raketenwehrsystem Arrow 3 in Betrieb

Deutschland baut als Reaktion auf die Bedrohung durch Russland die Luftverteidigung aus und hat ein System in Israel beschafft. Es soll feindliche Flugkörper schon in größter Höhe zerstören können

von Carsten Hoffmann  03.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  03.12.2025 Aktualisiert

Medien

»Antisemitische Narrative«: Vereine üben scharfe Kritik an Preis für Sophie von der Tann

Die Tel-Aviv-Korrespondentin der ARD soll mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt werden

 03.12.2025